75 Jahre NRZ

an. Ich werde ganz oft gefragt: „Wie viele Seiten hat das Buch, aus dem du uns heute vorgelesen hast?“ Na- türlich gibt es immer noch Leserat- ten, die „Harry Potter“ verschlin- gen, aber die sehe ich eher in der Minderheit. Wie optimistisch blicken Sie trotz Pandemie in die Zukunft? Ich hoffe doch sehr, dass wir die Kurve kriegen. Gerade in der Coro- na-Zeit gab es erfreuliche Beispiele, wo Eltern, die sich vorher nicht die Zeit dafür genommen haben, zuBü- chern gegriffen haben. Ich bin da eher optimistisch, sonst hätte ich mir auch den falschen Beruf ausge- sucht. Ich lebe schließlich davon, Bücher zu schreiben undGeschich- ten auf der Bühne zu erzählen. „Gemeinsames Lesen ist wichtig“ Kinderbuchautorin Sabine Zett engagiert sich als Lesebotschafterin. Im Interview erzählt die Dinslakenerin, warum Eltern dabei eine so bedeutende Vorbildfunktion haben Sabine Zett startete als Journalistin n Sabine Zett hat bei den Westfä- lischen Nachrichten volontiert und war anschließend bei ver- schiedenen Medienhäusern als Journalistin tätig. Seit 2010 schreibt sie unterhaltsame Bü- cher für Kinder und Erwachsene, Kolum- nen und Bühnentex- te . n Mit ihrer Buchrei- he „Hugos geniale Welt“ (ab 2011) ge- lang ihr der Sprung auf die Spiegel-Best- sellerliste und der Durchbruch als Kinderbuchautorin . Viele ihrer 43 Bücher sind in ins- gesamt 20 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet worden. Neben dem Bücher- schreiben steht Sabine Zett mit ihren witzigen Ge- schichten auch auf der Bühne. n Ihr aktuelles Kin- derbuch heißt „Chilly Wuff. Die Welt liegt mir zu Pfoten“ (Are- na, ab 8 J.). Mehr Infos auf www.sabi- ne-zett.de . An Rhein und Ruhr. „Jedes vierte Kind, das die Grundschule verlässt, kann nicht flüssig lesen“, sagt Sabi- ne Zett. „Das ist doch wirklich er- schreckend.“ Um Kinder wieder stärker ans Lesen heranzuführen, engagiert sich die Bestsellerautorin, die gerade Buch Nummer 44 schreibt und seit mehr als 20 Jahren in Dinslaken wohnt, auch ehren- amtlich für die Leseförderung. Seit 2018 ist sie offizielle Bot- schafterin der Stiftung Lesen. Im Gespräch mit Reporter Dennis Frei- kamp spricht Zett über ihr Herzens- projekt, die Folgen der Pandemie und neue Trends auf dem Kinder- buch-Markt. Sie bieten seit mittlerweile elf Jah- ren Lesungen aus Ihren Büchern an. Wie kam es dazu? Autorinnen und Auto- ren lesen ja öffentlich aus ihren Werken vor. In Bibliotheken, Buch- handlungen und Schu- len gibt es einen großen Wunsch nach solchen Veranstaltungen, gerade für Kinder. Ich mache das sehr gerne, weil es für die Klassen etwas Be- sonderes ist, wenn es heißt: ‚Da kommt eine echte Auto- rin, deren Buch hier in der Schul- bibliothek steht.“Als 2010mein ers- tes Kinderbuch erschienen ist, wur- de ich sofort für eine Lesereise ange- fragt, damals ging es nach Nieder- sachsen. Mittlerweile gibt es kein Bundesland, in dem ich noch nicht gewesen bin -- genauso wie in der Schweiz, in Österreich und auf Ein- ladung des Goethe-Instituts auch in ein paar anderen Ländern, wo mei- ne Bücher übersetzt erscheinen. Sie bezeichnen Ihre Veranstaltun- gen selbst als „Leseshows“. Wa- rum? Ich wollte nicht auf einem Stuhl sit- zen und vorlesen. Ich will die Zu- schauer zum Lesen, aber auch zum Lachen animieren, Leseförderung und Unterhaltung miteinander ver- binden. Ich habe früher Theater ge- spielt und stehe sehr gern auf der Bühne. Bei meinen Leseshows be- wege ich mich viel, arbeite mit Mi- mik, Gestik, Illustrationen und klei- nen Filmen. Ich hole auch Kinder nach vorne, die Lust haben mitzu- machenundmitzulesen. Undnatür- lich höre ich an der spannendsten Stelle auf, denn alle sollen dazu ani- miert werden, das Buch selbst wei- terlesen zu wollen. Am Ende wer- den alle Fragen beantwortet, die den Kindern amHerzen liegen, wie ein Buch entsteht, zumeinemBeruf und so weiter. Wie ist die Stiftung Lesen auf Sie aufmerksam geworden? Jedes Jahr startet die Stiftung eine Aktion, bei der ein extra dafür ge- schriebenes Kinderbuch kostenlos an über eine Million Kinder in Deutschland verschenkt wird. Die Reihe nennt sich „Ich schenke dir eine Geschichte“ und bedient im- mer ein anderes Genre. Ich bin für witzige Geschichten aus demAlltag bekannt, und so hat die Stiftung 2018 mich ausgewählt, das Buch zu schreiben. Und da ich auch häufig ehrenamtli- che Veranstaltungen ma- che, zum Beispiel an Brennpunkt-Schulen, wurde ich gefragt, ob ich offiziell Lesebotschafte- rin sein möchte. Welche Folgen hatte die Pandemie für Ihre Arbeit mit den Kindern? Ichmache im Jahr ungefähr 150 Le- sungen – manchmal auch mehrere pro Tag an einer Schule. 2020 wur- den wegen Corona mehr als die Hälfte davon restlos gestrichen. Erst ab Oktober fand ein leichtes Umdenken statt, und ich habe eini- ge Anfragen für digitale Lesungen bekommen, aber bei Weitem nicht so vielewie vor Corona. ZumGlück sieht es jetzt wieder etwas besser aus, und ich darf wieder Präsenzver- anstaltungen machen. Wie sehr schadet die Pandemie der Leseförderung? Es gab schon vor Corona Studien, die zeigen, dass Lesen und Vorlesen im Alltag vieler Kinder nicht mehr so viel Platz einnehmen. Deshalb finde ich Leseförderung so wichtig. Neben der Stiftung Lesen bin ich seit einigen Monaten auch Botschafte- rin der Organisation „Schalke hilft!“, die sich für benachteiligte Kinder und Jugendliche in und um Gelsenkirchen ein- setzt. Dort werde ich ebenfalls eh- renamtlich Leseprojekte durchführen. Es ist toll, dass sich so viele Organisatio- nen, Stiftun- gen, Verlage und Einzelper- sonen küm- mern, dass Kinder beim Thema Lesen nicht vernachlässigt werden! Wieso ist es heutzutage so schwierig, Kinder für Bücher zu be- geistern? Kinder haben genauso viel Freizeit wie früher, aber sie ist anders aufge- teilt. Früher haben wir gelesen und ab und zu einen Film geguckt. Heu- te haben die Kinder ein Smart- phone und unzählige Spielkonso- len. DieMöglichkeiten sind einfach vielfältiger geworden. Wir müssen mit Büchern schon versuchen, da einen Platz zu finden. Die Kinder haben vielleicht nicht mehr jeden Tag Zeit und Lust, eine Stunde am Stück ein Buch zu lesen, aber auch 20 Minuten täglich sind doch ein Anfang. Wie können Eltern ihre Kinder zum Lesen animieren? Ich bin ein Gegner davon, die Kin- der zu zwingen, weil sie meist bo- ckig reagieren. Trotzdem sollten El- tern die Flinte nicht ins Korn wer- fen. Ich behaupte, bis zumEnde der Grundschule ist bei jedemKind das Interesse da. Ich weiß, dass es da- nach abnimmt, aber wenn der Grundstein gelegt ist, kommt es ir- gendwann wieder. Eltern sind als Erwachsene Vorbild. Wenn die Kin- der ihre Eltern nie mit einem Buch in der Hand sehen, wie sollen sie dann ein Interesse am Lesen entwi- ckeln? Das Buch sollte als Selbst- verständlichkeit indenAlltag aufge- nommen werden. Und wenn sich mein Kind trotzdem weigert zu lesen? Es ist die Aufgabe der Eltern, herauszufin- den, wofür sich das eigene Kind interes- siert. Wenn ein Kind partout keine Fantasy- geschichten mag, brau- che ich auch nicht mit Fantasy ankommen. Ich kann eineDetektiv- oder Tiergeschichte mitbrin- gen, oder etwas Witziges. Eltern müssen den Kindern Angebote ma- chen und vor allem zusammen die Interessen erkunden. Es ist völlig egal, was die Kinder lesen. Hauptsa- che sie tun es. Auch gemeinsames Lesen ist wichtig. Die Nähe, das Vorlesen erzeugt einGefühl der Ge- borgenheit, und man kann zusam- men die schönsten Abenteuer erle- ben. Welche Genres kommen beson- ders gut an? Ein Trend in den vergangenen Jah- ren sind comicartige Romane und solche, die schneller und leichter zu lesen sind. Die Verlage und Autoren passen ihre Bücher an die Kinder Beliebte Vorleserin: Sabine Zett geht als Lesebotschaf- terin in Schulen. Hier ist sie in der Essener Kantschule zu Gast. FOTO: VLADIMIR WEGENER Lesen! NBX__NRWTZ_37_1652 | Samstag, 03. Juli 2021 Anzeige HERZLICHEN KREIS KLEVE ! GLÜCKWUNSCH

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