75 Jahre NRZ

Erfunden in Frankreich n Die Brailleschrift wird interna- tional von Blinden und stark Sehbehinderten benutzt. Sie wurde 1825 von dem Franzosen Louis Braille entwickelt. Im Alter von drei Jahren verletzte sich Braille am Auge. n Das verletzte Auge entzünde- te sich und das zweite, bis da- hin unversehrte Auge, erkrank- te ebenfalls. Das führte zur völ- ligen Erblindung des fünfjähri- gen Louis. Da sich der wissbe- gierige Junge aber nicht damit abfinden wollte, Literatur nur durch Vorlesen erleben zu kön- nen, dachte er über eine Schrift für Blinde nach. NBX__NRWTZ_40_1652 Ein Roman in Brailleschrift: Blinde ertas- ten die Punkte mit den Fingerspitzen. FOTO: HENDRIK SCHMIDT / DPA Bei der Blindenschrift ist Fingerspitzengefühl gefragt Die Brailleschrift ermöglicht blinden Menschen das Lesen. Die Viersenerin Trixi Droßard erklärt, wie das geht und welche Hilfsmittel es sonst noch gibt „Im Unterricht übt man anfangs sehr intensiv das Tasten, um die Finger für das spätere Lesen der Brailleschrift zu sensibilisieren.“ Trixi Droßard über das Lernen der Blindenschrift WIR FEIERN DAS LESEN Von Vera Denkhaus Viersen. Die meisten Leserinnen und Leser dieser Zeitung sehen die Nachrichten schwarz auf weiß. Buchstaben, die sich zu Wörtern und Sätzen zusammenfügen. Wenn Trixi Droßard liest, dann erfühlt sie Buchstaben, Worte und Zahlen oder lässt sich die Neuigkeiten und Geschichten vorlesen. Schon von Geburt an litt die Viersenerin an grauem Star, wurde als Baby ope- riert. Später kam grüner Star dazu, ihre Sehkraft ließ peu à peu nach, bis sie mit 14 dann erblindete. Gro- ße Unterstützung bekam sie von ihrer Familie. „Meine Mutter ist auch blind, deswegen bin ich selbst nicht in ein tiefes Loch gefallen“, er- klärt die heute 37-Jährige. In der ersten und zweiten Klasse lernte sie noch mit ihren sehenden Mitschülerinnen und Mitschülern lesen. „In der dritten und vierten Klasse saß ich dann schon ganz vor- ne vor der Tafel, umetwas erkennen zu können“, erzählt Droßard. Der Prozess gab ihr die Möglichkeit, sich auf die Erblindung vorzuberei- ten. „Ich habe schon mit neun Jah- ren die Brailleschrift gelernt. Meine Mutter kauftemir eine Fibel, mit der ich selbst üben konnte.“ Um als blinder Mensch lesen zu können, mussman sich auf sein Fin- gerspitzengefühl verlassen. Das Grundgerüst der Brailleschrift be- steht aus sechs möglichen Punkten, in drei Zweierreihen angeordnet. Die Schriftzeichen sind aus kleinen, erhabenen Punkten zusammenge- setzt, die von der Rückseite aus in das Papier gedrückt werden und so von Lesenden erfühlt werden kön- nen. Durch die Kombinationsmög- lichkeiten lassen sich alle kleinen Buchstaben des lateinischenAlpha- bets samt Umlauten und Satzzei- chen darstellen. Großbuchstaben und Zahlen werden durch ein extra „Großschreibzeichen“ bzw. „Zah- lenzeichen“ davor als solche ge- kennzeichnet. „Im Unterricht übt man anfangs sehr intensiv das Tasten, umdie Fin- ger für das spätere Lesen der Braille- schrift zu sensibilisieren“, erklärt Droßard, die als Lehrerin an der LVR-Johanniterschule Duisburg Förderschwerpunkt Sehen unter- richtet. Viele der Kinder und Jugendli- chen sind blind oder sehbehindert auf die Welt gekommen, „Die meis- ten können besser sehen als ich“, meint Droßard. „Manche auch bes- ser lesen“, ergänzt sie lachend. Auch bei den Schülerinnen und Schülern gibt es Lesebegeisterte und Lesemuffel. „Manche lesen super gerne und andere vertau- schen noch in der achten Klasse E und I“, zwei Buchstaben, die sich in den Braillepunkten spiegeln. Digitale Inhalte übersetzen Doch Papier ist nicht alles. Schon seit einigen Jahrzehnten gibt es Screenreader, Bildschirmlesepro- gramme, die auf einem Computer nen Icons lesen oder mir ansagen lassen“, erklärt Droßard. Doch wie inklusiv ist der deut- sche Alltag sonst? „Ich liebe Erleb- nispfade im Wald, wo die Informa- tion auch in Brailleschrift wiederge- gebenwerden. InMuseen gibt es im- mer öfter Audioguides.“ Ansonsten könnte die Brailleschrift jedoch noch besser integriert werden: „An Bahnhöfen sollten zumBeispiel die Gleise beschriftet werden. Aber im- merhin gibt es in den neuen ICEs eine tastbare Beschriftung der Sit- ze“, erklärt Trixi Droßard und hat einen Appell an ihre Mitreisenden. „Die Punkte bitte nicht aus Lange- weile abknibbeln!“ Privat mag Droßard am liebsten Fantasyromane. „Ich lese sehr ger- ne, aber noch lieber höre ichHörbü- cher“, gibt Droßard zu. „Die Punkt- schrift strengt mich an, nach zehn Seiten bekomme ich Kopfschmer- zen.“Abhilfe schafft da seit 1955 die Westdeutsche Blindenhörbücherei inMünster. Hier lesen professionel- le Sprecherinnen und Sprecher Bü- cher für blinde, seh- und lesebehin- derteMenschen ein und schaffen so Zugang zu Büchern abseits der gän- gigen Hörbuchproduktionen. „Frü- her wurden Kassetten und CDs zu- geschickt, heute genügt ein Down- load“, erklärt Trixi Droßard. Eine Besonderheit: Auch Zeitun- gen und Zeitschriften werden hier als Vorlese-Abo zu Verfügung ge- stellt. oder einem Handy laufen und den Alltag erleichtern. Der Screenrea- der ersetzt für den blinden oder seh- behinderten Menschen die Augen und liest den Bildschirminhalt. Die Vermittlung der Informationen auf dem Bildschirm können dabei auf zwei verschiedene Arten gesche- hen, akustisch, also vorgelesen, oder über die Brailleschrift. „Gehe ich mit der Tastatur über den Desk- top, kann ich die Namen der einzel- Trixi Droßard ist Lehrerin an einer Förderschule. FOTO: PRIVAT Z um Geburtstag gibt’s Ge- schenke! Und weil Ihre und unsere Zeitung über- nächsteWocheDienstag 75 Jahre alt wird, wollen wir 75 Leserin- nen und Lesern ein tolles Ge- schenk machen: die Bibliothek der NRZ-Kolumnisten. Und ein Buch mit Karikaturen von Tho- mas Plaßmann ist ebenfalls da- bei: „Mitten im Leben“ „Geschenkt“ von Maike Mai- baum , die „Bankgeheimnisse“ von Matthias Maruhn , „Kraut und Rüben“ von unserem „Gärtner“ Jens Dirksen und die „Kolumbus & Co“-Geschichten von dem un- vergessenen, viel zu früh gestor- benen Kollegen Jörg Bartel – wir wissen, dass die Kolumnen in unserer Leserschaft eine große Fangemeinde haben. Darum ha- benwir die bestenBeiträge ausge- sucht und zwischen Buchdeckel gepackt. Zum Wieder- und zum Neu-Entdecken. Und noch zwei weitere Bücher stecken in dem Schuber: eine Sammlung mit Zeichnungen unseres Karikatu- risten Thomas Plaßmann und ein Band mit den besten „Extra Drei“-Glossen von der Seite Drei, geschrieben von Cornelia Färber , Denise Ludwig , Jacqueline Siep- mann , Michael Minholz , Stephan Hermsen , Peter Toussaint und Ar- tur vom Stein . Man kann die Bücher einzeln kaufen (9,95 Euro/ zuzüglich Versand) oder den kompletten Schuber bestellen (49,95 Euro/ NRZ-Abonnenten zahlen dafür keine Versandkosten). Die Bü- cher gibt es natürlich in den bei- den Leser-Läden der NRZ in Es- sen und in Moers. Unter www.nrz.de/shop kann man sie auch online bestellen. Und im Buchhandel können die Bücher ebenfalls erworben werden. Aber zu unserem Geburtstag verschenken wir 75 Buchpakete. Wenn Sie eines davon gewinnen möchten, schicken Sie uns bitte bis zum 13. Juli eine Mail an seite- drei@nrz.de , Betreff: „Mitten im Leben“. Sie können auch gerne einen Brief oder eine Postkarte schicken an die NRZ, Chefredak- tion, Stichwort „Mitten im Leben“, Jakob-Funke-Platz 1, 45127 Essen . Unter allen Einsendungen lo- sen wir dann die Gewinner aus und verschicken die Pakete in den kommenden Wochen. Wir wünschen Ihnen jetzt schon viel Freude beim Schmökern! Im Jubiläumsjahr der NRZ erzählen die Kolleginnen und Kollegen aus den Redaktionen von ihren ganz besonderen Lese-Erlebnissen. „Ich lese gern“ Buchgeschichten aus der Redaktion 75 JAHRE Kleine Tiere, großer Einfluss Lena Lengner (26), Mediengestalterin: „Mein Lieblings- buch? Die Frage konnte ich ver- mutlich zuletzt als Kind beantworten. Fitzeks Psychothriller fesseln mich am meisten, in Urlauben lese ich Liebesromane, und Autobiografien inspirieren mich in vielen Fällen. Und ein guter Krimi? Der geht sowieso immer. Doch je mehr ich über die Frage nach dem Lieblingsbuch nachdenke, desto stärker drängt sich ein bestimmter Titel in meine Gedanken. Seit ich mich in meiner Ba- chelorarbeit intensiver mit dem vermeintlich unlösbaren Prob- lem der globalen Erderwärmung auseinandergesetzt habe, be- schäftige ich mich täglich mit diesem Thema und gebe mein Bestes, um umweltfreundlicher und nachhaltiger zu leben. Jedoch verdirbt Fachliteratur über Umweltschutz oder den Klimawandel mir meistens die Laune und bereitet mir eine Art Weltschmerz. Absolut begeistert bin ich hingegen von einem Roman, der nicht ständig mit dem Fin- ger auf jeden Einzelnen zeigt, sondern auf eine spannende Weise über die Themen Natur- zerstörung, Artensterben und Umweltkatastrophe erzählt. Die norwegische Schriftstellerin Maja Lunde hat dies im ersten Teil ihrer Trilogie wunderbar ge- meistert. Und das ist dann die Antwort auf die Frage nach mei- nem Lieblingsbuch: Es ist ‘Die Geschichte der Bienen’.“ Gewinnen Sie eine von 75 Bücherboxen Die beliebtesten Kolumnen aus der Zeitung gibt es jetzt in sechs Büchern in der Box – mit Karikaturen von Thomas Plaßmann Die Kolumnisten und Kolumnistinnen sind bei unserer Leser- schaft besonders beliebt. FOTOS: ISTOCK, NRZ, MONTAGE: LENGNER

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