75 Jahre NRZ

1954. Das Jahr 1954 steht im Zeichen des technischen Fort- schritts. Im März bekommt das Druckhaus neue moderne Groß-Rotationsanlagen. Eben- falls zum Einsatz kommen nun moderne Setzmaschinen und Druckautomaten sowie Bild- telegrafen. Erstmalig erscheint die NRZ mit ihrer heute be- kannten grünen Marke im Titel- kopf jeder einzelnen Ausgabe. NBX__NRWTZ_52_1652 teressiert. Auch jenseits der Profi- ebene ist der Fußball überall im Fo- kus. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass andere Sportarten bei der NRZ gerade im Lokalsport zu kurz kämen. ImGegenteil: Auch hier gibt es Vereine wie etwa Hand- ball-Regionalligist MTV Rhein- wacht Dinslaken, die Volleyball- ZweitligistenMoerser SC und Blau- Weiß Dingden oder die Zweitliga- Handballfrauen des TuS Lintfort – umnur einige Beispiele zu nennen -, die in der Printausgabe und auch online einen hohen Stellenwert be- sitzen. Entsprechend umfangreich berichten wir. Auch namhafte Ein- zelsportler wie Triathlet Timo Schaffeld aus Oberhausen, der in Kamp-Lintfort trainierende Tennis- profi Daniel Altmeier oder der ehe- malige Formel-1-Rennfahrer Niko Hülkenberg aus Emmerich haben wir stets im Visier. Die Sportbegeisterung ist groß. Aber in den Spitzenligen machen sich Vereine aus dem Westen eher rar. Stimmt der Eindruck? Nein, weil der Niederrhein-Sport überaus prominent unterwegs ist, wenn man Borussia Mönchenglad- bach als beliebtesten Fußballclub der Region und auch Zweitligist Fortuna Düsseldorf in Betracht zieht. Dazu kommen Drittligist MSVDuisburg, dieRegionalligisten Rot-Weiß Oberhausen und VfB Homberg. Die Düsseldorfer EG und die Krefeld Pinguine spielen in der Deutschen Eishockey Liga mit. Die schon erwähnten Handball- Der Lokalsportdesk n Der Lokalsportdesk der NRZ in Dinslaken deckt die Ausgaben Dinslaken, Emmerich, Kleve, Moers, Oberhausen, Rheinberg und Wesel ab. Zur Mannschaft zählen Gerard Dombrowski, Ti- mo Kiwitz, Sandra Goldmann, Andreas Nohlen, Ralf Pollmann, Michael Schwarz, Peter Voss, Uwe Zak sowie Desk-Leiter Mi- chael Ryberg. n Die Duisburger NRZ-Lokal- sportausgabe bestreiten Leiter Dirk Retzlaff sowie Thomas Kris- taniak und Friedhelm Thelen. und Volleyballteams bieten eben- falls guten Mannschaftssport. Inwieweit hat das Internet den Sportjournalismus verändert? Online hat nicht nur die Hand- lungsabläufe stark beeinflusst. Das Netz lenkt auch die Denkweise von Journalisten hin zu deutlich mehr Aktualität. Es geht lange nicht mehr nur darum, einen Artikel für die Printausgabe des Folgetages zu schreiben. Das sieht man vor allem an Samstagen, wo NRZ-Artikel im Internet nach aktuellen Spielen schon erscheinen, auch wenn am Sonntag keine Printausgabe er- scheint. Gerade bei den Topverei- nen der Region ist es das Ziel, die Leser schnell zu informieren, am besten kurz nach dem Schlusspfiff. Gefragt sind aber auch Hintergrün- de, Erklärstücke oder Interviews, die an anderer Stelle im Netz so nicht zu finden sind. Dazu sind die Kollegen vor Ort unterwegs. Es gibt auchPodcasts oder Kurzvideos. Die Arbeit ist in den vergangenen Jah- ren komplexer geworden. Und die Konkurrenz durch das Netz immer größer. Fast alle Teamsportarten jenseits des Fußballs werden teils bis in die dritten Ligen live im Netz gesendet. Selbst Spiele der Fußball- Bezirksliga werden übertragen. Fast wäre Rahn gar nicht zur WM gefahren Der Essener Helmut Rahn hat Deutschland 1954 mit seinem Siegtor zum Fußball-Weltmeister gemacht. Kurz vor der WM hatte der Held nämlich noch noch ein lukratives Angebot aus Argentinien Von Michael Ryberg Essen. Es gibt Zahlen und Namen, die sind schlicht unvergessen. 54, 3:2 und Rahn, das ist eine solche Kombination. Diese vier Zahlen und vier Buchstaben stehen für ein beträchtliches Stück deutscher Fußball-Geschichte. Ein Essener Dribbler der draufgängerischen Art, für den der Ball flapsig nur „die Kirsche“ hieß und bei dessen Kano- nenschüssen sich ein Torhüter nie gern an seinem Arbeitsplatz auf- hielt, machte mit seinem Siegtor im WM-Finale am 4. Juli 1954 in Bern eine ganze Nation glücklich. Neun Jahre nach Ende des von Deutschland verschuldeten Zwei- ten Weltkrieges bedeutete Helmut Rahns Flachschuss von Wankdorf in die linke ungarische Torecke viel, viel mehr als nur den finalen Tur- niertreffer. Den „Rahnsinn“ vor fast 67 Jahren, der sich auch in der Tor- vorlage zum 1:2 durch den Nürn- berger Max Morlock und im selbst erzielten 2:2 manifestierte, verfolg- ten die Deutschen vor allem ge- bannt am Radio. Der legendäre, da- mals eher verpönte Freudenaus- bruch von Reporter Herbert Zim- mermann („Rahn müsste schießen – Rahn schießt – Tor, Tor, Tor, Tor“) ist an den Essener Brücken über der Ruhrpott-Auto- bahn 40 verewigt. Im Frühsom- mer 1954 waren die Gaststätten und Kneipen, die sich einen Fernse- her geleistet hatten, voll von Menschen, die lange Jahre nicht mehr eine so enthusiastische Freude empfunden hatten. Man drängelte sich vor den Schaufenstern der großenKaufhäu- ser – wo die neuen Schwarz-Weiß- Bildschirme ebenfalls mit Live-Bil- dern aus demWankdorf-Stadion flimmerten. Schon das 2:0 im Viertelfinale gegen Jugoslawien zuvor und das 6:1 über damals exzellente Österreicher in der Vor- schlussrunde waren Straßenfeger. Dabei hätte die legendäre 54er- WM auch ganz anders verlaufen können. Nämlich ohne Helmut Rahn. Der be- fand sich mit Rot-Weiss Es- sen noch weni- ge Wochen vor dem Start der orbereitung der onalelf auf gro- ßer Südamerika-Tour- nee mit 16 Freundschaftsspielen. Der DFB-Pokalsieger von 1953 kickte neun Wochen lang in Uru- guay, Bolivien, Peru, Ecuador, Ko- lumbien, in den USA und auch in Argentinien. Spitzenteam Racing Club Buenos Aires wollte Rahn gleich am Rio de la Plata heimisch machen. 150.000 Mark für vier Spielzeiten bot der noble Klub. Rahn flog jedoch vonBolivien, et- wa zur Hälfte der RWE-Tournee, wie verabredet nach München in die Sportschule Grünwald. „Ich ha- be Sepp Herberger direkt zum Start derWM-Vorbereitung vomAngebot erzählt“, berichtet Helmut Rahn in einem Interviewaus dem Jahr 1979, „doch der Trainer hat nur gesagt: ,Was willst Du denn da unten? Du wirst in Deutschland auch Deine Karriere machen.‘ Damit war das Thema schnell erledigt.“ In Buenos Aires ließ er eine Menge Geld liegen Dazu muss man wissen: In Buenos Aires hätte Rahn rund 3000 Mark im Monat verdient. Bei Rot-Weiss Essen gab es den damaligen Höchstsatz von 320 Mark. Der Außenstürmer mit der linken Klebe ließ also eine Stange Geld liegen. Aber ob Ruhrpott-Original Rahn tatsächlich in die Tango-Metropole gepasst hätte? Der gebürtige Berg- mannssohn hatte Elektriker ge- lernt, liebte Fußball und das Bier da- nach, vergaß nie seine Essener Her- kunft, wohnte bis zuletzt imReihen- haus, beehrte oft seine Stammknei- pe Friesenstube und den VfB Frohnhausen an der Raumerstraße. Nach einer starken Oberliga-Sai- son bei den Sportfreunden Katern- berg ging es 1951 für acht Saisons zu Rot-Weiss Essen. Der damalige RWE-Chef Georg Melches war schneller als der ebenfalls an Rahn interessierte Fritz Szepan von Schalke 04. Melches verschaffte dem damals 21-jährigen Rahn eine Arbeitsstelle und einen Dienstwa- gen, verdoppelte das Monatssalär auf die schon erwähnten 320 Mark. Das zahlte sich aus. Der DFB- Pokalsieg 1953 und die Deutsche Meisterschaft 1955 beim 4:3 über den 1. FC Kaiserslautern in Hanno- ver bleiben auch sieben Jahrzehnte nach Rahns RWE-Zeit die größten Erfolge des Vereins. BeimTurnier inder Schweiz 1954 teilte sich Helmut Rahn das Zim- mer imschmuckenBelvedereHotel am Thunersee in Spiez mit Kapitän FritzWalter. Der legte beimBundes- trainer stets ein gutesWort für Rahn ein. Dessen Späße und Undiszipli- niertheiten gefielen dem korrekten Herberger zumeist nicht. Auf dem Platz zahlte Rahn aber für etwaige Defizite zurück. Das wusste Her- berger. Der stellte Rahn trotz Zwei- fel auch im Finale auf. Ein- und Auswechslungen waren 1954 noch nicht erlaubt. Herber- gers vortrefflicher Riecher mündete in den berühmtesten Linksschuss der deutschen Fußballgeschichte. 54, 3:2, Rahn – vier Zahlen, vier Buchstaben. Unvergessen. Die deutsche Erfolgself vor dem Anpfiff gegen Ungarn am 4. Juli 1954 im Berner Wankdorfstadion. FOTO: DPA Legendärer Schütze des Siegtores: Helmut Rahn avancierte nach dem WM- Triumph zum Helden. FOTO: DPA GESCHICHTE AUSFLUG IN DIE Das Fußball- museum in Dortmund Für Fans ist die riesige Ausstellung ein Muss Dortmund. Zum ersten Mal im Sta- dion, das schönste Tor des Lieb- lingsspielers, der Meistertitel des Herzensvereins und die Weltmeis- tertitel der Nationalelf: Im Deut- schen Fußballmuseum in Dort- mund können Besucher all diese Momente noch einmal erleben. 140 Jahre Fußballgeschichte werden hier lebendig – und zwar nicht nur durch Bilder, sondern auch durch Videos, Spiele, Fernsehausschnitte und Zeitungsseiten, durch berühm- te Spielbälle, Schuhe und Pokale. Dann haben Besucher ganz schnell vor Augen, wie GerdMüller unnachahmlich aus der Drehung schießt, Oliver Bierhoff 1996 das Golden Goal erzielt, Deutschland 2014 zur Halbzeit 5:0 gegen Brasi- lien führt, wie 2006 ein Sommer in Deutschland zum Märchen wird und wie Helmut Rahn 1954 in Bern zur Legende wird. Dazu werden un- zählige Höhepunkte der Bundesli- ga-Geschichte präsentiert sowie die Anfänge des Fußballs in England. Das Museum, direkt am Dort- munder Bahnhof gelegen, ist nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder bestens geeignet. Tor- wand, Kicker und viele interaktive Spiele sind toll für die kleinen Fans. Dazu gibt es Gastronomie und einen Shop – natürlich alles auf Kö- nig Fußball ausgerichtet. Alle Infos zu einem Besuch gibt es auf: www.fussball- museum.de Für Kinder gibt es im Museum jede Menge zu entdecken. Vieles ist interaktiv. FOTO: JAKOB STUDNAR V Nati 1946 BIS 2021: DIE CHRONIK Zum ersten Mal Weltmeister: Kapitän Fritz Walter und Horst Eckel (r.) fei- ern nach dem Triumph in Bern mit begeisterten Anhängern. FOTO: DPA Mit ganz viel Herzblut fürs Vereinsleben An Rhein und Ruhr. „Führend im Sport“ ist seit jeher der Anspruch der NRZ. Der Funke-Sportdesk in Essen versorgt die Leserschaft mit Nachrichten aus dem nationalen und internationalen Sport. Vor Ort, in den Städten an Rhein und Ruhr, übernehmen die Journalistinnen und Journalisten der NRZ die Be- richterstattung. Die Fäden laufen beim Lokalsportdesk in Dinslaken zusammen. Fünf Fragen an Michael Ryberg, Leiter des Sportdesks, Welchen Stellenwert hat der Sport für die Region? Am Niederrhein ist Sport ein fester Bestandteil des Alltags sehr vieler Menschen, wenn nicht gerade Co- rona die eigene sportliche Betäti- gung oder denZuschauer-Sport ein- schränkt oder gar ganz verbietet. Dem tragen wir als NRZ natürlich mit einer umfangreichen Bericht- erstattung Rechnung. In unseren lo- kalen Printausgaben und auf den Onlineseiten geht es dabei nicht nur um Fußball-Bundesliga, sondern um alle Bereiche des Sports. Manche sagen, es werde zu viel über Fußball berichtet... Ja und nein. Natürlich steht in der Sportberichterstattung das im Vor- dergrund, was die meisten Leser in- „Rahn müsste schießen – Rahn schießt – Tor, Tor, Tor, Tor!“ Herbert Zimmermann Reporter im Berner Wankdorfstadion Sport hat am Niederrhein einen riesigen Stellenwert. Unsere Redakteure fangen auf den Plätzen und in den Hallen jeden Tag die Stimmung ein, beim MSV Duisburg genau wie bei TuS Lintfort oder dem Moerser SC Michael Ryberg, Leiter des Lokalsportdesks, beim Interview mit Fußball- trainer Friedhelm Funkel (l.). FOTO: LARS HEIDRICH Helmut Rahns Fußballschuh von 1954 ist eines der Ausstellungsstü- cke in Dortmund. FOTO: JÜRGEN FROMME

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