75 Jahre NRZ

Heinrich Meyer n Heinrich Meyer, geboren 1948 in Scheeßel , ist seit 2000 – in der Nachfolge des Zeitungs- gründers Dietrich Oppenberg – Herausgeber der NRZ. n Der Betriebswirt ist Vorsitzen- der des Aufsichtsrats der Rhei- nisch Westfälischen Verlagsge- sellschaft und Vorstand der „Stiftung Presse-Haus NRZ“. n Er bekleidet viele Ehrenämter , ist u. a. Vorsitzender des Ver- waltungsrats des Versorgungs- werks der Presse. Vera Denkhaus n Die 27-jährige gebürtige Esse- nerin studierte nach ihrem Abi- tur „Journalismus und Modera- tion“ an der WAM Medienaka- demie in Dortmund. n Ihren Masterabschluss er- warb Vera Denkhaus im Jahr 2017 im englischen Sheffield . n 2018 und 2019 absolvierte sie ein Praktikum bei der Deut- schen Welle in Uganda . n 2020 begann sie ihr zweijäh- riges Volontariat bei der NRZ . Manfred Lachniet n Chefredakteur der NRZ ist er seit Juli 2013. Zuvor war er sechs Jahre lang Vize und davor Lokalchef in Rheinhausen und Moers. n Seine Heimat ist Duisburg - Walsum, also an der Schnitt- stelle zwischen Ruhrgebiet und Niederrhein. Manfred Lachniet ist 61 Jahre jung, verheiratet und hat zwei Söhne. n Journalismus ist für ihn der schönste und interessanteste Beruf der Welt. Von Beginn an ist die NRZ dem Aufbau und dem Erhalt der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutsch- land verpflichtet. Das Foto aus unserem Archiv zeigt NRZ-Gründer Dietrich Oppenberg (3. v. l.) am Pressetisch während der ersten Wahlkampfkundgebung nach dem Krieg in der stark zerstörten Stadt Essen. Ganz links sitzt Jakob Funke, der erste Lokalchef der NRZ in Essen, der später zum Mitgründer der WAZ wurde. FOTO: NRZ Für diese Jubiläumsfestschrift verabredeten sich Herausgeber Heinrich Meyer, Volontärin Vera Denkhaus und Chefredakteur Manfred Lachniet zu einem Gespräch über die sich verändernde Medienlandschaft und die Aufgabe von Journalisten E s braucht schon einen ganz besonderenAntrieb und viel Energie, auf den Trümmern eines Weltkrieges eine Zeitung auf- zubauen. Dietrich Oppenberg hatte beides, als er vor 75 Jahren die NRZ gründete. NachderDiktaturmusste alles anders sein – das war seine Überzeugung. Darumnannte er sei- ne Zeitung „Neu“, und er wollte sei- nen Beitrag für ein neues, demokra- tisches Gemeinwesen leisten. Als er dann nach 20 Jahren stolz das neue NRZ Presse-Haus in Essen einwei- hen konnte, sprach er vom „Haus des freien Geistes“ und sagte: „Eine Zeitung ist keinMuseumsstück – sie ist ein Stück Zukunft, immer ein Teil vonmorgen.“ Heute fällt das Ju- biläum in eine Phase, in der Medien öffentlich lautstark kritisiert, ja so- gar angegriffen werden. Und nicht wenige sagen, die Zeitung sei ein Auslaufmodell. Wie viel freier Geist steckt in der NRZ? Ist sie reif fürs Museum, oder ist sie fit und jung ge- nug für die Zukunft? Darüber dis- kutieren Herausgeber Heinrich Meyer, Chefredakteur Manfred Lachniet und NRZ-Volontärin Vera Denkhaus miteinander. Manfred Lachniet: „Was würde Diet- richOppenbergwohl denken, wenn er heute erlebenwürde, dass beson- ders jüngere Menschen seine NRZ auf dem Smartphone lesen?“ Heinrich Meyer: „Ich bin sicher, dass er diesenKanal offensiv genutzt hät- te. Denn schon früh hat er sich als Verleger geschäftlich an Hardware- Unternehmen beteiligt. Natürlich war damals nicht anzunehmen, dass die Zeitung einmal ihre Papier- form verlieren würde. Aber be- stimmt hätte Oppenberg heute auf Technologie gesetzt, denn er war al- les andere als einTraditionalist, son- dern jemand, der stets die Zukunft im Blick hatte.“ Manfred Lachniet: „Frau Denkhaus, Sie lesen die NRZ wie selbstver- ständlich auf ihrem Handy. Wie würden Sie Ihrer Mutter, die die ge- druckte NRZ liest, die Vorteile des digitalen Lesens erklären?“ Vera Denkhaus: „Tatsächlich will ich mir bald ein Tablet anschaffen, denn auf so einem Gerät kann man die Artikel einfach besser lesen. Meine Mutter überlegt das eben- falls, aber bei ihr gehört das Lesen auf Papier zur Tradition. Mal sehen, vielleicht wird sie ja mal das E- Paper lesen. Ich selbst finde das Di- gitale nachhaltiger, weil dafür keine Papierproduktion nötig ist. Bücher lese ich übrigens auch gedruckt gern.“ Manfred Lachniet: „Wenn Sie im Freundeskreis erzählen, dass Sie Journalistin bei der NRZ sind – wel- che Reaktionen erleben Sie dann?“ Vera Denkhaus: „Meine Freundin- nen finden es gut, dass ich jetzt ein Volontariat bei der NRZ mache, denn sie habenmitbekommen, dass dies nicht leicht zu bekommen war. Manche Freunde fragen mich aber auch, welche Zukunftschancen der Beruf Journalistin heute noch bie- tet. Und diese Frage ist ja berechtigt. Doch wenn sie dann hören, welche spannenden Termine ich habe und mit welchen Themen ich mich be- schäftige, dann sehen sie, dass mir der Beruf großen Spaß macht. Dies ist mir so viel wichtiger als die Si- cherheit, ich möchte nichts ande- res.“ Heinrich Meyer: „Im Grundsatz gibt es heutzutage keinen Beruf mehr, von dem man sagen kann, dass er die nächsten 30 Jahre sicher ist. Das gibt es einfach nicht mehr. Für mich als Herausgeber ist entscheidend, dass der Beruf des Journalisten eine Tätigkeit ist, die eine tragende Rolle für unsere Demokratie darstellt. Ohne die Journalisten, die die Poli- tik kritisch betrachten, leidet die Demokratie oder sie nimmt Scha- den. Somit ist der Beruf des Journa- listen eng verbundenmit demweite- ren Bestand unserer freiheitlich-de- mokratischen Grundordnung und also eher eine Berufung als ein Be- ruf. Daraus folgt: Solange unsere Bevölkerung ein demokratisch verfasstes Gemein- wesen haben möchte, solange ha- ben Journalisten auch einen siche- ren Job. Der ehemalige Verfassungs- richter Ernst-Wolfgang Böckenför- de hat einmal gesagt: Der freiheit- lich säkularisierte Staat lebt von Vo- raussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das heißt: Die Bevölkerung muss den demokratischen Staat haben wollen, nur dann ist dieBasis für das Grundgesetz da. Damit das erhal- ten bleibt, brauchen wir Journalis- ten, gute Journalisten.“ Manfred Lachniet: „Wennmandie ge- druckte NRZ in der Hand hält, dann sieht man sofort, welche The- men der Redaktion wichtig sind: Manche Artikel sind größer, andere klein. Auf unseren digitalen Seiten ist das so nicht zu erkennen. Wie würden Sie dies als Online-Journa- listin lösen?“ Vera Denkhaus: „Schwierig. Spon- tan würde ich die Kommentarleiste auf der NRZ-Startseite nach oben rücken, damit die Position der Re- daktion zu bestimmten Themen klar zu erkennen ist. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir auf nrz.de erkennbar zeigen, was der Redak- tion in der Printausgabe besonders wichtig ist.“ Heinrich Meyer: „Im Netz bestim- men ja die Zugriffszahlen den Rang von Artikeln. Nicht das wirklich Wichtige steht oben, sondern das, was neu ist und ammeisten nachge- fragt wird. Algorithmen bestimmen, welche Artikel nach oben rutschen. Doch wenn die Algorithmen bei vielen Medien alles gleich machen, dann hat Anderes wieder eine Chance. Nämlich ein differenzier- tes Angebot, bei dem gute Journalis- ten eine Vorauswahl treffen. Dieser Gedanke erfüllt sich bereits beimE- Paper. Es klingt banal, aber ein E- Paper hat wie die Zeitung eine erste und eine letzte Seite. Wer sie durch- liest, hat das Gefühl, dass er umfas- send informiert ist. Das Internet hingegen ist unendlich. Diese schie- re Größe ist möglicherweise hilf- reich, wenn man in die Tiefe gehen will. Doch es ist für viele auch un- übersichtlich, es bietet keine Orien- tierung. Schließlich sind digitale Formate relativ leicht angreifbar durch Ha- cker oder Manipulatoren. Daher glaube ich, dass es auch weiterhin Offline-Angebote geben wird. Man wird sehen, in welcher Größenord- nung. Das Wichtigste ist, dass die Leser und Nutzer unter dem Titel NRZ wissen, dass sie hier ein seriö- ses und glaubwürdiges Angebot er- halten, auf das sie sich verlassen können. In einer Meinungsumfrage hat mal eine ältere Leserin gesagt, dass die NRZ ihr die Welt erkläre. Wenn gut ausgebildete Journalisten das schaffen, also einordnen und einen Überblick verschaffen, dann ist schon viel gewonnen. Wir müs- sen wissen, wie unsere Angebote von den Lesern und Usern gesehen werden.“ Manfred Lachniet: „Also meinen Sie, dass die verlegerische Idee vonDiet- rich Oppenberg am ehesten auf dem E-Paper zu übertragen ist und nicht so sehr im reinen Digitalange- bot?“ Heinrich Meyer: „Ich will das nicht gegeneinander stellen, entschei- dend ist die Glaubwürdigkeit. Es geht ja nur um unterschiedliche Aufnahmemöglichkeiten für die Nutzer. Wer lieber ein kuratiertes Werk möchte, der ist bei Print oder beim E-Paper besser aufgehoben. Wer lieber im Netz unterwegs ist, der klickt nrz.de an. Beides funktio- niert also, wenn die Glaubwürdig- keit als Prinzip besteht.“ Auf der rechtenSeite geht esweiter. Im Gebäude der Stiftung Presse-Haus NRZ diskutierten von links: NRZ-Volontärin Vera Denkhaus, Chefredakteur Manfred Lachniet und NRZ-Herausgeber Heinrich Meyer. FOTO: LARS HEIDRICH / FFS „Man sieht sofort, welche Themen der Redaktion wichtig sind.“ Manfred Lachniet, Chefredakteur „Eine tragende Rolle für die Demokratie“ MIT PROFIL FÜR DIE REGION NBX__NRWTZ_4_1652

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