HA I Hamburg mit Kindern
Es brennt am Rödingsmarkt. Die Feuerwehr ist mit einem Großaufgebot an Fahrzeugen angerückt. Diese Szene wiederholt sich viele Male am Tag, denn keiner der Knöpfe, mit denen Besucher etwas in Bewegung setzen können, wird häufiger gedrückt. kaufen – trieb Braun in das Geschäft gegenüber, einen kleinen Modelleisen- bahnladen. Hier kam ihm die Idee ei- nes gigantischen Wunderlands, gleich darauf rief er seinen Zwillingsbruder in Hamburg an. „Ich dachte, er ist verrückt geworden“, erinnert sich Gerrit Braun heute an das folgenreiche Telefonat. Doch Frederik ließ nicht locker; noch am selben Abend hatte er seinen Bruder überzeugt. Er sollte für lange Zeit der Einzige bleiben. Egal, mit wem die beiden sprachen, sie ernteten Spott, Kopfschütteln und gut gemeinte Ratschläge. Eine Modelleisen- bahn? Wer soll sich so etwas anschauen? Zahlen weiter. Rund 20 Millionen Gäste haben das Wunderland bislang besucht. Aus einer irren Idee ist ein wahnsinniger Erfolg geworden. Das kleine Land in der Speicherstadt ist längst zur großen At- traktion geworden. Die Deutsche Zen- trale für Tourismus hat das Wunderland als beliebteste Sehenswürdigkeit aus- gezeichnet – zum dritten Mal in Folge. Online-Bewertungsportale setzen die Schau hamburgweit stets auf Rang 1: Bei Tripadvisor kommt das Wunderland auf mehr als 22.000 Bewertungen, 96,2 Prozent sagen „sehr gut“ oder „ausge- zeichnet“, das zweitplatzierte Dungeon schafft nicht einmal ein Zehntel der Bewertungen. Die Faszination einer Welt im Maß- stab 1:87 ist in den alten Gebäuden der Speicherstadt überall spürbar. Im Se- kundentakt blitzen Kameras auf, klei- ne Finger weisen aufgeregt auf Details im Wunderland, Silberlocken wiegen sich mit einer Mischung aus Begeiste- rung und Fassungslosigkeit. Die Sätze sind kurz, aufgeregte „Guck mal, Papa, hier!“-Schreie wechseln sich ab mit „Nicht anfassen, Leon!“-Ermahnungen, englische Sprachfetzen vermengen sich mit dänischen und bayerischen. Man weiß nicht, wohin der Blick schweifen soll – auf die Gäste oder auf die zahllo- sen Details der Modelllandschaft. Eine Schafherde blockiert eine Landstraße, in Knuffingen demonstrieren die Men- schen für die Rente mit 30, zwei Außer- irdische spielen in den USA Basketball, in einem Sonnenblumenfeld verlustiert sich ein Liebespaar, im Wasser treibt eine Leiche. Das Wunderland erzählt Alltägliches, inszeniert Außergewöhn- liches – und erfindet Absurdes wie die Mondlandung in einem Fernsehstudio oder die Verschwörung einer geheimen Weltregierung, in der natürlich auch das Wunderland ständiges Mitglied ist. Alles begann an einem heißen Som- mertag in einer Zürcher Gasse. Frederik Braun war dort im Juli 2000 mit zwei Freundinnen unterwegs. Zu dieser Zeit betrieb er mit seinem Zwillingsbruder Gerrit erfolgreich die Diskothek Voila in Eilbek, die Reise sollte eine Auszeit vom anstrengenden Leben im Tanzpa- last sein. „Ich hatte damals keine große Lust mehr auf das Nachtleben.“ Eine Mischung aus Langeweile und Zufall – die Frauen wollten noch Fonduekäse Hamburg mit Kindern 7
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