75 Jahre NRZ
An Rhein und Ruhr. „Es fängt mit Le- sen an“ – das ist das Motto der „Stif- tung Lesen“, die im Jahr 1988 mit Sitz in der Gutenberg-Stadt Mainz gegründet wurde, um Lesefreude und Lesekompetenz in Deutsch- land zu fördern (siehe Infobox). Le- sen sei die zentrale Voraussetzung für Bildung, beruflichen Erfolg, In- tegration und zukunftsfähige gesell- schaftliche Entwicklung, heißt es imProgramm der Stiftung. Über die Arbeit der Stiftung, ihre Ziele, über Lieblingsleseorte und über den „Dietrich Oppenberg-Medien- preis“ von „Stiftung Lesen“ und „Stiftung Presse-HausNRZ“ sprach Peter Toussaint mit dem Hauptge- schäftsführer der Stiftung Lesen, Dr. Jörg F. Maas . Herr Maas, was war der Grün- dungsgedanke, die Initialzündung der Stiftung? Jörg F. Maas: Unsere Vision lautet „Alle Menschen können lesen.“ Sie gehörte von Anfang an zu unserer DNA und war ausschlaggebend für die Gründung der Stiftung Lesen. damalige Bundesregierung als Mit- streiter gewonnen. Die Stiftung ist also quasi ein Public-Private-Part- nership – entstanden zu einer Zeit, als es denBegriff noch gar nicht gab. Wie können Sie Ihre Ziele errei- chen? Der Kreis der Partner und Spender ist sukzessive gewachsen. Um unse- rem Netzwerk eine Struktur zu ge- ben, haben wir drei zentrale Gre- mien eingeführt. Zum Stifterrat ge- hörenMenschen und Institutionen, die finanziell die Arbeit der Stiftung unterstützen. Das können Unter- nehmen sein, Verbände oder auch Bund und Länder. Daneben gibt es den Stiftungsrat: Das sind Institu- tionen, mit denen wir vor allem in- haltlich zusammenarbeiten, zum Beispiel der Deutsche Bibliotheks- verband, die kommunalen Spitzen- verbände, Kirchen, Gewerkschaf- ten, aber etwa auch der Deutsche Olympische Sportbund. Das dritte Gremium ist das Kuratorium: Hier versammelt die Stiftung Menschen, die ihre öffentliche Rolle für die Le- seförderung einsetzen können. Den Vorsitz hat aktuell ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut. Mit dieser kom- plexen Struktur werden wir unse- rem Anspruch gerecht, Leseförde- rung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu vermitteln. Welche Rolle spielt dabei der Op- penberg-Medienpreis? Der Oppenberg-Medienpreis ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie im Zuge einer Partnerschaft gute Ideen im Sinne der Leseförderung entstehen. Beide Partner – die Stif- tung Lesen und die Stiftung Presse- Haus NRZ – bündeln ihre Kompe- tenzen in den Bereichen Bildung und Journalismus, um diese Aus- zeichnung zu ermöglichen. Seit über 20 Jahren werden Journalistin- nen und Journalisten geehrt, die sich in ihren Print-, TV-, Radio- und Onlinebeiträgen mit dem Thema Lesen auseinandersetzen. Hat sich das Bewusstsein der Be- deutung des Lesens in der Öffent- lichkeit durch das Wirken der Stif- tung verändert? Wir machen mit groß angelegten und öffentlichkeitswirksamen Ak- tionen wie dem Bundesweiten Vor- lesetag, dem Welttag des Buches und dem Nationalen Lesepakt auf die Bedeutung des Lesens aufmerk- sam. Mit der Buchverschenkaktion „Ich schenk dir eine Geschichte“ zum Welttag des Buches erreichen wir über 50 Prozent der Schulkin- der in den 4. und 5. Klassen. Beim Bundesweiten Vorlesetag beteiligen sich jedes Jahr mehr als eine halbe MillionMenschen. Und für denNa- tionalen Lesepakt haben wir ein Netzwerk mit über 150 Partnern aus allen Bereichen der Gesell- schaft aufgebaut. Allerdings dürfen wir uns auf die- sen Erfolgen nicht ausruhen: Wir wollen und müssen jeden Jahrgang derNeugeborenen, Kita- undSchul- kinder aufs Neue für Geschichten begeistern und so die Grundlage für einen erfolgreichen Bildungsweg schaffen. Verändert sich die Lesekompetenz gerade zum Schlechten? Viele Ini- tiativen, viele Patenprojekte lagen ja wegen Corona auf Eis... Der Lockdown mit den Kita- und Schulschließungen führt tatsäch- lich dazu, dass sich die Bildungs- schere weiter öffnet: zwischen Kin- dern, die gut lesen können, und je- nen, denen es schwerfällt. Aus die- semGrund fordern wir die Parteien in Deutschland auf, die Leseförde- rung und Bildung junger Menschen zu einem wesentlichen Teil ihrer politischen Arbeit zu machen – im Bundestagswahlkampf, aber auch nach der Regierungsbildung. Denn nur, wenn wir die Leseför- derung nachhaltig verbessern, kön- nen wir allen Kindern Bildungs- chancen ermöglichen. Macht der technologische Fort- schritt nicht irgendwann die Lese- fähigkeit überflüssig? Im Gegenteil! Die Digitalisierung sorgt dafür, dass es immer mehr und vielfältigere Information zu allen er- denklichen Themen gibt. Doch zahlreiche Studien – so wie jüngst die Sonderauswertung der PISA- Studie 2018 – zeigen: Bildungsbe- nachteiligte und leseferne Men- schen haben überdurchschnittlich häufig Schwierigkeiten, digital ver- mittelte Inhalte zu finden und zu verarbeiten. Zudem scheitern sie an Inhalten, die nicht über Videos oder Vorlesefunktionen zugänglich sind. Was lesen Sie persönlich gerne, wenn Sie entspannen wollen? Ha- ben Sie einen Tipp, was wir unbe- dingt lesen sollten? Ich lese immer wieder gern und auch mehrfach die Werke des US- amerikanischen Schriftstellers Paul Auster, zuletzt „4 3 2 1“. Da jeder Mensch einen eigenen Geschmack hat, empfehle ich, sich bei der Lek- türeauswahl von den persönlichen Interessen inspirieren zu lassen. Dann findetman ganz bestimmt das richtige Buch! Am bundesweiten Vorlesetag gehen auch immer wieder Redakteurinnen und Redakteure der NRZ in die Schulen – hier ist es Katrin Martens. Der entscheidende Impuls kam vor 35 Jahren aus dem Hause Bertels- mann. Dort wollte man möglichst vielen Menschen den Zugang zum Lesen ermöglichen. Die Verant- wortlichen haben vor 35 Jahren die „Wir wollen und müssen jeden Jahr- gang für Geschich- ten begeistern und so die Grundlage für einen erfolgrei- chen Bildungsweg schaffen.“ Dr. Jörg F. Maas, Stiftung Lesen Schirmherrschaft des Bundespräsidenten n Die Stiftung Lesen , gegründet 1988, führt in enger Zusammen- arbeit mit Bundes- und Landes- ministerien, wissenschaftlichen Einrichtungen, Stiftungen, Ver- bänden und Unternehmen bun- desweite Programme, Kampag- nen, Forschungs- und Modellpro- jekte durch, zum Beispiel den „ Bundesweiten Vorlesetag “ im November. n Die Stiftung steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsi- denten und wird von prominenten Lesebotschaftern aus Politik, Sport, Medien, Kultur und Sport unterstützt. n Die Stiftung konzentriert sich bei der Leseförderung vor allem auf Kinder, Jugendliche und de- ren Familien, die in einem bil- dungsbenachteiligten Umfeld le- ben. n Sie will gemeinsam mit Part- nern Menschen inspirieren , moti- vieren und unterstützen, das Le- sen zu fördern und Lesefreude zu vermitteln. n Zu ihren Projektpartnern gehört seit über 20 Jahren die „ Stiftung Presse-Haus NRZ “. Gemeinsam wird der „Dietrich Oppenberg- Medienpreis“ verliehen. Der Oppenberg-Medienpreis n Die Idee zu diesem Preis ent- stand nach der Trauerfeier zum Tod des NRZ-Gründers und lang- jährigen Herausgebers Dietrich Oppenberg am 13. April 2000. Der damalige Geschäftsführer der „Stiftung Lesen“ schlug vor, den Verstorbenen als Namensgeber eines Preises zu ehren. n Der Preis, der in diesem Jahr zum 21. Mal vergeben wird, zeich- net herausragende journalisti- sche Texte zum Thema „Lesen“ aus. Er wird gemeinsam ausge- lobt von der „Stiftung Lesen“ und der „Stiftung Pressehaus NRZ“. n Der Oppenberg-Medienpreis wird stets in der Hauptstadt des- jenigen Bundeslandes vergeben, das den Vorsitz in der Kultusmi- nisterkonferenz der Länder inne- hat. n In der Jury sitzen unter ande- rem: Jörg F. Maas (Geschäftsfüh- rer der „Stiftung Lesen“), Heinrich Meyer (NRZ-Herausgeber und Vor- stand der „Stiftung Pressehaus NRZ) und Manfred Lachniet (Chef- redakteur der NRZ). NRZ-Herausgeber Heinrich Meyer spricht bei der Verleihung des Diet- rich-Oppenberg-Medienpreis im Sommer 2020. FOTO: KAI KITSCHENBERG FOTO: FATCAMERA / GETTY IMAGES, MONTAGE: LENA LENGNER „Alle Menschen können lesen“ Das ist die Vision der „Stiftung Lesen“. Seit 35 Jahren setzt sie sich für die Förderung der Lesekompetenz ein, veranstaltet Vorlesetage und verschenkt Bücher an Kinder. Ein Interview mit Stiftungschef Jörg F. Maas „Ich lese gern“ Buchgeschichten aus der Redaktion 75 JAHRE Was aus mir alles hätte werden können Wolfgang Kint- scher (57), Leiter der Stadtredak- tion Essen: „Le- sen konnte ich schon mit vier, und wenn Sie das jetzt nicht glauben, geht’s Ihnen wie unseren Nachbarn, zu denen Muttern mich dann schleppte, um zum Beweis aus der Zeitung vorzulesen. Wahr- scheinlich war damit auch im Unterbewusstsein meine Be- rufswahl besiegelt, tja. Gemessen an meiner Lektüre hätte ich natürlich auch Jugend- amts-Mitarbeiter, Plutimikati- ons-Experte oder Apatschen- Häuptling werden können, denn mir ist nicht erinnerlich, dass ich in frühen Jahren anderen Autoren gefolgt wäre als Enid Blyton (Fünf Freunde!), Astrid Lindgren (Pippi Langstrumpf!) oder Karl May (Winnetou!). Lesen ist ein sehr anstecken- der Virus. Geschätzte 45 Pro- zent meines Hausstandes be- stehen heute noch aus Bü- chern. Ich kann mich halt so schwer trennen, was jeder ver- steht, der mal Stephen Kings „Es“, Patrick Süskinds „Das Par- fum“ oder „Danke, dass Sie hier rauchen“ von Christopher Bu- ckley verschlungen hat. Lesebe- fehl! Heute lese ich eher Sachbü- cher, wozu einem leider oft die Zeit fehlt, denn bei der NRZ wer- den Sie ja vorzugsweise nicht fürs Lesen bezahlt, sondern fürs Schreiben. Sehr ungerecht ;-) “ Ein magisches Leseerlebnis! Friederike Bach (31), Redakteurin in der Kinderre- daktion in Essen: „Welches Buch mich bisher am meisten geprägt hat, kann ich unmöglich sagen! Es sind einfach zu viele berüh- rende, spannende und lustige Geschichten, die mein Bücherre- gal füllen. Ich kann aber ganz si- cher sagen, welche Geschichte mich am längsten begleitet hat: Harry Potter. Den ersten Band habe ich mit zehn Jahren inner- halb von einer Woche gelesen. Gut, dass der zweite und der dritte Band da schon erschienen waren und ich nahtlos an das erste magische Leseerlebnis an- schließen konnte! Aber dann fing es an: Ein Jahr warten auf den vierten Band, noch mal eins auf den fünften… Damals fand ich das unerträglich! Im Nachhi- nein bin ich dankbar, dass ich genau in der Zeit zur Harry Pot- ter-Zielgruppe gehörte, als die Buchreihe entstand. Denn so be- gleitete mich die Geschichte fast ein Jahrzehnt lang. Und ich durf- te Harrys magische Welt entde- cken, ohne schon Bilder aus den Filmen im Kopf zu haben. Wenn ich heute Harry Potter lese, se- hen die Orte, Personen und We- sen in meinem Kopf noch immer so aus, wie ich sie mir im Jahr 1999 beim ersten Lesen vorge- stellt habe. Einfach magisch!“ Im Jubiläumsjahr der NRZ erzählen die Kolleginnen und Kollegen aus den NRZ-Redaktionen von ihren ganz besonderen Lese-Erlebnissen. NBX__NRWTZ_27_1652 | Samstag, 03. Juli 2021 Seite 26 und 27
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