Wie die Geschichte weitergeht Museen gibt es genug. Die alten Hallen und Anlagen müssen im Alltag genutzt werden Jens Dirksen Wenn Menschen im Mittelalter angefangen haben, an einer Kirche, an einemDom gar zu bauen, taten sie das im sicheren Bewusstsein, dass sie die Fertigstellung des Bauwerks selbst nicht mehr erleben würden. Sie taten es ja für einen höheren Zweck, glaubten womöglich, dem Paradies mit der Schufterei ein bisschen näher kommen zu können. Anders ging es bei den Bauten der Kohle- und Stahlindustrie im Revier zu: Bei Zechen, Kokereien, Gasometernwar klar, dass sie eben keine Werke für die Ewigkeit waren, sondern Gebäude auf Zeit. Manchmal versuchten die Bergbau-Unternehmen noch, sich gegenseitig, die Kundschaft und die eigene Belegschaft mit „Musterzechen“ zubeeindrucken–wie imFalle der Dortmunder Zeche Zollern II/IV, deren Maschinenhallen um die Jahrhundertwende inunverkleideter Stahlgerüst-Bauweise errichtet wurde. Ihre palastartige Lohnhalle setzte mustergültig die Einschüchterung derjenigen architektonisch insWerk, diehierwöchentlich ihre Lohntüte abholten. Es war die erste vollelektrische Zeche im Revier, auch sonst mit modernster Technik ausgestattet, mit Jugendstil-Elementen, die nochmehr en voguewaren als der neogotische Zierrat einiger Fassaden. DassZollernII/IV1969kurzvordemAbriss unter Denkmalschutz gestellt wurde, war eine Pioniertat –bis dahinverschwandenIndustriebauten sang- undklanglos vonderOberfläche. Aber Weltkulturerbe wurde 2001 nicht das „Zechen-Schloss“ im Dortmunder Stadtteil Bövinghausen, sondern Zollverein 12 und 1/2/8 in Essen-Katernberg. Eine monströse, Stein gewordene Rationalität, ein Hochamt aus Symmetrie und rechten Winkeln. Zu dessen vernünftig-profitablemKalkül auch gehörte, dass das Ziegelmauerwerk nur einfach ausgeführt wurde. Man wusste ja schon mehr als man ahnte, dass auch die Kohle-Lagerstätten unterZollvereinnach rundeinemhalben Jahrhundert erschöpft sein würden. Ausgebeutet. Das monströse Monument eines höchst effizienten Raubbaus an Geo-Ressourcen und menschlicher Arbeitskraft ist deshalb nicht nur ein Denk-, sondern auch einMahnmal für die Exzesse einer Ära, die ein bis dato ungekanntesAusmaßanSicherheit undWohlstand für eine maximale Zahl an Menschen erkauft hat mit einem Maximum an Kohlenstoff-Freisetzung, das höchsteGefahr undUnsicherheit für kommende Generationen bedeutet. Keine „Kathedralen der Arbeit“, sondern nüchterne Zweckbauten Die alten Gebäude der Industrie zu erhalten, war Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre ein neuer Gedanke. Der denkmalpflegerische Impuls, der davon ausgeht, dass wir nicht wissen können, was künftige Generationen für wichtig, schön und erhaltenswert befinden, galt bis dato nur für Schlosskapellen, Burgfriede und Fachwerkhäuser. Im Ruhrgebiet mussten ja selbst die altehrwürdigenRathäuser vonEssen und Dortmund (ältestes steinernes Rathaus nördlich der Alpen) für Kaufhäuser und Einkaufspassagen weichen. In den aufgelassenen Zechen, Hallen und Türmen von Kohle und Stahl Industriemuseen anzusiedeln, lag nahe. Es waren ja nicht „Kathedralen der Arbeit“, wie es heute gern so schönfärberisch heißt, als sei die gesundheitsschädigende, unterbezahlte Maloche eine Art religiöses Ritual gewesen und nicht nackte Schufterei zugunsten einer dünnen Schicht von Privilegierten und ohne Aussicht aufsParadies. Eswaren jameist nüchterneZweckbauten, andenenalleindieGröße übermenschlich wirkte. Dass die alten Industriebautenerhaltenblieben, war einAkt der Nachhaltigkeit, längst bevor das Wort zum Gegenbegriff zur Raubbau- und Verbrauchskultur des Industriezeitalters wurde. Aus Angst vor der Leere wurde, als es mehr als genug Industriemuseengab, einFestival wie die Ruhrtriennale hineingestopft. Als Pionierpflanze für solche Riesengebäude wie die Bochumer Jahrhunderthalle oder die Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck hat die Ruhrtriennale ihren Zweck erfüllt; die Gebäudewurdenmillionenschwer ertüchtigt, sodass heute darin auch profane Dinge wie Messen, Modenschauen oder Flohmärkte stattfinden können. VondiesenUmnutzungen,mit der die einmal ins Bauen investierte „graue Energie“ erhalten bleibt, können die Gebäude der Industriekultur noch viel mehr gebrauchen. Es gab für die alte Heizzentrale auf der Zeche Lohberg in Dinslaken ein Umnutzungskonzept, das eine Kindertagesstätte daraus machen wollte, unter denkmalgerechtem Erhalt der schon maroden Fassade. Die Maschinenhalle der ehemaligen Zeche Pattberg im Norden von Moers wurde für eine „qualitätvolle Büronutzung“ freigegeben, nachdem sie 23 Jahre lang leer stand. Das Bauunternehmen, das dort einzog, ist stolz auf den einzigartigen Charakter seines neuen Bürohauses. Von derartigen Um- und Weiternutzungen jenseitsderMusealisierungbraucht die Industriekultur als Markenzeichen fürs Revier noch viel mehr. Sie sind ein ebenso praktischer wie zukunftsträchtiger Fortschritt imUmgang mit industrieller Architektur. Sinnbildlich dafür kann das Werksschwimmbad am Welterbe Zollverein stehen. Den denkmalpflegerischen Puristen ein Dorn im Auge – aber von hohem Reiz undNutzen eben nicht nur für Touristen, sondern auch für die Menschen imStadtteil. EswäreeinSchritt inRichtung Industriekultur fürs 21. Jahrhundert: klimatechnisch sinnvoll, für die Menschen nützlich und ein Weg, Geschichte nicht nur zu erhalten, sondern lebendig in die Gegenwart zu integrieren. Nicht nur einmal imJahr bei der „Extraschicht“, sondern in den Dauerschichten des Alltags. JENSDIRKSEN Strukturwandel auf zwei Beinen: Als Bergmannssohn zur Welt, als Kulturchef zur WAZ gekommen. Die Maschinenhalle der Zeche Zollern II/IV in Dortmund, geschützt seit 1969, darf als erstes Industriedenkmal gelten. Ralf Rottmann / FFS Die Industriekultur Mittwoch, 19. April 2023 – Seite 68/69 Jetzt Wohnmobil mieten! Egal ob Campingurlaub, Städtereise oder Traumstrand –individuell und flexibel mit deinemWohnmobil ! Frank Achenbach Heidestr. 119 · 44866 Bochum-Wattenscheid Tel. 02327-903270 · www.automobile-achenbach.de Hansastraße 110 · 44866 Bochum Tel +49 23 27 - 81 37 8 · www.gruenewald-bochum.de Maximilian Achenbach GmbH • Lackierungen aller Art • Unfallreparatur • Beulenservice • TÜV-Abnahme • Fehlerdiagnose • Inspektion • Klimaservice • Achsvermessung Tickets: Musiktheater im Revier, webshop.musiktheater-im-revier.de oder 1. bis 23.4.2023 Gelsenkirchen – Kennedyplatz www.cirque-bouffon.com Infos unter: www.wananas.de Tel.: 02325 / 9260 - 0 Ab 6 Monaten Laufzeit Unbegrenzter Aufenthalt an allen Öffnungstagen im Jahr! 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