75 Jahre NRZ
und Boden zu verdammen“, wirbt die 55-Jährige für einen freundli- chen Umgang miteinander. „Jeder macht doch Fehler.“ Sie ahnt, dass manche sie dann für naiv halten, wenn sie sowas schreibt. Aber sie ist fest davon überzeugt, dass unserer Freiheit und unserer Demokratie nur dann zu erhalten sind, wenn man miteinander redet und bereit ist, Kompromisse zu finden. Direkt nach der Hochzeit haben dieHartmanns damals eineZeitung abonniert. Erst haben sie es mit der NBX__NRWTZ_47_1652 | Samstag, 03. Juli 2021 Anzeige Von Peter Toussaint Duisburg-Fahrn. Simone Hartmann ist einer von mehr als 300.000 Men- schen, die jeden Tag die Nachrich- ten in der NRZ lesen: in der ge- druckten Zeitung, im E-Paper oder per Klick bei nrz.de . Aber anders als die meisten steht die Duisburgerin oft selbst mit Namen in der NRZ, und darumkennen sie nicht nur alle Journalisten in den Redaktionen, sondern auch viele Abonnenten. Denn seit sieben Jahren schreibt Si- mone Hartmann jede Woche einen Leserbrief, manchmal sogar zwei. Es ist also höchste Zeit, sich mal persönlich kennenzulernen. „Kommen Sie rein, Herr Tous- saint!“ Simone Hartmann trägt das blonde Haar offen, hat ein luftiges Sommerkleid an, denn es ist heiß an diesem Tag. Sie lächelt freundlich, bedankt sich für die mitgebrachten Blumen und führt den Besucher ins helleWohnzimmer des Eigenheims, in dem drei Generationen zusam- menleben. Es gibt Erdbeeren und frisch geschnittene Melone. Will- kommen bei den Hartmanns! Viel Zeit fürs Ehrenamt Die 55-Jährige hat mal im Super- markt eine Lehre gemacht, hat ge- heiratet und zwei Kinder bekom- men. „Ichbin inderMutterrolle auf- gegangen“, sagt sie. Nun, wo die Kinder erwachsenen sind, bleibt Zeit für denGarten, für Spaziergän- gemit Hündin Lotte amRhein, aber auch für Engagement in der Flücht- „Man kann etwas bewirken!“ Seite 46 und 47 „Ich lese gern“ 75 JAHRE Ein prägendes Drama aus der Schulzeit Gerard Dombrowski (51), Sportredak- teur in Dinslaken: Es wäre gelogen zu behaupten, dass meine Schulzeit ein einziges Drama war. Aber die- ses Drama hat doch einen Teil meiner Schulzeit und mich selbst geprägt: „Andorra“ stand im Oberstufen-Literaturkurs auf dem Plan, inklusive öffentlicher Auf- führung in der Schul-Aula. Jenes Theaterstück, in dem Max Frisch Vorurteile und Antisemitismus im Volk anprangert. Ich spielte den dicken Tischler, der seine rassis- tischen Vorbehalte gegen den angeblich jüdischen Gesellen Andri nicht verhehlt. Eine Schlüs- selszene ist mir in Erinnerung ge- blieben. Ich stehe auf der Bühne, mangels Masse mit einem Kissen unter dem Pullover, und klage Andri an, der gerade einen Stuhl als Lehrlingsprobe fertiggestellt hat: „Hundert Kilo, Gott sei’s ge- klagt, hundert Kilo hab ich am Leib, aber was ein rechter Stuhl ist, das ächzt nicht, wenn ein rechter Mann sich draufsetzt, und das wackelt nicht.“ Und heute? Brauche ich kein Kissen unterm Pulli mehr, die hundert Kilo bekomme ich inzwi- schen locker auf die Waage. Aber das Drama bleibt weiter aktuell, Vorurteile und Antisemitismus gibt es immer noch. In „Andorra“ wie hierzulande. lingshilfe. Sie half Kindern aus Zu- wandererfamilien dabei, Anschluss in der Schule zu bekommen. Aber morgens ist erstmal die Zei- tung dran: die auf Papier gedruckte Ausgabe. Das ebenfalls abonnierte E-Paper liest ihr Mann Georg vor der Arbeit oder in der Pause. „Ich lese von vorne nach hin- ten“, erklärt sie. Nichts wird ausgelassen, auch der Ta- gesspruch und die Kinder- seite nicht. Die Karikatur von Thomas Plaßmann ist ein Muss, die Warm- herzigkeit von Matthias Maruhn liebt sie, und bei den Klartexten von Jan Jessen schätzt sie be- sonders, dass er Tacheles redet, ohne dabei verlet- zend zu sein. Und der Hu- mor in der Zeitung ist ihr wichtig: die Kolumnen von Jacqueline Siepmann und Maike Maibaum. Und immer dann, wenn Simo- ne Hartmann beim Lesen der Zei- tung den Eindruck hat, dass Men- schen respektlos miteinander um- gehen oder bei ihrer Kritik beleidi- gend werden, holt sie ihren Tablet- Computer raus und schreibt einen Leserbrief an klartext@nrz.de und gerne auch an die Redakteure di- rekt. Meistens tippt sie dann noch sofort am Küchentisch, bei gutem Wetter auch im liebevoll gestalteten Garten. „Ich habe doch nicht das Recht, andere zu verurteilen und in Grund „Westdeutschen Allgemei- nen“ versucht. „Die hat uns nicht so gut gefallen“, sagt sie – und darum kommt seit 30 Jahren die NRZ je- den Morgen ins Haus. Vor sieben Jahren hat sie dann den ersten Leser- brief geschickt. Zu wel- chemThema – das kann sie gar nicht mehr so ge- nau sagen. „Wenn mich etwas traurig oder wü- tend macht – dann schrei- be ich an die Redaktion“, erklärt sie. Und die Redaktion kürzt Dabei hat sie beobachtet, dass von der Redaktion oft die emotio- nalen Passagen rausgekürzt wer- den. „Das liegt vermutlich daran, dass die Redakteure so sachlich sind und mit meiner Emotionalität nichts anfangen können.“ Aber wenn ein Leserbrief von ihr dann abgedruckt wird, dann freut sich Simone Hartmann, macht mit ihrem Smartphone eine Foto davon und schickt es an Freundinnen und Freunde. „Ich bin überzeugt, dass man auch als Leserin mit seiner Meinung etwas bewirken kann.“ Simone Hartmann sitzt in ihrem Garten. Manchmal schreibt sie auch hier ihre Leserbriefe. FOTO: LARS HEIDRICH / FFS Zu Besuch in Duisburg bei Simone Hartmann, der treuesten Leserbriefschreiberin der NRZ. Wenn sie beim Lesen etwas entdeckt, was sie wütend oder traurig macht, tippt sie sofort eine Mail und schickt sie an die Redaktion Erhältlich Online unter: nrz.de/shop *zzgl. Versandkosten SAXA Jubiläen in Wort und Bild • Edition, Reproduktion in handwerklich hoher Qualität • Fine Art auf Invercote Creato, datiert und signiert • 32/32 cm gerahmt in Echtholzleiste hinter Passepartout und Glas Blattmaß 20/20 cm, Motiv 15/15 cm Motive • Joseph Beuys (100 Jahre) – Bergpredigt, Mt 5-7 Lutherbibel • Sophie Scholl (100 Jahre) – De Trinitate, Augustinus von Hippo • Bob Dylan (80 Jahre) – 25 words about Woody Guthrie (Textcollage by SAXA) • Udo Lindenberg (75 Jahre) – Auszug aus Hesses ’Steppenwolf’ ICH LIEBE WORTE. Worte sind für mich wichtige Werkzeuge zur künstlerischen Auseinandersetzung mit Menschen und deren Geschichten. Lesen und Schreiben, Hören und Sprechen dienen dem Dialog. So können wir uns erreichen. Und genauso versuche auch ich zu erreichen, dass meine Portraits nicht einfach Personen abbilden, sondern Persönlichkeiten verbildlichen. Seit meiner Jugend schreibe ich im Land der Dichter und Denker an Gedichten und Ge- danken. Doch ist es nicht einfach, sich Gehör zu verschaffen und Beachtung zu finden. So suche ich stets nach neuen Mitteln und Wegen, Formen und Ausdrucksmöglich- keiten. Warum? Um meine eigene Begeisterung zu zeigen – für unsere wundervolle Sprache, für Geschichten, für Kommunikation und Dialoge und nicht zuletzt für unsere Handschrift. Sie ist für mich so einzigartig und aussagekräftig wie jeder einzelne von uns … SAXA Dr. Sascha A. Lehmann Ein Angebot Ihrer je 180€
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