NRZ I Aus dem Nähkaestchen

FUNKE MEDIEN NRW dem Dachboden von Wißmanns Haus, das mal Oma und Tante ge- hört hat, und verpacken die bestell- ten Shirts (29,99 €), Hoodies (49,99 €, reduziert: 37,49 €) sowie Käppis (34,99 €). Oder sie denken über die nächste Kollektion nach. Dabei wird dann auch schon mal das ein oder andere Pils gekippt. Zum Ausgleich in die Kneipe „Den Staub in der Lunge, das Bier auf der Zunge“ – ja, so schmeckt die „Bergbauschorle“, wie auf einem der Shirts zu lesen ist. Falls jemand nunbei diesemGetränkenamendas große Geschäft wittert, sollte nicht sofort zu Hause anfangen, Stauder mit Köpi und Fiege zu mixen. Der Im Internet entdeckte Wißmann ein Foto von einem Bergmann, das ihn sehr berührte. „Der Gesichts- ausdruck hat so eine gewisse Tiefe.“ Zugleich drücke der Mann Beschei- denheit aus. Er zeichnete das Bild nachund ließ es ebenfalls alsMo- tiv drucken, auf ein Shirt, aber auch auf einen Turnbeutel und als Poster. AndereMotive erklären sich nicht so leicht. Für was stehen zum Bei- spiel die Zahlen 18 und 50 beim blauen Shirt mit gelbem Schriftzug „Ruhrver- liebt“?Wiß- mann klärt auf: „1850 ist das Jahr, in dem man im Ruhrgebiets- bergbau das erste Mal Grubenpfer- de eingesetzt hat.“ Darauf muss man erstmal kommen! „Ein bisschen His- torie kann nicht „Ihr seid das Ruhrgebiet, die Droge, die mich süchtig macht. . .“ Als Constantin Wißmann Wolfgang Petrys Reviersong zum ersten Mal hört, ist es um ihn geschehen. Dabei mag er Schlager nicht mal sonderlich. Aber irgend- wann beim Musik-Hören auf Youtube kommt er irgendwie vom Punkrock zum Pe- try. Und dann sind es auch nur noch ein paar Klicks, bis er sich ein Fan-Shirt be- stellt hat. Bei einem Konzert war er aller- dings nie. „Das war so eine spontane Sa- che.“ Wie immer beim Shirt-Kauf. „Ich hab mir auch schon mal eins mit einem Döner Kebab drauf bestellt – fand ich lustig.“ Mi- chael Brandtners Lieblingsteil ist da nicht ganz so auffällig: „I need more Space“, steht auf dem Shirt. Es soll ihn immer mal wieder daran erin- nern, dass er sich neben der Arbeit Raum für an- dere Dinge schafft: einen Spaziergang mit der Frau an der Ruhr – oder ein Bier mit Freunden. MEIN LIEBLINGSTEIL Bier-Begriff ist bereits vergeben: „Wir haben ,Bergbauschorle’ als Marke eingetragen“, so Wißmann, der heute hauptberuflich in einer Werbeagentur arbeitet. Zum Ausgleich geht er zum Fuß- ball oder in die Kneipe. „Wir trinken halt gerne Bier“, sagt Wißmann. Und so ist auf einem weiteren Shirt zu lesen: „Mit den Kumpels in die Kneipe ums Eck – Herrengedeck“. Da gesellt sich zum Bierglas noch ein kleines mit Korn dazu. schaden“, sagt Wißmann verschmitzt. Und so heißt auch das graue Unisex- Shirt mit den blauen Är- meln und einem Lederauf- näher, nein nicht „Arsch- leder“, sondern: „Gerechter Fritz“. Es soll an Friedrich Bunte er- innern, den ersten Vorsitzenden einer Bergarbeiter-Gewerkschaft im Ruhrgebiet. Und auch die Kopf- bedeckungen für denWinter heißen bei Ruhrverliebt nicht einfach Müt- zen, sondern „Wetterwechsel“ – wie der Bergmann den Luftaustausch unter Tage nennt. Michael Brandtner freut sich, dass dieMenschen über dieKlamot- ten auch außerhalb des Reviers ins Gespräch kommen: „Viele wissen gar nicht, wie schön es hier ist.“ Wißmann schwärmt von einer Ka- nu-Tour von Hattingen nach Essen- Kupferdreh auf seiner geliebten Ruhr. Obwohl ihre Familien selbst keine Bergbaugeschichte haben, fühlen sie sich mit dem Leben unter Tage verbunden. Das sei Heimat – wie „Familie, Freunde und Fuß- ball“, so Wißmann. Und so lautet ein weiterer Shirt-Schriftzug: „Die Kohle geht, der Kumpel bleibt – Glückauf!“ ruhrverliebt.de, Shirts gibt’s teils auch bei „4330 Mülheim“, Wallstraße 10. Mit dem Aufdruck „Bergbauschorle“ oder „Herrengedeck“ in der Bierothek am Limbecker Platz in Essen sowie in der Thiergalerie in Dortmund. Ball, Bier und Bergbau „Ruhrverliebt“ feiert das Revier. Die Essener machen Mode von hier – und von Herzen Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Fotos) Essen. Die beiden Männer sind ver- liebt. In die Ruhr und das Gebiet, das nach dem Fluss benannt ist. „Ruhrverliebt“ heißt ihre Marke. Und ihr Slogan: „Nirgendwo lieber als hier“. Das klingt doch etwas an- ders, als wenn sich Kabarettist Frank Goosen zum Revier bekennt mit den Worten: „Woanders ist auch scheiße“. „Es sagt dasGlei- che aus“, so Cons- tantin Wißmann lachend. Er und sein Geschäfts- partner Michael Brandtner seien da nur etwas netter und emotionaler. Wißmann ist der kreative Kopf des Duos. Sein erstes Shirt-Motiv hat er neben seiner Aus- bildung zum Mediengestalter ent- worfen: Schlägel undEisen alsBerg- bau-Symbol, ein Adler aus dem Es- sener Stadtwappenund einFußball. „Wir sind fanatische Fußball-Fans.“ Rot-Weiss Essen ist ihr Verein. Das Motiv gibt es heute nicht mehr. Der 28-Jährige ließ das Shirt vor fünf Jahren über eine Online- Plattform drucken und verkaufen. Aber ihm fehlte die persönliche No- te, die er heute so schätzt: Hier ein kleiner Aufnäher mit Schlägel und Eisen, dort mit dem Markennamen „Ruhrverliebt“. Ein Schneider ums Eck in Essen-Frohnhausen näht sie an. Der Stoff ist zudem aus Bio-Baumwolle. „Außer bei den grauen Shirts, da ist etwas Vis- kose dabei.“ Die Shirts sowieHoo- dies kaufen sie von einemRohling- Hersteller, der auch auf faire Arbeitsbedingungen achte, etwa in Bangladesch. In Berlin – „bald aber auch inEssen!“ – lassen sie die Shirts für Frauen und Männer per Siebdruck-Verfah- ren bedrucken. Das Ganze allei- ne als richtiges La- bel neben seinem Beruf zu stemmen, das erschien Wiß- mann damals doch ein bisschen viel. Eine Hochzeit änderte alles: Dort waren Constantin Wißmann und Michael Brandtner Gäste. Schon lange gehörten sie zum selben Freundeskreis. Aber erst zwischen Trauung undTorte-Anschneiden ka- men sie so gut ins Gespräch, dass beide Ja zu „Ruhrverliebt“ sagten: Wir machen das zusammen! „Ich habe eigentlich gar nichts mit Mode zu tun“, sagt Brandtner grinsend. Der 37-Jährige ist Service- techniker für Hydraulikleitungen – und die Shirts sind nun seit gut einem Jahr eine schöne Abwechs- lung zu seinem Hauptberuf. Zwei- mal die Woche treffen sie sich auf „Mit den Kumpels in die Kneipe ums Eck – Herrengedeck.“ Schriftzug auf einem Ruhrverliebt-Shirt SERIE Heute: Ruhrverliebt Glückauf mit der Bergbauschorle: Constantin Wißmann (l.) und Michael Brandtner beim Feierabendbier. Shirt an, Käppi auf, in die Jeans oder die Chinohose ge- schlüpft – und raus. So sieht das Styling von Michael Brandt- ner aus. Er und sein Kollege tun sich schwer damit, eine beson- dere Klamotten-Kombi zu emp- fehlen. „Wenn man einen Sty- lingtipp abgibt, muss man von sich überzeugt sein, dass man einen Style hat“, sagt Constan- tin Wißmann lachend und mit viel Selbstironie. Sie sehen es halt locker. Es sei denn, sie sind zu einer Hochzeit eingela- den, dann soll es schon ein An- zug sein, als Wertschätzung den Gastgebern gegenüber. Wobei ihnen da ebenso ein schönes kariertes Hemd mit Hosenträgern und Chi- nohose gefällt. Das sei ja auch schick. Aber sonst im Alltag? Da heißt es stets: Shirt an, Käppi auf... MEIN STYLINGTIPP Anzeige WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 28. Juni 2020 SICHERE KÜCHENPLANUNG! • WIR HALTEN ABSTAND • BERATERPLÄTZE MIT PLEXIGLASSCHEIBEN • WIR TRAGEN MUNDSCHUTZ • ERHÖHTE HYGIENEMASSNAHMEN Wenn Küche, dann Horstmann! Seite 54

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