Sonderbeilage | 75 Jahre WAZ

Verleger, Journalist, Unternehmer Michael Weeke Jakob Funke, der 1948 gemeinsam mit Erich Brost die Westdeutsche AllgemeineZeitung, somit dieKeimzelle der heutigen Funke-Mediengruppe, gründet, ist keiner, derdengroßenAuftritt sucht, der sich mit großer Geste in der Öffentlichkeit bewegt. JakobFunke, derMann, der von der Pike auf die Kunst des Zeitungsmachens erlernt, beweist schon sehr bald, dass er noch ganz andere Qualitäten hat, als die eines hervorragenden Journalisten. EineTatsache, die ihmspäter, vor allem, was die Gründungsphase der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung angeht, wertvolle Dienste erweisen wird. Denn er bewegt so unendlich viel, diesermit seinen1,65Meternnunwahrlich nicht groß gewachsene Mann, dem zudem ganz gewiss nicht in die Wiege gelegt worden ist, einmal an der Spitze der größten deutschen Regional-Zeitung zu stehen. Einer Zeitung, deren wirtschaftlicher Erfolg die Grundlage legt, für die in der bundesdeutschenMedienwelt viel beachtete Erfolgsgeschichte eines deutschen Zeitungsverlages. Als noch nicht einmal 14-jähriger Heranwachsender wird der spätere Vollblutjournalist Jakob Funke zu Beginn des 1. Weltkriegs in die Zeitungswelt hineingeworfen. Ein knappes Jahr nach demTodseinesVaters am27.März1914 entdeckt seine Mutter eine Anzeige in der damals in Essen erscheinenden Rheinisch-Westfälischen Zeitung (RWZ). Eine Entdeckung mit Folgen. Dort heißt es: „Zum sofortigen Eintritt suchenwir noch einen fleißigen, geweckten Knaben für leichte Bürodienste.“ Für den „geweckten Knaben“ Jakob Funke ist es eineAnzeige, die seinLeben für immer verändern wird. Das tragende Erfolgsrezept Absolut verwunderlich aus heutiger Sicht: Dieser so kundige und vor allem inseinerSprachesolesernahe Journalist Jakob Funke tritt mit der Gründung der WAZviele Jahre später als Journalist völlig in denHintergrund und arbeitet fortan als „Verlagsmanager“, wieman es vermutlich heute formulieren würde. Vielleicht war diese strikte Aufgabenteilung zwischen Erich Brost, der nicht nur Herausgeber, sondern auch Chefredakteur des neuen Blattes wurde, und Jakob Funke, das eigentliche Erfolgsrezept. EineäußerstwirkungsvolleRezeptur für die später so bewunderte, von manchen auch beneideteWAZ. Der höchst umtriebige Jakob lernt zunächst die Welt der Zeitung von Grund auf kennen. Vertrauten wird er später immer wieder voll Stolz von diesen Lehrjahren berichten. Ohne Schulabschluss, ohne akademische Bildung, schwimmt er schon bald obenmit, zieht die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten auf sich. VomeinfachenHausboten, der treppauf treppab Manuskripte aus der Schreibstube zur Setzerei bringt, entwickelt er sich stetig weiter. Von Reinhold Wulle, dem damaligen Chefredakteur der RWZ, hat Karl Sabel, Jakob Funkes langjähriger Freund und Wegbegleiter, den Spruch überliefert. „MeinSohn,wenndufleißigbist, kannst duhier eineLebensstellunghaben.“Wie recht Wulle behalten sollte. Jakob Funke bleibt, mit nur kurzen Unterbrechungen zeitlebens der Zeitung verbunden, er hat seine Lebensstellung, seine Lebensaufgabe gefunden. Schnell findet er sich zurecht in dieser hektischen, damals noch vomtypischen Geruch nach Blei und Druckerschwärze dominierten Arbeitsatmosphäre. Ein schwieriges Kapitel in Jakob Funkes Leben ist dieZeit desNationalsozialismus. Zwar attestieren ihmverschiedene Quellen ein distanziertes Verhältnis zudenNazis. Dochbedeutet gerade diese Zeit für Funke, der spät NSDAP-Mitglied geworden war, auch ganz persönlich eine Zäsur, die ihm beinahe jede weitereBetätigung auf demFelddes von ihm geradezu geliebten Journalismus unmöglich gemacht hätte Kenner der Ruhrgebiets-Mentalität Jakob Funke gehört nach dem Krieg zu denen, die sich raschwieder unentbehrlich machen. Doch geschieht dies nicht ohne Widerstand. Erich Brost will Funke, dessen hervorragende Kenntnis des Ruhrgebiets er schätzt und dessen Kontakte er dringend benötigt, unbedingt in sein Gründungsteam der NRZ einbauen, was er auch tut. Brost hat später die WAZ-Lizenz erhalten. Sein Name steht auf demDokument. Doch der Mann aus Danzig, der Emigrant, wäre ohne den umtriebigen Funke, den Intimkenner der Ruhrgebiets-Mentalität als Fremder im Revier sicherlich sang- und klanglos untergegangen. Und Funke kennt viele Leute. Vor allem findet er in seiner zupackenden Weise den direkten Weg zu vielen Menschen, die ihmfür diesesProjekt äußerst nützlich seinwürden. So nimmt es nicht Wunder, dass wichtige Köpfe des altenRWZ-Verlages baldwieder anzentraler Stelle der in der neuen Zeitung arbeiteten. Den Beginn der späteren Zeitungsgruppe WAZ, dem Vorläufer der heutigen Funke Mediengruppe, trieb er kurz vor seinem Tod gemeinsam mit dem 1960 von ihm ins Unternehmen geholten Günther Grotkamp voran. Die ehemals selbstständigen Zeitungen Westfälische Rundschau, Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung und die Westfalenpost, solltenbalddazu gehören. Auch andem später so erfolgreichen Konzept, der wirtschaftlichen Einheit, bei gleichzeitiger Unabhängigkeit der Redaktionen, beteiligte er sich noch. Funke war es auch, der Grotkamp zum Vertrauten machte. Jakob Funke stirbt am 5. Februar 1975, nur vier Tage nachdemTod seiner Frau Rosemarie. Das Unternehmen, dessen Keimzelle die WAZ ist, trägt seit 2013 seinenNamen. Als Zeichen für die familiäre Struktur des Verlages aber auch als Würdigung seines Lebenswerks. Montage: Lisa Dießner / Fotos: Marga Kingler / Fotoarchiv Ruhr Museum (3), iStock Zum sofortigen Eintritt suchen wir noch einen fleißigen, geweckten Knaben für leichte Bürodienste. Anzeige in der RWZ auf die sich Jakob Funke 1914 bewarb MICHAELWEEKE ist stellv. Leiter inBochumund hat die historischen Themen dieser Ausgabe betreut. Die Gründer Mittwoch, 19. April 2023 – Seite 58/59

RkJQdWJsaXNoZXIy MjExNDA4