75 Jahre NRZ
der Tat eher nach niederrheini- schem Herbst denn nach Preußens Gloria, aber gerade das nahm Vol- taire für den Philosophenkönig ein. Aber zurück zum glorreichsten Tag Moylands im 20. Jahrhundert: Das Land mit seinem Ministerpräsiden- ten gab reichlich Geld. Rau hatte vielleicht auch ein schlechtes Ge- wissen, hatte er doch 25 Jahre zuvor als Bildungsminister den renitenten Künstler Beuys aus Düsseldorfs Kunstakademie geschmissen. Die Kunst indes kam von den en- gagierten Sammlern Franz-Josef und Hans van der Grinten, die end- lich ein Museum für ihre Beuys- Sammlung bekamen, die inKranen- burg eher schlecht als recht lagerte. Vermutlich wäre das Klever Kur- haus der angemessenere Ort gewe- sen – schließlichhatteBeuys imdor- tigen Museum sein erstes Atelier. Auf Moyland ist er nie gewesen. Aber die Ruine brauchte eine Sa- nierung und einen Zweck – nun al- so: Das Schloss kam von der Fami- lie von Steengracht, die das Anwe- sen mehr als zwei Jahrhunderte be- wohnten, es 1767 im Gegenzug für die Mitfinanzierung des Siebenjäh- rigen Krieges von den Preußen be- kamen. Die von Steengrachts be- wohnten es, bis ein weit größerer Krieg das Schloss unbewohnbar machte: In der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs konnte Win- ston Churchill dort im März 1945 bei der Rheinüberquerung der alli- ierten Truppen kurz residieren. Dürftige Notsanierung Dann, so einige Quellen, sollen ka- nadische Soldaten das wertvolle In- nenleben recht rigoros ausgenom- men haben. Andere berichten wie- derum, dass die umliegenden Nie- derrheiner alles aus dem Schloss mitnahmen. Natürlich nur, damit es keinen Dieben in die Hände fiel. Die Folge: Eine eher dürftigeNot- sanierung, ein ausgebrannter Dach- stuhl und somit bis 1987 eine ziem- lich heruntergekommene Ruine, deren Sanierung lockere zehn Jahre und reichlich viele Millionen in An- spruch nahm. So, dass Adrian Ba- ron von Steengracht im Mai 1997 beglückt feststellte: „Schloss Moy- land, dieses wundervolle Kleinod unserer niederrheinischen Heimat, 1997. In den publizistischen Leitsätzen der NRZ findet sich neben dem Bekenntnis zur journalistischen Unabhängig- keit auch eine Selbstverpflich- tung: Die Zeitung stellt sich in den Dienst des Gemeinwohls. Wie dieser Ansatz sich prak- tisch bewährt, zeigt sich in vie- len Beispielen. „Hilfe von Hand zu Hand“ heißt das Motto der Weihnachtsaktion 1997. Die Lesererinnen und Leser spen- deten Stofftiere und Schulma- terialien für Kinder in Temesvar in Rumänien. NBX__NRWTZ_65_1419-142109839 | Samstag, 03. Juli 2021 Deutschlands größtes Gartenhäuschen Schloss Moyland - der süße Zankapfel Friedrich der Große hatte dort Fieber, Joseph Beuys war nie da, doch als Objekt einer „Ehe zu dritt“ ist es ein idyllischer Zankapfel: Das Schloss Moyland in Bedburg-Hau Von Stephan Hermsen Bedburg-Hau. Friedrich der Große war da und Voltaire, Winston Chur- chill und Johannes Rau – ein kleiner Hauch von Weltgeschichte also für ein Bauwerk, das immer ein kleines bisschen Verstecken zu spielen scheint mit denGästen vonnah und fern. Die alte Römerstraße führt vorbei – und nicht hin. Ein alter Waldweg schlängelt sich irgendwo als Landstraße auf der anderen Sei- te vorbei, manmuss schon einemal- ten Postweg folgen, um dann end- lich tatsächlich anzukommen am Schloss Moyland. Wer es denn findet, findet seit knapp einem Vierteljahrhundert ein Idyll: Ein durchsaniertes Was- serschloss im Tudorstil des frühen 19. Jahrhunderts, Backstein außen, italienischer Marmor innen. SchließlichhatMoyland, niederlän- disch für „schönes Land“, auch la- teinische Wurzeln, kommt von Me- diolanum und da weiß der Asterix- Kenner sofort: Das ist Mailand. Friedrich I. war auch da Mailand und Moyland, das sind ge- wissermaßen Antipoden. Denn Moyland ist eher: weg von allem. Ist nicht Kleve und und nicht Kalkar. Sondern: Ruheinsel, abseits gele- gen, mal ausspannen, nachdenken, flanieren, die Gärten bewundern, was meist die Hälfte der Museums- besucher tun, die das eigentliche Schloss Schloss sein lassen – es ist also so etwas wie Deutschlands größtes Gartenhäuschen, ein biss- chen versteckt, aber schön gelegen. Und geeignet als Liebeslaube. So hielt es seinerzeit Friedrich I., der sich auf Moyland mit einer 17-jähri- gen Katharina Rickers aus Emme- rich vergnügt haben soll. Hat der Autor dieser Zeilen auch mal pro- biert, das war 1987, aber da lag das ganze Schloss in Schutt und Trüm- mern, rochnicht gut und imWasser- graben gab es schlammige Schuhe. Insofern: Zehn Jahre später war jener Lost Place auferstanden aus Ruinen undwurde feierlich eröffnet und sollte fortan einer Menage à trois dienen, die wie im wahren Le- ben auch in Eifersüchteleien, Neid und Zwist endet, und so gibt es der- zeit allenfallsmal wieder so eine Art Burgfrieden im Schloss. Was der Idylle vielleicht gerecht wird, aber jenen versteckten kulturellen Stern am Niederrhein auch nicht so recht zum Leuch- ten bringt. Aber der Reihe nach, kehren wir zum Festakt von 1997 zurück, in jene glücklichen Maientage, an denen alle dachten: Jetzt aber! Jetzt wird Moyland ein strahlendes Juwel. Es sprach der NRW-Ministerpräsident Johannes Rau: „Aus Schloss Moyland, der einstigen Ruine, ist wieder ein Juwel geworden. (...) Wer heute hierher kommt, der kann sich gut vorstel- len, warum Friedrich der Große ge- rade hier Voltaire getroffen hat, wa- rum er auf Moyland eine Philoso- phenakademie errichten wollte.“ Moyland als Ersatz für Brüssel Nun ja, die historische Wahrheit ist wohl eher: Friedrich, der eher schwächliche Philosophenkönig, wollte eigentlich nach Brüssel rei- sen, um dort Voltaire zu treffen. Schon inWesel jedoch hatte der Kö- nig heftiges Fieber und bat darum, dass Voltaire ihmentgegenkommen möge – so traf man sich inMoyland. Am 11. September 1740 traf Vol- taire den König von Preußen: „In einem Kabinett gewahrte ich beim Schein einer Kerze ein kleines Feld- bett von zweieinhalb FußBreite, auf dem ein kleiner Mann lag, einge- mummt in einen Morgenrock aus blauem Stoff: Das war der König, der schwitzte und sich unter einer alten Decke in einem heftigen Fie- beranfall schüttelte.“ Das klingt in GESCHICHTE AUSFLUG IN DIE Schloss Moyland Nicht nur Museum, auch Schloss und Garten Bedburg-Hau. Die Kunstsammlung der Brüder Hans und Franz Josef van derGrinten, das eigens geführte Joseph Beuys Archiv, die Museums- bibliothek der Stiftung Schloss Moyland sowie das Gebäude selbst und seine umliegenden Gärten: Schloss Moyland hat für jeden et- was zu bieten. Beuys-Fans kommen hier voll auf ihre Kosten. Die umfas- sende Sammlung enthält den welt- weit größten Bestand an Werken des Künstlers. Doch es gibt auchEx- ponate anderer Künstler, unter an- derem von Erwin Heerich, Willem den Ouden, Rudolf Schoofs und Hermann Teuber. Nach Moyland kommen aber ebenso viele Garten- wie Museumsliebhaber. Der Schlosspark mit seinem alten Baumbestand und seinen Eichen- und Lindenalleen zeigt sich heute wieder so wie er im späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts aussah. Mehr Infos auf: www.moyland.de Moyland ist Beuys-Ausstellungsort: Hier sind Exponate der Ausstellung „… hier ist meine Heimat - Beuys in Italien“ zu sehen. FOTO: THORSTEN LINDEKAMP Der große Tag 1997: Baronin und Baron Adrian von Steengracht, die Beuys- Sammler Hans und Franz-Josef van der Grinten Franz-Josef (l.) nehmen Ministerpräsident Johannes Rau in die Mitte. FOTO: NRZ „Aus Schloss Moy- land, der einstigen Ruine, ist wieder ein Juwel geworden.“ Johannes Rau beim Festakt zur Eröffnung Idyllisch gelegen: Mitten im Park, umgeben von Wasser, liegt das Schloss Moyland im nördlichen Kreis Kleve. FOTO: THORSTEN LINDEKAMP Seite 64 und 65 Anzeige ist wie ein Phönix aus der Asche wiederauferstanden.“ Er war es auch, der schon damals von einer „Ehe zu dritt“ zwischen Land, Beuys-Sammlern und seiner Familie sprach. Die nur sehr be- dingt glücklich ist. Dass künstleri- sche Leiter immermal wieder nomi- niert und entlassen werden, gehörte in den letzten zehn Jahren quasi zum Alltag. Dass die Beuys-Erben Teile der Sammlung einfordern, ebenso. Immerhin, so NRW-Kultur- ministerin Pfeiffer-Poensgen, will man für dieses Jahr eine neue künst- lerische Leitung installieren. Zwei weitere Leitungsposten – der fürs Beuys-Archiv und der für Schloss und Park – sind ebenfalls vakant. Nächstes Jahr wird das wieder auferstandene Schloss Moyland 25 Jahre alt. Wäre schön, man könnte es feiern. Prachtvolle Gärten. FOTO: AXEL JUSSEIT FIAT 500 Action nur 69 € mtl. 1 OHNE ANZAHLUNG 1 Ihr Fiathändler: CO 2 -Emission nach WLTP (g/km) gewichtet: 0; Stromverbrauch nach WLTP (kWh/100km) kombiniert: 13; Elektrische Reichweite nach WLTP (km) kombiniert: 180; Elektrische Reichweite nach WLTP (km) innerorts: 240; Höchste Nennleistung (kW) Elektromotor: 70; CO 2 - Energieeffizienzklasse: A+ 1 Fiat 500 Elektrisch 70kW (95PS) „Action“ Onyx Schwarz Elspass Autoland GmbH & Co. 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