NRZ I Aus dem Nähkaestchen
FUNKE MEDIEN NRW MEIN LIEBLINGSTEIL Mucke und Mode von hier wech Pottpeople aus Oberhausen geben den Ton an – bei Platten und bei Shirts Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Fotos) Oberhausen. Die T-Shirts waren eigentlich nur ein Dankeschön an ein paar wenige Leute, diemitgehol- fen haben, das Label „Pottpeople“ inOberhausen zu gründen. Das war kein Mode-Label, sondern ein Mu- sik-Label, das genrefrei und damit sehr ungewöhnlich war. „Die Men- schen brauchen ja Schubladen“, sagt Carsten Wrede. „Ein Metal-La- bel macht nur Metal.“ Aber genau so etwas wollten der Musikprodu- zent und seine Mitstreiter nicht. Sie wollten die Vielfalt zeigen, die die Leute im Pott drauf haben. „Rock breit gefächert, von Blues bis Alternative Rock, Pop, Gitarren- pop, ein bisschen Electronic . . .“, zählt der 51-Jährige auf. Dass die Shirtsmal mehr als reinesMerchan- dising der Plattenfirma sein könn- ten, hätte er anfangs vor fünf Jahren nicht gedacht. „Es ist ein bisschen entartet, im positiven Sinne.“ Auf einmal fragten viele Menschen nach den Shirts mit dem Aufdruck „Pottpeople“ – als ein Bekenntnis zur Region (ab 19,90 €). „Zeig, wo du herkommst“ – der Schriftzug steht auch auf den Etiketten in den Sweatshirts, die später dazukamen. Für Wrede und sein Geschäfts- partner Marcus Kötter (53) ist das Ganze heute nicht nur Musik und Mode, sondern auch eine kulturelle Geschichte, die sie erzählen. „In meiner Familie waren alle im Berg- bau“, sagt CarstenWrede. „Ich finde das alles spannend, aber es ist vor- bei. Der Bergbau ist zu Ende er- zählt.“ Der Firmensitz ist zwar ein alter Backsteinbau in der Nachbar- schaft der Turbinenhalle, trotzdem hält der „Techniknerd“ nichts von Nostalgie. „Wir blicken nach vorne, wir wollen das Ruhrgebiet neu auf- laden, anders, als: ,Guck, hier ist ein Stück Kohle’.“ Das Shirt ist guter Gesprächsstoff Über die Shirts käme man ins Ge- spräch, könnte auch dem Letzten erklären: „Ja, wir können unsere Wäsche draußen trocknen“, so der Toningenieur. Stattdessen könnte man zeigen, wie kreativ, vielfältig und offen die Region sei. „Pottpeo- die faire Arbeitsbedingungen garan- tiert. Viele Stoffe sind aus Baumwol- le, etwas Viskose ist darunter und ein wenig Elasthan. „Oh, süß!“, sagen viele Frauen, wenn sie einen Stand von Pottpeo- ple auf einem Kreativmarkt sehen, soWrede. Oft hängennämlichdann die „Pottpeoplechen“ weit vorne – Strampler für Babys. Auch für diese Textil-Idee hat die Musik wieder denAnstoß gegeben. Das Label pro- duziert die bei den Kleinsten belieb- te „Krümelmucke“, die die mittler- weile verstorbene Musikerin Chris- tiane Weber aus Essen erdacht hat. „Crrywrst – iss geil“ Die Krankenschwester Saskia Schlingmann, die eigentlich auf einer Intensivstation in Oberhau- sen arbeitet, ist mit Carsten Wrede befreundet. Vor ihrer nächsten Nachtschicht probiert sich die 29- Jährige als Model aus und schlüpft für die Fotos in die Pullis. Die haben nicht nur die Aufschrift „Pottpeo- ple“, sondern auch „Currywurst“. Pardon: „Crrywrst“ – ohne U, aber genauso lesbar. Pottpeople waren nicht die ersten, die in diesem Stil Wörter aufgeschrieben haben, so Wrede. Es gibt schon seit vielen Jah- ren Protest-Shirts mit der Auf- schrift: „Fck Nzs“ – „Fuck Nazis“. Bei Currywurst sei das einfach lustig: „Crrywrst – iss geil“. So steht es auch auf jedem Schildchen, das mit Wurstgarn an ein Shirt (24,90 €) oder Hoodie (44,90 €) hängt. DasKultes- sen aus dem Pott kommt auch wo- anders gut an, nicht nur bei den Ber- linern oder Hamburgern, die die Pelle ja ebenfalls für sich beanspru- chen. Diese Linie haben Wrede & Co. 2017 zusammen mit Tim Koch aus Essen entwickelt, der aus der Gast- ro-Welt kommt und Pläne für ein Currywurst-Lexikon oder sogar -Museum hatte. „Wir haben bei unserer Currywurst-Party zusam- mengearbeitet“, sagt Wrede. Ein Event, zu dem die Oberhausener einmal im Jahr einladen. Wobei es dort auch immer eine fleischloseVa- riante gibt, erzählt der Vegetarier Carsten Wrede: „Wurst ist ja wohl die Form.“ Es gibt zurzeit nur wenige Pottpeople- Shirts im Online-Shop (pottpeo- ple.ruhr). Es werden wieder welche ge- druckt. Die Crrywrst findet man auch bei Gretel im Hostel-Laden in Ober- hausen, im Shop im Dortmunder Fuß- ballmuseum oder bei „4330 Mülheim“. SERIE Heute: Pottpeople ple funktio- niert auch internatio- nal.“Wobei man in denUSA ein bisschen erklären müsse. „Die denken, es geht ums Kiffen, um Pot“, sagt Wrede und grinst: „Dann hat man schon mal ein Thema.“ Kommunikation ist für Carsten Wrede ebenfalls ein Geschäftsfeld. Vor Pottpeople arbeitete er bereits in Studios, produzierte Trailer, schloss sich schließlichmit anderen Musikproduzenten zusammen zum heute noch bestehenenden Anbie- ter „Tresohr“. Dabei ging es nicht nur um die Songs. Schließlich hät- ten sie schon immer auch Pressetex- te verfasst, Plakate und Homepages erstellt, Werbung gemacht. Heute bieten sie als Kreativagentur alles aus einer Hand an - nicht nur für die Musikbranche. Die Shirts sind da- bei eine große Spielwiese. „Wir müs- sen nicht davon leben.“ Es gibt auch Pottpeoplechen Die ersten Klamotten haben sie selbst mit Transferdruck erstellt. „Das ist ja kein Hexenwerk.“ Heute lassen sie die Shirts in unterschiedli- chen Verfahren, unter anderem mit Siebdruck, etwa in der Region oder in Hessen anfertigen. „Auf jeden Fall in Deutschland.“ Die Rohlinge kommen von verschiedenen Her- stellern, die auch in der Türkei oder in Bangladesch produzieren. „Wir legenWert darauf, dass dieLieferan- ten Zertifikate haben.“ Etwa von Fair Wear Foundation, Bitte anschnallen: Carsten Wredes Lieblingsteil ist ein schwarzer Gür- tel aus einem Anschnallgurt und einer Schnalle, mit der sich die Leute früher in einem Ami-Schlitten am Becken festgezurrt haben. Ein Freund von ihm aus Köln habe den Verschluss auf einem Schrottplatz gefunden und daraus diesen be- sonderen Gürtel gemacht. Carsten Wrede trägt den Prototyp seit nun schon 15 Jahren – und das fast täg- lich. Was bei diesem Gürtel aller- dings nicht geht: Carsten Wrede kann nicht wie bei einem Leder- stück neue Löcher in den Stoff ste- chen, wenn der Bauch ein wenig wachsen sollte. Aber das sei ja auch gar nicht nötig, sagt der 51- Jährige, der sich mit Radfahren fit und schlank hält. Grinsend und nicht ganz ohne Stolz fügt er hinzu: „Das ist beim Abitreffen alle fünf Jahre immer schön.“ „Zieh an, was du willst“, sagt Cars- ten Wrede. Also nicht wirklich alles: „Fühl dich wohl – und sieh gut aus!“, präzisiert er. Ein visueller Äs- thet sollte man schon sein. Schließ- lich erkenne man sofort, ob das Er- scheinungsbild stimmig ist. Er selbst trägt gerne „Casual-Zeugs“ – Den Begriff Casual für legere Sa- chen findet er aber doof. Und auch den Turnschuh-Run in den vergan- genen Jahren hält er für übertrie- ben: „Sneaker zum Anzug – und dann bist du kreativ?“ MEIN STYLINGTIPP Sie sind People aus dem Pott: Musikprodu- zent und Shirt-Macher Carsten Wrede und Krankenschwester Sas- kia Schlingmann. WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 23. Februar 2020 Seite 36
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