NRZ I Aus dem Nähkaestchen
FUNKE MEDIEN NRW Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Fotos) Mülheim. Von wegen potthässlich, pottschick können die Menschen im Pott sein, ist Franziska Schmie- del überzeugt. Die 26-Jährige liebt ihre Heimat und kultiviert sie auch sprachlich. So kommt selten ein Satz über ihre Lippen, der nicht ein dat oder wat enthält. „Ich selber merke dat gar nicht“, sagt die Mül- heimerin lachend. Nun macht sie mit ihrem Pottdeutsch Pottmode. Ja, „dat hat wat“. Dabei könnte man schon kritisch fragen: Noch ein Ruhrgebietslabel? Auch sie hat den „Kumpel“ auf einem Shirt stehen. Aber sonst sind die Klamotten schon anders als die vieler Revier-Labels. „Ich bin ein modebewusster Typ“, sagt Franzis- ka Schmiedel. Dazu würden große Aufdrucke auf dem Bauch nicht passen. „Ich habemir gedacht: Man muss doch auf stilvolle Art den Pott mitMode verbindenkönnen.“ So ist ihr Label „Pottschick in 454“ – wie die Mülheimer Postleitzahl beginnt – eine klare Pott-Bekennung, aber nicht mit dem Hammer (und auch nicht mit dem Eisen). Obwohl auch sie auf der Rücksei- te des Sommer-Shirts Schlägel und Eisen zeigt. Aber das Bergbau-Sym- bol ist weiß auf einem bunten Grund. „Ich habe das mit Buntstif- ten vorgemalt.“Danachhat einGra- fiker ihre Idee am Computer umge- setzt. Das ist das erste und bisher einzige großflächige Motiv-Shirt. SERIE Heute: Pottschick in 454 Ecke“. Jeder kann sich ein Shirt (29,90 €) individuell gestalten las- sen: Form wählen, Schriftzug, -grö- ße und -farbe. „Sobald die Bestel- lung reingeht, lasse ich es drucken.“ In Düsseldorf mit „Digitaldirekt- druck“ – die Schrift wird dann eins mit dem Stoff. Eine Altersgrenze gibt’s nicht. Sie hat auch Babybodys (17,90 €) im Programm, für „Kumpel“ und „Pott- mädchen“. Geschlechtsneutral: „Pupsgesicht“. Und ihre eigene Oma, genannt „Umsi“, sagt zu den Klamotten der Enkelin ebenfalls: „Nä, wat schön!“ Und trägt stolz ein Shirt mit der Aufschrift „Rebell“. „Clubtach“ steht auf einem ande- ren Stoff. Da muss selbst ein wasch- echter Ruhri überlegen, wat dat wohl bedeuten könnte. „Clubtag!“, sagt FranziskaSchmiedel. EinShirt, das in ihremClub gefeiert wird, dem HTCUhlenhorst. Sie spielt dort von klein auf Hockey, vor einiger Zeit sogar in der erstenBundesliga. Aber dann bekam sie Pfeiffersches Drü- senfieber und eine Herzmuskelent- zündung. ZehnMonate lang war an Sport nicht zu denken. Dafür aber an die Idee, ein eigenes Mode- Label zu gründen. Eigentlich arbeitet sie als Junior-Projektmanage- rin in einer Eventagentur in Düsseldorf, wo sie mit ihrem dat und wat natürlich auf- Bei den restlichen Aufdrucken spielt sie mit Revier-Wörtern oder Redewendungen, die immer klein geschrieben sind: „nä wat schön“. Oder: „schickimicki“ und „designer fummel“. „Flott imPott“ nennt sie die Shirt- Form für Sie und Ihn. Aber der Druck zeigt klar die Handschrift eines „Pottmädchens“: Dezente Schreibmaschinenschrift, nicht nur in Schwarz oder Grün, sondern auch inRot oder Pink.Mankann sie entweder groß auf der Brust oder klein am Herzen tragen. Für die Frauen gibt’s zudem einen Schnitt mit mehr Ausschnitt. Das Modell heißt: „Hot im Pott“. Die weißen Rohlinge sind aus Bio-Baumwolle, teils GOTS-zertifi- ziert und mit Beleg für eine faire Herstel- lung. Die Hoodies (54,90 €), die es auch farbig gibt, ha- ben einen kleinen An- teil recyceltes Polyester. Die Shirt-Ärmel lässt Franzi Schmiedel um- nähen, bei einer Schneiderin, „um die Babyblau für den Kumpel. Rosafarbene Strampler gibt’s für Pottmädchen. POTTSCHICK. IN 454 designer fummel. schickimicki. pillepalle. kindskopp. heiopei. kokolores. dat hat wat. pottmädchen. nä wat schön. schätzeken. fällt. Wie schafft sie seit gut einem Jahr beide Jobs auf einmal? „Irgend- wie geht et.“ Bisher packt sie jedes Shirt selbst ein, das über Instagram bei ihr geordert wird. Aber wer weiß, wie die Nachfrage steigt, wenn sie nun über ihren gerade er- öffneten Online-Shop verkauft? „Wenn es abgeht, hab ich schon der Familie gesagt: ,Ich freue mich über euren Support!’“ Ist die rebellische Oma dann auch dabei? Franziska Schmiedel lacht: „Ja, vielleicht muss auch die Umsi ran.“ Onlineshop: pottschickin454.de „Und dazu eine Lederjacke.“ – Das ist der Satz, den Franziska Schmie- del am häufigsten sagt, wenn sie shoppen geht. Denn ob Jeans, Rock oder Kleid, sobald sie ein neues Kleidungsstück im Spiegel einer Boutique für gut befindet, kombi- niert sie gedanklich direkt eine Lederjacke dazu. Dabei muss die Jacke nicht unbedingt aus Leder sein, wie etwa diese Bi- kerjacke aus veganem Leder. Der 26-Jährigen gefällt ein- fach der coole Style mit Gürtel und vielen Reißverschlüssen. „Sie passt zu allem.“ MEIN LIEBLINGSTEIL Die orangefarbene Handtasche, das Retro-Haarband oder die goldene Uhr sind nur Beispiele dafür, wie man ein Highlight setzen kann, so Franziska Schmiedel. „Ich bin de- zent unterwegs und pimpe damit mein Outfit auf.“ Dunkle Hose, wei- ßes Shirt, weißer Blazer – schön und gut. Aber richtig gut wird es, wenn die Sneaker mit orange-gol- denen Streifen blitzen. „So kann man mit kleinen Handgriffen ein Outfit mal sportlich, mal elegant wirken lassen.“ Kein Accessoire zur Hand? Auch farbiger Nagellack set- ze einen schönen Akzent. MEIN STYLINGTIPP So isset! Ruhrdeutsch trägt sich gut am Herzen. Der Hammer: Franziska Schmiedel und ihr neues Mo- tiv. Meist spielt sie aber nur dezent mit Pottwörtern. Pottmädchen macht Mode für den Pott Franziska Schmiedel trägt ihre Reviersprache auf der Zunge sowie am Herzen: Mit ihren Shirts kultiviert sie Wortspielereien wie „Kokolores“ und „Pillepalle“ – „nä wat schön“ Anzeige WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 12. Juli 2020 Seite 56
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