WAZ I Der große Grill-Test
4 Text: Markus Mizgalski Die Digitalisierung macht auch vor der neuesten Grill-Generation nicht halt. Automatische Regelung oder Überwa- chung wie bei „Weber connect“ sollen das Grillen smarter und einfacher ma- chen. Trotzdem ist das Grillen selbst mit modernen Gasgrills immer noch eher rustikal – und soll es auch bleiben. Denn selbst ein Grillgerät der oberen Preisklasse ist kein Thermomix, der seinen Nutzer sozusagen zum Befüller degradiert und den Rest selber macht. Die kleinen Tricks Damit ist aber auch klar, dass ein guter Grill noch keinen guten Griller macht. Für Rezepte und das grundsätzliche Vorgehen gibt es zahlreiche Bücher, die je nach Vorlieben auch noch auf bestimmte Gerichte wie etwa Burger zielen. Aber diese Bücher verraten oft nicht die kleinen Tricks und Kniffe, die man sich mit der Zeit durch Erfahrung und viel Praxis aneignet. Tatsächlich ist Praxis der Schlüssel zum Erfolg. Je besser man seinen Grill kennt und beherrscht, desto besser werden die Er- gebnisse. Dabei ist ein zentraler Aspekt aber ganz wichtig: Modernes Grillen ist Kochen an der frischen Luft. Und es erfordert inklusive Vorbereitung min- destens genauso viel Zeit wie leiden- schaftliches Kochen; besser ist sogar, man plant etwas zusätzlichen Puffer ein. Schließlich käme auch niemand auf die Idee, den Sonntagsbraten um halb eins in den Ofen zu schieben, wenn es um ein Uhr Essen geben soll. Das ist beim Grill vergleichbar, obwohl das früher durchaus anders war. Vorbereitung ist alles Die Zeiten, in denen der „Grillmeis- ter“ noch beim Eintreffen der Gäste versuchte, mit Spiritus und mit einer Pappe wedelnd, den Grill anzubekom- men, um dann mit eineinhalb Stun- den Verspätung die ersten schwarzen Würste zu servieren, sind vorbei. Was witzig klingt, ist aber der wichtigste Aspekt modernen Grillens: Man kann vielleicht „mal eben schnell“ ein paar Würstchen auf den Rost legen, aber be- reits so etwas vergleichsweise simples wie Hähnchenunterkeulen erfordert die Planung, dass sie trotz ihrer relativ geringen Größe nicht in fünf Minuten gar werden, wenn sie noch saftig blei- ben sollen. Und es ist dem Ergebnis überhaupt nicht zuträglich, wenn man GRILL -SPEZIAL meint, die Garung mit höherer Hitze zu erzwingen. Gerichte wie Spare Ribs oder Pulled Pork funktionieren nicht bei 250 °C im Grill. Sie leben von einer langen Garzeit bei niedrigen Tempe- raturen. Genau darum ist es für den Grillerfolg die halbe Miete, sich immer diesen Aspekt des draußen Kochens zu vergegenwärtigen. 1. VIEL HILFT NICHT VIEL Ein moderner Gas- oder Holzkohle- grill ist vor allem als Kochgerät kon- zipiert, nicht als Schmiedeofen. Es ist daher für die meisten Gerichte völlig unnötig, alle Brenner auf Maximum laufen zu lassen oder einen kompletten Sack Kohle auf einmal zu verfeuern. Hohe Hitze benötig man im komplet- ten Grill eigentlich nur, um den Rost für Steaks vorzuheizen. Ansonsten ist es viel sinnvoller, sich Bereiche mit ho- her und geringer oder gar keine Hitze zu schaffen, in denen man Speisen vor- oder nachgaren kann. Beim Gasgrill geht das durch Zu- oder Abschalten der Brenner beziehungs- weise Hoch- oder Runterregeln. Beim Holzkohlegrill erreicht man den Effekt durch nur teilweises Befüllen des Koh- lerostes. Übrigens: Bei fast allen Gas- grills ist die Hitzeverteilung über die Rostfläche ungleichmäßig. Belegt man den kalten Rost mit Toast und dreht dann alle Brenner auf Vollgas, findet man nach wenigen Minuten heraus, wo es heiß und weniger heiß ist. 2. RÖSTAROMEN SIND NICHT SCHWARZ Marinaden können Fleisch zusätzliche Aromen verleihen und es geschmack- lich aufpeppen. Das gilt auch für Tro- ckengewürze und Gewürzmischungen („Rubs“). Trocken gewürztes Fleisch eignet sich eher für indirektes Gril- len. In öligen Marinaden eingelegte Steaks kann man direkt grillen. Vor- her sollte man allerdings mit einem Küchenkrepp die Marinade abtupfen. Entgegen mancher Behauptungen zie- hen Marinaden keineswegs tiefer ein, je länger man Fleisch darin liegen lässt. Wenige Stunden genügen bereits, um das Grillgut zu aromatisieren. Würde man es dann aus der Marinade direkt auf die Flamme legen, gäbe es erst einen Fettbrand, und dann würde die hohe Hitze Kräuter, Gewürze, Zucker und Pfeffer aus der Marinade verbren- nen. Das Ergebnis: Das Fleisch wird schwarz und bitter. 3. RUHE BEWAHREN Nahezu alle Fleischstücke kleben zu- nächst an einem heißen Grillrost fest. Wer jetzt auf das Grillbuch hört, das Wenden nach zwei Minuten empfiehlt, reißt mit etwas Pech sein Steak noch mit Gewalt los; Teile bleiben am Rost kleben. Das muss aber gar nicht sein. Denn solange das Fleisch nicht zu ma- ger ist (etwa Geflügel oder Filet), brät es irgendwann Flüssigkeit aus, die die Klebung von selbst löst. Dann lassen sich Steaks & Co. ganz leicht anheben und wenden. Magere Stücke lässt man erst indirekt vorgaren und verpasst ih- nen zum Schluss noch auf hoher Hitze Röstaromen. Das nennt man Rück- wärtsgrillen. Übrigens funktioniert das mit jedem anderen Stück Fleisch auch. Gutes Fleisch hat genügend Eigengeschmack und kommt mit wenig Marinade aus. Die Röstkruste muss sich bilden, damit das Fleisch nicht mehr am Rost kleben bleibt. Fotos: IMTEST, Getty Images, iStock
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