75 Jahre NRZ

Vera Denkhaus: „Wie schafft man denn Glaubwürdigkeit?“ Heinrich Meyer: „Wir haben den NRZ-Kompass erarbeitet, der ver- pflichtend für die Arbeit der Redak- tion ist. Zudem sagt der Kompass, dass die NRZ eine politische Zei- tung ist. Natürlich gibt es auch eine Nachfrage zu eher unterhaltenden Themen, wir bieten dazu eine große Bandbreite. Doch den Schwer- punkt setzen wir im Politischen, weil das die Begründung der NRZ ist. DietrichOppenberg hat sie nach seinen Erfahrungen aus dem Drit- ten Reich und als Verfolgter des Na- ziregimes gegründet, er wollte am Aufbau eines demokratischen Nachkriegsdeutschland mitwirken. Auf dieser Basis hat sich die NRZ entwickelt und wird es weiter tun, auch im Online-Bereich. Und das alles bedeutet auch, dass ich als He- rausgeber die Redaktion vor Angrif- fen jeglicher Art schützen muss, da- mit sie unabhängig bleiben kann.“ Manfred Lachniet: „In unseren tägli- chen Redaktionskonferenzen den- ke ich manchmal, dass ein Redak- teur ein Thema vorschlägt, weil es aus seinem direkten Lebensumfeld stammt. Da die meisten Journalis- ten aus dem sogenannten Bürger- tum stammen, bekommen sie mit- unter gar nicht richtig mit, was sich in anderen gesellschaftlichen Schichten abspielt. Muss man da- her bei der Einstellung von Journa- listen nicht darauf achten, dass möglichst alle sozialen Gruppen vorhanden sind?“ Vera Denkhaus: „Bestimmt, und das ist gerade eine große Diskussion in der Medienlandschaft. Tatsächlich sind unsere Redaktionen nicht di- vers, sondern eher gleichförmig. Das hat verschiedene Gründe. Wenn ich daran denke, wie viele un- bezahlte Praktika ich leisten muss- te, um dann wieder ein besseres un- bezahltes Praktikum zu bekom- men, umdann einVolontariat zu be- kommen. Das muss man sich erst einmal leisten können, aus unteren Schichten gelingt das nicht. Um mehr Diversität in Redaktionen zu erreichen, muss man meiner Mei- nung nach offensivwerben und sich klar positionieren. Man muss Eingangshürden redu- zieren und an verschiedene Schu- len, und nicht nur an die guten, ge- hen und den Job erklären und die Attraktivität des Berufs und der Zei- tung an sich deutlich zu machen. Letztlich müssen wir generell die Menschen mit Migrationsgeschich- te besser abbilden. Wenn rund 30 Prozent der Bevölkerung in NRW einen Migrationshintergrund ha- ben, dann wird das so nicht darge- stellt. Genauso sieht es bei den Ge- schlechtern aus: Noch immer zei- gen die meisten Fotos Männer, vor allem im Sport. Hier einen Perspek- tivwechsel zu schaffen, ist die Auf- gabe einer modernen Redaktion.“ Heinrich Meyer: „Das ist ein Thema, mit dem wir uns mehr beschäftigen müssen. Wir werden als Medium der Mehrheitsgesellschaft wahrge- nommen, aber wir brauchen dazu den. Dazu gehört, dass man in der Lage ist, fake news von anderen zu unterscheiden. Ichweiß, dass es das zwar in Lehrplänen gibt, aber es wird nicht so durchgesetzt. Klar ist außerdem, dass Schulen für alles herhalten müssen, was in der Gesellschaft nicht richtig funk- tioniert. Aber der Grundgedanke, dass die Journalisten in unserem Demokratiemodell eine Rolle ha- ben – das muss immer wieder er- klärt werden. Damit nicht manch einer denkt, dass die Themen der Redaktionskonferenz morgens aus dem Kanzleramt kommen. Es geht um das Rollenverständnis im gesellschaftlichen Gefüge. Man muss ebenwissen, dass nicht dieRe- gierung die Gesetze macht, man muss wissen, dass es eineGewalten- teilung gibt und viele politische Er- gebnisse aus Gegensätzen entste- hen. Das alles zu wissen ist Basis- arbeit, die in mehreren Schulfä- chern vermittelt werden muss.“ Manfred Lachniet: „Manchmal sa- gen uns Leser, dass wir doch bitte- schön objektiv oder neutral berich- ten sollten. Ich persönlich finde, dass das kaum möglich ist..?“ Heinrich Meyer: „Objektiv berichten kann man nicht. Denn jeder Mensch wird sozialisiert, er macht Erfahrungen, die seine Sicht auf die Welt begründen. Diese Erfahrun- genwird er immermit ins Spiel brin- gen. Deshalb gibt es für mich keine objektive Wahrheit und keine abso- luten Werte. Man kann sich ihnen immer nur annähern.Wir berichten daher wahrhaftig, aber wir sagen nicht: ‘Wir sagen dieWahrheit’. Das ist ein Unterschied. Das gilt auch für die Haltung, die in der öffentlichen Diskussion um den Journalismus oft eine Rolle spielt. Tatsächlich gibt es immer einen gewissen Standpunkt, ob man will oder nicht, jeder hat so einen. Wir bei der NRZ machen geeignete Möglichkeiten, um den Zugang zu erleichtern. Da müssen wir uns was überlegen und Versu- che starten.“ Manfred Lachniet: „Abitur und Stu- diumwaren früher verpflichtend für ein Volontariat bei uns. Jetzt nicht mehr unbedingt. Ist das der richtige Weg in Richtung Diversifizierung?“ Vera Denkhaus: „Das ist super wich- tig. Dies muss aber öffentlich ge- macht werden. Und das Interesse an Journalismus muss schon früh geweckt werden, in den Schulen, Stichwort Medienkompetenz. Denn leider hat nicht jeder Haus- halt eine Zeitung zuhause.“ Heinrich Meyer: „Medienkompetenz ist wichtig, blickt aber vorwiegend auf die technische Seite. Die Infor- mationskompetenz hingegen be- inhaltet, dass ich mich überhaupt gut informiere. Schließlich lebt unsere Gesellschaftsordnung da- von, dass sich dieMitglieder stets in- formiert halten. Genau das muss in Schulen stärker thematisiert wer- „Das ist gerade eine große Diskussion in der Medienlandschaft. Tatsächlich sind unsere Redaktionen nicht divers, sondern eher gleichförmig.“ Vera Denkhaus, Volontärin unsere Haltung aber transparent, wir sagen, was unsere Basis ist. Nämlich der NRZ-Kompass. Wo wir herkommen, was uns wichtig ist, das bildet unser Grundverständ- nis. Und nur so erhalten wir auch in Zukunft unsere Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit. Schließlich leitet sich auch unser Ombudsmann aus dem Kompass ab. Er ist unabhängig von der Re- daktion beschäftigt und soll den Le- sern erklären, warumdieRedaktion über etwas berichtet hat und über anderes wiederum nicht und wieso etwas Redaktionelles nicht in Ord- nung ist.“ Manfred Lachniet: „Frau Denkhaus, was fehlt der NRZ im digitalen Be- reich? Was sollten wir Ihrer Mei- nung nach als nächstes angehen?“ Vera Denkhaus: „Wir müssen mehr in die sozialen Medien bringen, gern über die eigene Arbeit. Auch das sorgt für Transparenz. Wir kön- nen kleine Storys auf dem Weg zu Terminen zeigen, unsere Nutzerin- nen und Nutzer mitnehmen und auch die Themenfindung in unse- renRedaktionskonferenzen zeigen. Das soll keine Alternative zur Homepage nrz.de sein, aber eineEr- gänzung. So könnten wir für neue Zielgruppen sichtbar werden.“ Heinrich Meyer: „Das finde ich gut. Mir ist allein wichtig, dass wir uns von den großen digitalen Plattfor- men wie Google oder Facebook nicht abhängig machen dürfen. Wenn wir dort zeigen, wie unsere Arbeit und die Themenfindung funktioniert, ist das sicher sinnvoll.“ Im Jahr 2018 wurden die Leitsätze der NRZ von der Redaktion überarbeitet, bei einem Forum mit Leserinnen und Lesern breit diskutiert und dann neu aufgeschrieben. Das Ergebnis ist „Der NRZ-Kompass“. FOTO: MATTHIAS GRABEN NBX__NRWTZ_5_1652 | Samstag, 03. Juli 2021 Seite 4 und 5 „Wir bei der NRZ machen unsere Hal- tung transparent, wir sagen, was unse- re Basis ist. Nämlich der NRZ-Kompass.“ Heinrich Meyer, Herausgeber Anzeige verbindet... TRADITION Wohnwelt Fahnenbruck GmbH · Grenzstraße 231 · 46562 Voerde | Dinxperloer Straße 273 · 46399 Bocholt · www.fahnenbruck.de WIR GRATULIEREN DER NRZ ZUM 75-JÄHRIGEN JUBILÄUM! SEIT ÜBER 70 JAHREN BIETEN WIR UNSEREN KUNDEN HOCHWERTIGE MÖBEL UND KÜCHEN, DIE NICHT NUR SCHÖN ANZUSEHEN, SONDERN AUCH BIS INS KLEINSTE DURCHDACHT UND FUNKTIONELL SIND.

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