Sonderbeilage | 75 Jahre WAZ

Auf dem virtuellen Fußballplatz steht heute die „Vororientierung“ auf dem Trainingsplan. Die Spieler der U17-Nationalmannschaft sollen üben, wieman sich blitzschnell auf demPlatz orientiert, wie sie erkennen, wo ihre Mitspieler und Gegner stehen, wie sie freie Räume entdecken. Undwann ist der richtige Zeitpunkt für die Schulterblicke? Auchdas sei Bestandteil des Trainingsmit der Virtual-Reality-Brille, erklärtTrainerChristianWück: „Das gehört zur Entwicklung von Toptalenten dazu.“ Im Vordergrund stehe die individuelle Entwicklung der Spielerinnen und Spieler. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat die VR-Technologie vor runddrei JahrenindasTrainingaufgenommen – vor allem für seine Juniorenmannschaften. „In Richtung Wahrnehmungstraining kann das VR-Training sicherlich eineHilfe sein“, sagt David Wiesche, Juniorprofessor für digitales Lehrenund Lernen an der Uni Duisburg-Essen. Das Training mit der Datenbrille sollte allerdings nicht mit ESports verwechselt werden, bei dem Konsolenspiele, wie beispielsweise Fifa auf einem Bildschirm gespielt werden. Beiden erfordern sicher eine Konzentrationsleistung, beim VR-Training wird allerdings auch der Körper trainiert. Entwicklung durch regelmäßiges VR-Training DieSpielerinnenundSpieler desDFBkönnendie Brillen pro Trainingseinheit für zehn bis 15Minuten täglich bei Lehrgängen tragen. „Das hört sich erstmal nicht viel an, aber die Regelmäßigkeit macht dann schon was aus“, resümiert Wück. Das bestätigten auch die ersten Ergebnisse, die dasTechLabderDFB-Akademie ineiner erstenPilotstudie erhoben hat. Hier stehen derzeit 25 VRBrillen zur Verfügung, hier ist die Technologie ins Training eingeführt worden. Zu Beginn des Projektes wurde während eines Testspiels in Pinatar (Spanien) gemessen, wie oft und regelmäßig die Fußballer Schulterblicke durchführen. Drei Monate später wurde erneut ein Testspiel dahingehend untersucht. Bei einem Vergleich wurde festgestellt, dass rund 80 Prozent der Spieler eine Erhöhung der Kopfbewegung aufwiesen, was in Zusammenhang mit dem drei Monate lang durchgeführten VR-Training stehen könnte. Das sei zwar noch kein wissenschaftlicher Beweis, sagt Wück, dient aber als erste Entscheidungsgrundlage, ob es sich lohnt, weiterhin mit der Technologie zu trainieren. Aber wieso trainiert der DFB überhaupt in der virtuellenWelt? „Das Spiel wird immer schneller, das ist unstrittig“, sagt Wück. Durch größeren Gegner-, Zeit- und Raumdruck haben die Spieler weniger Zeit. Daher sei es wichtig, die Vororientierung zu trainieren. Trotzder erstenpositivenErgebnisse, hatChristian Wück Vorstellungen, wie das VR-Training in Zukunft beimDFB aussehen könnte: „Ich fände es optimal, wenn wir in der Lage wären, die VRBrillen mit realen Spielen unserer Jungs zu füttern.“ DFB trainiert mit Datenbrille Auf dem digitalen Fußballplatz geht es um blitzschnelle Orientierung Redakteurin Luisa Herbring testet Sportarten mit VR-Brille. L. Heidrich / FFS Christian Wück, Trainer der U17-Nationalmannschaft beim DFB. dpa Auf denGeräten ließen sichBauch- undRückenmuskeln trainieren, sagt Geschäftsführer Johannes Scholl. Auch die Koordination werde geschult. Richtig insSchwitzenkämenNutzeraber inderRegel nicht – unddas findet Scholl gut so: „Eine halbe Stunde ein VR-Headset auf der Nase und dabei einen Puls von 140 zu haben, das macht nicht viel Sinn. Dann beschlagen die Linsen und es wäre auch nicht hygienisch, das Headset vollzuschwitzen.“ Deswegen wehrt er sich gegen den Gedanken, den „echten“ Sport zu ersetzen. Virtual Reality bieteMöglichkeiten, das Training effektiver undmotivierender zu gestalten. „Aber deswegen muss man nicht aufhören, draußen laufen zu gehen.“ Auch VR-Experte Andreas Hebbel-Seeger sieht in der Technik keine Bedrohung für Sport im Freien, für Fitnessstudios oder Sportvereine: „Die Virtualisierung bildet nur etwas ab. Sie nähert sich der Realität an, ist aber nicht so gut wie das Original.“ Oft sei die virtuelle Realität nur ein Kompromiss: „Wer in der Stadt wohnt, aber in den Bergen Fahrrad fahren will, kann das mit VR auf dem Hometrainer simulieren. Würden sie aber in den Bergenwohnen, würden sie eher draußen fahren.“ So merke auch ich während der Übungen an der Uni Bochum, dass VR-Sport anders ist als das, was ich aus dem Fitnessstudio oder vom Tennisplatz kenne. Wenn ich die Brille abnehme, brauche ich einen kurzen Moment, um wieder in der Realität anzukommen. Ich muss mich erstmal sammeln und die virtuellen Eindrücke verarbeiten. Ich verlasse den Seminarraum und merke, dass ich während der Übungen nicht ins Schwitzen gekommen bin. Schwer fühlen sichmeine Arme nicht an. Vielmehr hat mich der VR-Sport kognitiv gefordert. Denn besonders meine Sinne Sehen, Hören und Fühlen hat die virtuelle Welt intensiver gereizt als der analoge Sport. Virtuelle Realität Mittwoch, 19. April 2023 – Seite 32/33 TRADITION VERPFLICHTET. Hebmüller Cabriolet 1949 WIR GRATULIEREN DER ZUM 75-JÄHRIGEN JUBILÄUM.

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