25 Sie konnten Kranke von ihren Gebrechen befreien, geheime Wünsche erfüllen, vor bösen Geistern beschützen und Diebe aufspüren – unsere Urahnen haben vielen Pflanzen aus ihrem Gemüsegarten besondere Kräfte zugeschrieben. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurde dieser Erfahrungsschatz, in dem sich Mythen mit magischen Bräuchen und heilkundlichem Wissen mischten, von Generation zu Generation weitergegeben. Mit dem Niedergang der bäuerlichen Kultur ist vieles davon in Vergessenheit geraten. Schaurige Legende Wie kaum eine zweite Nahrungspflanze ist der Kohl (Brassica oleracea) von Legenden umrankt. Gar Schauriges wird von seiner Entstehung überliefert: Der griechische Gott Dionysos soll den thrakischen König Lykurg mit Rausch und Wahnsinn bestraft haben, weil dieser seine Reben vernichten ließ. Im Delirium hielt Lykurg auch seinen Sohn Dryas für einen Weinstock und tötete ihn. Aus den bitterlichen Tränen des Königs über diese grauenvolle Tat spross Kohl aus der Erde. Die Römer waren deshalb überzeugt, dass die runden, prallen Köpfe ein echter Kater-Killer Viele der Gemüsepflanzen, die heute bei uns wachsen, haben Mitteleuropa schon vor Tausenden von Jahren erobert. Die Menschen damals schätzten nicht nur ihren Nährwert, sondern sprachen ihnen auch geheimnisvolle Kräfte zu. seien: Staatsmann Cato (234–149 v. Chr.) empfahl, vor jedem Gelage rohen Kohl mit Essig zu verspeisen – dann könne man zechen, so viel man wolle. Ob das die gewünschte Wirkung gezeigt hat, ist nicht bekannt. Bestätigt aber sind die guten Eigenschaften, die die volkstümliche Heilkunde dem Kreuzblütengewächs zugeschrieben hat. Äußerlich angewandt ziehen Umschläge mit seinen Blättern „kranke Säfte“ aus Furunkeln, Geschwüren und schlecht heilenden Wunden, innerlich hilft es bei MagenDarm-Problemen. Wundersamer Fenchel Bei Verdauungsstörungen schwor das Volk früher aber genauso auf Fenchel (Foeniculum vulgare). Seine krampflösende und entgiftende Wirkung verdankt die krautige Pflanze vor allem dem hohen Anteil an ätherischen Ölen in ihren Samen. Diese wurden im Sommer geerntet, bei Bedarf zerstoßen und mit heißem Wasser zu einem Tee aufgekocht, der ebenso bei Lungenleiden und starkem Husten zum Einsatz kam. Was die Schleimhäute von Magen, Darm und Atemwegen erfolgreich reinigt, ist gleichermaßen geeignet, die Atmosphäre zu klären – davon war der Volksglaube überzeugt. Der Johannes dem Täufer geweihte Doldenblütler galt deshalb als eines Vergessenes Gemüsewissen Volksglaube und Heilkunde AROMATISCH Gewürzfenchel – nicht verwechseln mit Gemüsefenchel – nutzte man schon im alten Ägypten gerne als Würz- und Heilpflanze
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