75 Jahre NRZ
Codex Hammurapi ist eine Sammlung n Als Codex Hammurapi be- zeichnet man eine babylonische Sammlung von Rechtssprüchen aus dem 18. Jahrhundert v. Chr. Sie gilt zugleich als eines der wichtigsten und bekanntesten literarischen Werke des antiken Mesopotamiens und als bedeu- tende Quelle keilschriftlich überlieferter Rechtsordnungen. Der Text geht zurück auf den Kö- nig Hammurapi. n Die Sammlung ist auf einer nahezu komplett erhaltenen 2,25 Meter hohen Stele, auf mehreren anderen Stelen sowie in über 30 Tontafelabschriften überliefert. Die Stele ist heute im Museum Louvre in Paris aus- gestellt, da sie von französi- schen Archäologen gefunden wurde. n Aufgrund dieser guten Quel- lenlage ist der Text heute voll- ständig bekannt. Der Codex Hammurapi gilt als einer der äl- testen Gesetzestexte der Welt . Von Nina Meise Essen. Elias sitzt mit Noah an einem Tisch im Don Bosco Club in Essen- Borbeck. Sie sind gerade dabei, Noahs Deutschhausaufgaben ge- meinsam zu erledigen. „Der Text muss gelesen und danach müssen darin die Satzglieder unterstrichen und benannt werden“, erklärt der 21-jährige Elias Brechmann. Er ist einer von insgesamt sieben Studen- ten, die den Kindern und Jugendli- chen, die das Jugendzentrum im Don Bosco Club besuchen, ehren- amtlich bei den Hausaufgaben hel- fen. „Wir versuchen das komplette Spektrum der Fächer abzudecken, von der Grundschule bis zur achten Klasse. Meine Kernkompetenz liegt aber bei Deutsch“, sagt der 21-Jähri- und bewegt, dass es direkt neben unserem Gymnasium Kinder und Jugendliche gibt, die nicht die Privi- legien genießen, die wir vom Gym- nasium haben. Ich möchte gerne mit dieser ehrenamtlichen Arbeit dazu beitragen, Bildungsungleich- heiten auszugleichen und die Chan- cen der Kinder erhöhen, später ein- mal einen guten Job zu bekom- men“, erklärt Elias. Mittlerweile führen die Studenten wegen Coro- na Einzelstunden durch. „Diese Arbeit ist mir zu wichtig, um sie komplett ruhen zu lassen“, sagt er. Zudem haben die Studenten eine Videoreihe zu den einzelnen Schul- fächern gestartet, die für die Kinder über den Youtube-Kanal des Don Bosco Clubs abrufbar ist. Gerade die Freude am Lesen, unabhängig von der Grammatik, ist Elias wich- tig. Deswegen sitzt er auchnachden Hausaufgaben noch mit Noah zu- sammen bei „Die drei...???“. „Le- sen fördert die Vorstellungskraft und Empathie und nur durchs Le- sen kann man der Sprache wirklich mächtig werden und lernen, wie man mit Wörtern und Ausdrücken spielen kann“, sagt Elias. Ist auch selbst eine Leseratte: Elias Brechmann betreut Kinder bei den Hausaufgaben. FOTO: FABIAN STRAUCH Im Jubiläumsjahr der NRZ erzählen die Kolleginnen und Kollegen aus den Redaktionen von ihren ganz besonderen Lese-Erlebnissen. „Ich lese gern“ Buchgeschichten aus der Redaktion 75 JAHRE Ermittler müssen klug sein Astrid Hoyer-Hol- derberg (61), Re- dakteurin in Kleve: „Es ist nicht leicht, meinen Krimige- schmack zu tref- fen. Ein Kommis- sar, der übelgelaunt an sich selbst verzweifelt, ist raus. Eine Autorin, die sich im intimen Pri- vatleben ihrer Protagonistin ver- läuft, ist raus. Autoren, die ihren Figuren durch Intrigen Seelenleid zufügen, sind raus. Ich brauche den Thriller, bei dem ich gefordert bin. Ich will dem klugen Serien- mörder, dem feinsinnigen Psy- chopaten auf die Spur kommen. Ich will intelligente Ermittler. Und ich brauche gute Sprache respek- tive anspruchsvolle Überset- zer*innen. Mir machen auch dras- tische Details nichts aus, sofern sie korrekt recherchiert sind. So lässt der von mir geschätzte eng- lische Journalist und Krimiautor Simon Beckett einen Forensiker mit wissenschaftlicher Kenntnis der Pathologie die Mörder über- führen. Der australische Autor Mi- chael Robotham zeichnet clevere Plots für sein Duo Psychiater- Kommissar (übrigens andere Cha- raktere als in den Verfilmungen). Beim nächsten Buch will ich das Genre etwas erweitern und ver- traue der Jury des Deutschen Kri- mipreises: In „Paradise City“ denkt Zoë Beck die Welt der Zu- kunft mit gesellschaftlichen und Umweltproblemen weiter. Ihre Botschaft: Kritisches Denken und freier Journalismus sind wichtig. Ich bin gespannt.“ Das Lesen an sich Daniel Cnotka (45), Blattmacher am NRZ-Regiodesk: „Es war eine gan- ze Tasche voller ausrangierter Bü- cher, die mir mei- ne Mutter fast schon aufgedrängt hatte. Allerlei Krimis waren im Beutel, Henning Mankell, Martha Grimes und ein Isländer namens Arnaldur Indridason. Die Tasche schwer, die literarische Kost eher leicht. Der Lockdown sorgte aber dafür, dass ich das Dutzend Bü- cher binnen sehr weniger Wo- chen verschlungen hatte. Die Handlung war dabei klassische Krimihandlung, einer oder meh- rere Morde, das Ende eher über- laden und etwas merkwürdig. Da- rum geht es aber nicht. Spannen- der waren die Reisen nach Is- land, New Mexico oder Südeng- land. Dahin entführten mich nämlich die Autoren, heraus aus dem tristen Corona-Winter. Fazit: Es müssen nicht immer ,Die Brü- der Karamsow’ oder Werke vom großartigen Thomas Mann sein. Um die Phantasie anzuregen reicht das Lesen an sich, ohne dabei das Schaffen der überaus erfolgreichen Krimiautoren schmälern zu wollen. Im Gegen- teil, ihre schönen Beschreibun- gen sorgen dafür, dass ich mich fühlte wie in Santa Fe oder Exe- ter. Demnächst geht’s nach Vene- dig und in die Eifel, Donna Leon und Jacques Berndorf warten...“ NBX__NRWTZ_46_1652 Notensammlung. „Die nimmt in unserer Hauptwohnung auch noch einmal gut 15 Quadratmeter ein“, schätzt er. Das älteste Werk, das er besitzt, sei der Codex Hammurapi, einer der ältesten Gesetzestexte der Welt. Viele seiner Werke habe er in Antiquariaten entdeckt oder auf Büchertrödelmärkten erstanden. Dort habe er beispielsweise auch eine kritische Version der hebräi- schen Bibel erworben. „Eine Men- ge“ habe er aber auch geerbt und so- gar schonmal im Altpapier wertvol- le Bücher gefunden. „Menschen schmeißen Bücher weg, weil sie denken, dass alles sowieso digital und online viel schneller verfügbar ist“, ärgert sich der Bücherliebha- ber. Die Wertschätzung gedruckter, li- terarischer Werke gehe durch die Digitalisierung verlo- ren. Diese helfe ihm jedoch, seine Werke zu erfassen. In den vergange- nen Jahren hat der studierte Infor- matiker ein eigenes Computersys- tem entwickelt, das, wie in einer Bibliothek, alle seine 22.000 Titel erfasst. Welt durch Bücher besser verstehen Den Grund, warum er mit dem Bü- chersammeln angefangen hat, er- klärt Detmold wie folgt: „Ich möch- te das europäischeGedankengut er- fassen und erhalten, und ich möch- te dieWelt und ihre derzeitige Situa- tion verstehen. Das kann ich aber nur in ihrer Vollkommenheit, wenn ich auch weiß, was vorher war, wie sie so geworden ist, wie sie nun ist.“ Er wolle alles „ganz genau wis- sen“ und nicht einer derjenigen sein, die „nicht mehr lesen, sondern nur noch Phra- sen zitieren, die sie aufgeschnappt haben“, die aber vollkommen aus ihrem Zusammenhang gerissen wurden. Um all diese Zusammen- hänge auf der Welt zu verstehen, scheut sich Detmold auch nicht da- vor, Bücher in anderen Sprachen, wie Französisch, Englisch, Grie- chisch oder Latein, zu studieren. Um diese Sprachen, die er alle ver- stehen kann, nicht zu verlernen, liest er an jedem Wochentag ein Werk einer anderen Sprache – ge- nug Auswahl habe er ja. Was ihm für seine Sammlung noch fehlt, sei die Vervollständi- gung des internationalen Kommen- tars zumalten Testament. „Ich habe sieben Bände, es gibt aber insge- samt 50. Diese Sammlung will ich natürlich noch vervollständigen“, sagt Detmold. Eine eigene Wohnung für 22.000 Bücher Jörg Detmold ist ein Bücher-Narr – und hat für seine gesammelten Werke extra eine zusätzliche Wohnung angemietet. Ein Besuch in seiner Privat-Bibliothek in Duisburg, die einige Schätze beherbergt Von Nina Meise Duisburg. Es riecht holzig und le- dern, nach Papier und Tinte und überall, wo man hinsieht, ragen aus den Regalen bunte oder einfarbige Bücherrücken hervor. In der klei- nen Diele, im Arbeitszimmer, sogar im Bad sind sie bis unter die Decke gestapelt: große und kleine, dicke und dünne sowie neue und ganz alte Bü- cher. Ein besonde- rer Hingucker ist der kleinsteRaum der 60 Quadrat- meter Wohnung. Er ist gestaltet wie ein richtiges, klei- nes Bibliothekszim- mer, mit einem eigens für diesen Raum ange- passten Bücherregal. „Insgesamt besitze ich 22.000 Ti- tel“, sagt Jörg Detmold, Gymnasial- lehrer, der amKonrad-Duden-Gym- nasium in Wesel Deutsch, Grie- chisch, Philosophie und Geschich- te unterrichtet. Seit seiner eigenen Schulzeit sammelt Detmold bereits bewusst Bücher und hat vor ein paar Jahren eine eigene Wohnung in Duisburg, nur für seine gesam- meltenWerke, angemietet. „Irgend- wann haben sie alle einfach nicht mehr in die Wohnung von meiner Frau und mir gepasst“, erzählt er la- chend. All das, was er besitzt und sammelt, seienWerke, die „für mich eine Idealbibliothek haben muss“. Detmold besitzt „vor allem philo- sophischeWerke von der Antike bis heute, aus Spezialgebieten vor al- lem Mittelalter, Deutscher Idealis- mus und 20. Jahrhundert“. Aber auch Grammatiken und Literatur allermöglichenSprachenundFoto- grafiesammlungen sowie Zeitschrif- ten, wie „Saeculum. Zeistschrift für Universalgeschichte“, „Deutsche Zeitschrift für Philosophie“, „Zeit- schrift für Ideengeschichte“ gehö- ren zu seinem Fundus. Vieles findet er in Antiquariaten Ergänzt wird seine kleine Biblio- thek zudem noch von einer großen Mehr als genug Möglichkeiten zum Schmökern: Jörg Detmold liest jeden Tag in einer anderen Sprache. FOTO: KAI KITSCHENBERG / FFS WIR FEIERN DAS LESEN „Irgendwann haben sie alle ein- fach nicht mehr in die Wohnung von meiner Frau und mir gepasst.“ Jörg Detmold hatte Platzmangel Elias hilft Kindern bei den Hausaufgaben ge, der Germanistik und Sozialwis- senschaften auf Lehramt studiert. Er selbst hat das Don-Bosco- Gymnasium besucht und schon während der Schulzeit angefangen, in dem angeschlossenen Jugend- zentrum zu helfen. „Hier kommen viele Kinder mit Migrationshinter- grund hin. Mich hat es beschäftigt Elias Brechmann hilft Noah im Don Bosco Club. FOTO: FABIAN STRAUCH Der Essener Elias Brechmann übt mit Kindern und Jugendlichen im Don Bosco Club das Lesen lernen
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