75 Jahre NRZ

Rheinhausen zeigte 1987 und 1988 Flagge gegen die Schließungspläne von Krupp. FOTO: STADTARCHIV DUISBURG Längster Arbeitskampf in der Nachkriegsgeschichte n Der Arbeitskampf in Duis- burg-Rheinhausen war mit über fünf Monaten der bislang längs- te in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands. Weltweit berich- teten Zeitungen und Nachrich- tensender. Fast 100 Jahre lang war das Krupp-Stahlwerk der wirtschaftliche und soziale Mit- telpunkt im Duisburger Stadtteil westlich des Rheins. n Mit der Ende der 1970er-, An- fang der 1980er-Jahre aufzie- henden Stahlkrise wurden dann rapide Arbeitsplätze abge- baut . 1980 waren in West- deutschland noch 288.000 Menschen in der Stahlindustrie beschäftigt, sieben Jahre später nur noch knapp 230.000. n Als Krupp im Frühjahr 1987 ankündigte, in Hattingen, Ober- hausen und Duisburg weitere 8000 Arbeitsplätze zu strei- chen, waren von einst rund 16.000 ohnehin nur noch 6300 Stahlarbeiter im Rheinhauser Krupp-Werk beschäftigt. Solidarisierte sich beim Konzert im ehemaligen Walzwerk mit den Arbeitern: Grönemeyer. FOTO: VOLLMER Ein bis heute beispielloser Arbeitskampf Am 23. Februar 1988 bildeten 80.000 Menschen innerhalb von 15 Minuten eine Menschenkette durchs Revier. Das Aus des Krupp-Hüttenwerks in Rheinhausen verhinderten sie aber trotz monatelanger Proteste nicht Von Daniel Cnotka Duisburg. Um die Dimensionen zu erfassen, die mit dem legendären Arbeitskampf um das Rheinhauser Hüttenwerk verbunden sind, reicht eine Zahl: 47.000. 47.000 Men- schen waren am 20. Februar 1988 beim sogenannten „Auf Ruhr“ Kon- zert im Walzwerk auf dem Krupp- Gelände dabei. Ein solch’ großes Hallen-Konzert – dabei waren jede Menge Stars - hatte Europa bis da- hin noch nicht gesehen. Rheinhau- sen war in Aufruhr, die Menschen kämpften, letztlich dann doch ver- geblich, um „ihr“ Werk, sie standen in großer Solidarität zusammen. Sie und das gesamte Ruhrgebiet. Das Jahr 1988, ein Jahr voller Wut, deren Ursprung mit einem Datum verbunden ist: 27. Novem- ber 1987, ein Freitag, der sich ins kollektive Gedächtnis der Rhein- hauser einbrennen sollte. Im An- schluss an eine Sitzung im Wirt- schaftsausschuss des Landtags be- stätigte Krupp-Vorstandschef Ger- hard Cromme auf einer Pressekon- ferenz im Düsseldorfer Hilton-Ho- tel die Schließung des Stahlwerks in Rheinhausen. Rund um den abeb- benden Stahlboom hatte es damals viele Gerüchte um Werksschlie- ßungen gegeben. Aber Rheinhausen? Das mo- dernsteWerk Europas? Unvorstell- bar für die Menschen. Heute steht an der Stelle von Krupp, zumindest räumlich, der Güterumschlagplatz Logport. Eine Erfolgsgeschichte, verbunden allerdings mit allerlei Problemen rund um Verkehr und Flächenfraß. Doch das ist eine an- dere Geschichte. Zurück ans Ende des Jahres 1987: Am 30. November protestier- ten bei einer Belegschaftsversamm- lung im alten Walzwerk rund 10.000 Bürger und Stahlkocher gegen die drohende Schließung. Zwei Tage später blockierten 1000 Stahlarbeiter die Rheinbrücke von Rheinhausen nach Hochfeld. Um daran zu erinnern, nennt der Be- triebsratschef Manfred Bruckschen die Rheinquerung im Februar 1988 in „Brücke der Solidarität“ um. Es sollte täglich, überWochenundMo- nate, Kundgebungen und Mahnwa- chen geben. Einer der Höhepunkte der explosiven Stimmung: Krupp- Chef Crommewur- de mit Eiern be- worfen. 47.000 Menschen im Walzwerk Am 20. Februar blickte dann ganz NRW, manche sa- gen, die ganze Welt, auf das Hüt- tenwerk. Beim „Auf-Ruhr“-Konzert im Walzwerk feiern 47.000 Men- schen unter anderemDie TotenHo- sen, Herbert Grönemeyer, Rio Rei- ser undKlaus Lage. Drei Tage später sollte sich binnen 15 Minuten eine riesige Menschenkette durch das Revier bilden: „Tausend Feuer an der Ruhr“, 80.000 Menschen mit Fackeln bildeten quer durchs Ruhr- gebiet eine riesige Menschenkette. Auch sie sollte das Krupp-Hütten- werk in Rheinhausen nicht retten können. In Bonn tagt wenig später die „Kanzlerrunde“ zur Stahlkrise, Re- sultat: Die Schließung des Rhein- hauserWerks kannnicht verhindert werden. Doch das Gremium be- schließt umfangreiche Investitio- nen für die Region Duisburg. Diese werden in den folgenden Jahren auch umgesetzt. Ein Beispiel: Der Business Park im Ortsteil Asterla- gen. Der steht mehr als 30 Jahre nach der Grundsteinlegung nach wie vor zu 30 Prozent leer. Jüngst war ein Projekt des chinesischen Staates zum Bau eines Handels- zentrums krachend gescheitert. Doch auch das ist irgendwie eine andere Geschichte. Noch einmal zurück ins Jahr 1988: Nach einem einwöchigen Protest-Streik und einer Mahnwa- che vor dem Landtag erklärte sich Ministerpräsident Johannes Rau bereit zu vermitteln. Am 3. Mai nahm die Belegschaft des Krupp- Stahlwerkes die Ergebnisse der Ver- handlungen an, die der Landesvater mit der Krupp-Stahl AG erzielt hat- te. Damit endete nach 164 Tagen der längste Arbeitskampf in der Nachkriegsgeschichte Deutsch- lands. Ein großer Teil der Krupp-Be- legschaft erhielt neue Arbeitsplätze und Abfindungen. Am 15. August 1993 wurde schließlich der letzte Hochofen ausgeblasen... Viele sahen die Zukunft Rheinhausens nach der be- schlossenen Stilllegung gefährdet. F: MANFRED VOLLMER Betriebsratschef Manfred Bruck- schen (l.) und Krupp-Vorstandsvor- sitzender Gerhard Cromme. FOTO: DPA Arbeiter aller Stahlbetriebe im Ruhrgebiet besetzten im Januar 1988 die Hochfelder Rheinbrücke und benannten sie in „Brücke der Solidarität“ um. So heißt sie auch heute noch. FOTO: MANFRED VOLLMER 47.000 Menschen beim „Auf Ruhr“-Konzert im Walzwerk: Das Stahlfestival war Teil des Arbeitskampfes und sollte ein Zeichen gegen die Stilllegungspläne setzen. FOTO: MANFRED VOLLMER 1946 BIS 2021: DIE CHRONIK NBX__NRWTZ_62_1419-142109450 Anzeige Jetzt mitfeiern unter 100jahre.wohnbau-dinslaken.de Seit vielen Jahren ist die Wohnbau Dinslaken GmbH für Sie und unsere Heimat Dinslaken, Voerde, Hünxe und Duisburg-Walsum im Einsatz. Lassen Sie uns zusammen unser 100-jähriges Jubiläum feiern! www.galabau-rohde.de Poststraße 157• 46562 Voerde (02 81) 460 910-0

RkJQdWJsaXNoZXIy MjExNDA4