TLZ | Ihre digitale Zeitschrift | KW 41
Nr. 9 / 2 0 2 2 R O Y A L 27 ROYAL ANDYS WELT FOTOS: ULLSTEIN BILD/GETTY IMAGES, SCHERL/SÜDDEUTSCHE ZEITUNG PHOTO, MAURITIUS IMAGES, GETTY IMAGES, DDP IMAGES ANDY ENGLERTS ROYALE WELT Ein kometenhafter Aufstieg und ein tiefer Fall: Marie Louise Gräfin von Larisch-Wallersee war Sisis Liebling, Vertraute des Kronprinzen – und danach vom Unglück verfolgt. Eine Lebensgeschichte wie ein Hollywood-Drama SISIS GELIEBTE & VERHASSTE NICHTE te sich, indem sie Rudolf mehrfach ein Alibi gab, als er Zeit mit seiner Geliebten Freiin Mary Vetsera (1871-1889) verbrachte. Alles wäre gut gegangen, hätten nicht Rudolf undVetsera gemeinsamSelbstmord be- gangen – und hätte sich in Rudolfs Nachlass nicht die Korrespondenz mit Marie Louise befunden, die deren Rolle offenlegte. Eleganterwei- se hatte Rudolf seine eigenen Briefe vor dem Selbstmord zurückgefor- dert und vernichtet. SISI SUCHTE SCHULDIGE , und so galt die lebensfrohe Nichte auf einmal als Natter, die an der Brust der Kaiserin ge- nährt wurde. Marie Louise, seit 1896 geschieden, lebtemitt- lerweile in Rottach-Egern am Tegernsee – mit dem be- kannten Hofopernsänger Otto Brucks (1858-1914), ein weiterer Ehemann, der aufgrund seiner Verbindung mit Marie Louise keine Engagements in Bayern und Öster- reich-Ungarn mehr bekam, der Trunksucht verfiel und früh starb. Ein Sohn der beiden hattemittlerweile Selbst- mord begangen, eine Tochter starb an den „schwar- zen Blattern“. DIE GRÄFIN BRAUCHTE GELD So schrieb sie Erlebtes und Gehörtes aus ihrer Zeit bei Hof auf. Das erste Manuskript kauften noch Strohleute des Kaiserhauses, weitere Indiskretionen brachten vor al- lem Anderen Geld – Marie Louise wurde mehrfach um ihr Honorar geprellt. Auch ein Stummfilmüber Sisi (1920), in dem die Larisch sich selbst spielte, konnte einen noch tieferen Fall nicht ver- hindern: Sie arbeitete in Berlin als Haushälterin, klagte in Illustrierten ihr Leid. Es meldete sich ein offenbar reicher Farmer und Immobili- enmakler aus USA. Er bezahlte für Henriette die Überfahrt – Gegen- leistung war eine Heirat im September 1924 in New York. Doch der vermeintliche Dollar-Baron war ein Hochstapler, überdies gewalttä- tig. 1929 kehrte Marie Louise in ihre Geburtsstadt Augsburg zurück, starb völlig verarmt 1940 in einemAltenheim. AmTag darauf kamdie Gestapo und beschlagnahmte ihre letzten Aufzeichnungen –mit dem Insiderwissen aus vergangenen guten Zeiten… K aiserin Sisi (1837-1898) und ihr Leben waren Stoff für viele Filme und unzählige Bücher. Doch imVer- gleich zum turbulenten Leben ihrer zeitweiligen LieblingsnichteMarie Louise (1858-1940) erscheint das von Sisi heute geradezu langweilig. Sisis Bru- der Ludwig in Bayern hatte sich in eine Schauspielerin verliebt. Die hieß Henriette Mendel und brachte im Jahr 1858 eine Toch- ter zur Welt. Erst ein Jahr später heirateten die Eltern - „morga- natisch“ hieß das damals, weil die Braut von der Herkunft nicht standesgemäß war, Henriette bekam den (vererb- baren) Titel einer „Freifrau von Wallersee“. Die Toch- ter wuchs frei auf, konnte früh hervorragend reiten und fechten – und fand als etwa 11-Jährige die Gunst ihrer Tante Sisi, damals bereits Kaiserin von Österreich. Marie Louise durfte mit ihr ausreiten, reisen, verbrachtemonatelange Aufenthalte bei Sisi und galt bald als ihre Vertraute. Der Aufstieg zur Hofdame galt nur als Frage der Zeit. Diese Posi- tion war bei Sisi eigentlich für Damen aus dem ungarischenAdel reserviert. DieMächtigste von ihnen, Gräfin Marie Festetics de Tolna, bangte um ihre eigene Karriere und schaffte es, eine Ehe von Marie Louise mit dem Grafen Georg Larisch von Moennich (1855-1928) zu arrangieren. Bald kamen zwei Kinder, die die Namen ihrer Taufpaten – Kaiser Franz Joseph und dessen jüngster Tochter Marie Valerie – trugen. EHELICHETREUE? FürMarie Louise war das bestenfalls eine unverbindliche Empfehlung. Da sie das Leben in Troppau (Österrei- chisch-Schlesien) mit Larisch entsetzlich langweilte, leistete sie sich Liebhaber wie Heinrich Baltazzi, brillanter Reiter aus einer Bankiers- familie, der als Vater der nächsten beiden Kinder von Marie Louise gilt, sowie Karl-Ernst von Otto-Kreckwitz (Vater von Kind Nr. 5). La- risch war knauserig, seine Frau liebte den Luxus. Finanzielle Unter- stützung erhielt sie von Baltazzi und ihremCousin, Kronprinz Rudolf (1858-1889), demsie deshalb verpflichtet war. Marie Louise revanchier- DIE INTRIGANTIN GRÄFIN MARIE FESTETICS DE TOLNA (1839-1923) war Marie Louise ein Dorn im Auge – sie fürchtete um ihren eigenen Einfluss bei Hof
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