NRZ I Aus dem Nähkaestchen

FUNKE MEDIEN NRW Schicke Sachen mit schicken Sa- chen kombinieren? Langweilig! Stattdessen sagt Heiko Wunder: „Ich mag den Bruch!“ Also besser edle Kleidung mit gebrauchten Kla- motten kombinieren, am besten mit Lieblingsteilen. Ein Beispiel: Wenn eine Frau eine feine Tencel- Bluse wählt, dazu nicht in eine Wollhose schlüpfen, sondern in eine oft getragene, verwaschene Jeans. „Das finde ich immer coo- ler.“ Dadurch verhindert man auch, dass man wie verkleidet wirkt, so Heiko Wunder. „Das Ganze sollte Persönlichkeit ausstrahlen.“ MEIN STYLINGTIPP Flingern gibt es einen Laden in Frankfurt, zwei in Berlin und seit März auch einen auf Sylt. Stefanie Seiffert, das 32-jährige Model, schlüpft in Shorts (89,95 €) plus Lagen-Top (79,95 €). „Ultraleicht und luftig“, sagt Wunder. Und: „Es ist aus unseremWunder- werk-Tencel.“ Tencel ist ein umweltfreundli- cher Stoff, der eigentlich aus Eukalyptus- holz hergestellt wird. Doch Wunderwerk kooperiert mit einer Firma, die mit heimi- schenHölzern arbeitet. Zudem sei der Stoff „dreimal feiner als normaler Tencel“, ver- spricht Wunder. „Männer sind manchmal etwas schwierig.“ Das Wunderwerk hat auch Klamotten für denMann imProgramm. Aber HeikoWun- der verrät: „Männer sind manchmal etwas schwierig.“ Da heben sie ein T-Shirt hoch und es fühlt sich leicht und weich an und sie legen es sofort wieder zurück – das sei ja viel zu feminin. „Anziehen!“, fordert Heiko Wunder sie dann auf. Nur so kann er die ein oder andere harte Nuss knacken. Ist es ihm einmal gelungen, hat er jedoch ein viel leichteres Spiel als bei Frauen: Kürz- lich kam ein Mann auf Sylt in den Laden, der tags zuvor Shorts und ein Shirt gekauft hatte. Wunder befürchtete schon, der Kun- de würde die Sachen zurückgeben. Aber der Mann fragte, ob es die Klamotten auch noch in anderen Farben gebe. Und dann nahm er vier Shirts von der Farbe, vier von der, die Shorts in Khaki…. „Wenn Männer ihre Hose gefunden haben, kaufen sie drei davon“, sagt Heiko Wunder. „Männer sind Wiederkäufer.“ Onlineshop: wunderwerk.com ; Düsseldorf- Flingern: Ackerstraße 133. „Es sind meine Falten“, sagt Heiko Wunder und zeigt dabei nicht etwa ins Gesicht, sondern auf seine Ho- senbeine. Der 49-Jährige trägt sei- ne absolute Lieblingsjeans, die in Würde altern darf. Sie war bei der allerersten Wunderwerk-Lieferung 2013 dabei. Seitdem trägt er sie immer wieder. „Da habe ich drei Jahre drin gewohnt“, sagt er la- chend. Anfangs war die Jeans rich- tig dunkelblau. „Jetzt ist sie authen- tisch kaputt.“ Obwohl noch kein richtiges Loch im Stoff ist. Aber die Jeans sieht eben getragen aus – ohne dass ein Hersteller nachhel- fen musste. Flicken muss Wunder die Hose trotzdem ab und an, weil sich Schlüssel und Münzen durch die inneren Hosentaschen bohren. MEIN LIEBLINGSTEIL FOTOS: INGO OTTO / FUNKE FOTO SERVICES / GESTALTUNG: MARCELLO MAZZA Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Fotos) Düsseldorf. Allein über den Jeans-Po kann dieser Mann stundenlang grübeln: Wie sol- len die Taschen geschnitten sein? Wie sol- len sie amHintern sitzen? „Die Drehung ist ultrawichtig“, so der Experte. Denn mit der perfekten Taschen-Position wirke der Po in der Jeans runder. So ist alles, was das „Wun- derwerk“ aus Düsseldorf verkauft, weniger einWunder und viel mehr das Ergebnis von Heiko Wunders Gedanken. Und die drehen sich nicht nur um den idealen Sitz und Schnitt. Genauso wich- tig ist dem49-Jährigen, wie die Jeans aus Bio-Baumwolle und Elasthan herge- stellt wird (99,95 bis 149,95 €). Er ist ein bisschen stolz darauf, dass er von Anfang an Jeans ohne Einsatz von Chlor und Kaliumpermanganat blei- chen ließ. Aber das viele Wasser, das allein für die Bleichung einer Jeans nötig ist, das bereitete ihm Kopfzer- brechen. Für eine konventionell her- gestellte dunkle Jeans benötige man et- wa 30 Liter Wasser, bei einer richtig hell ausgewaschenen werden es schon mal 160 Liter. Und dazu kommt: „bis zu 1,7 Kilogramm Chemie.“ Das kann nicht sein, das darf nicht sein, dachte sichWun- der – und drosselte den Verbrauch bei den neueren Modellen so sehr, dass heute pro Jeans je nachWaschung nur 0,7 bis 6 Liter Wasser für das Bleichen nötig seien. Ozon mache es möglich. Der Hersteller in Tune- sien hat einen geschlossenen Raum, in dem die Jeans mit Ozon besprüht wird, so dass sie wie zehn oder auch 890 Tage getragen aussieht. Wunder achtet auf jeden Arbeitsschritt und jedes Detail. Selbst beim Knopf erfüllt er sein Versprechen: „organic, no plastic, fantastic“. Häufig sei der Knopf bei der Jeans aus Kunststoff und erhalte dann einen Blechüberzug. Doch sein Knopf, der in Wuppertal hergestellt wird, ist „ein dicker Metallknopf“. Vom „Grünen Knopf“, das 2019 einge- führte staatliche Siegel für grüneMode, hält er dagegen wenig. Die Anforderungen ge- hen ihm nicht weit genug. Er will mehr für dieUmwelt tun, setzt aufGOTS-zertifizierte Stoffe und von der Organisation empfohle- ne Farben. Denn was nütze ein Shirt aus Biobaumwolle, wenn die Farbe eine Che- miebombe ist? Auch zu recycelten Baum- wollstoffen aus Schnittresten sagt er: „Das ist Greenwashing.“ Denn auch diese Baum- wolle wurde einmal mit viel Chemie und Wasser hergestellt. Cool und öko sind kein Widerspruch Wenn Heiko Wunder erzählt, spürt man: Das ist keine Show, weil grüne Mode mehr undmehr angesagt ist. Ihm ist es ein inneres Bedürfnis, möglichst nachhaltig zu produ- zieren. Er hat als Jugendlicher bei Mode- messen gejobbt, dann bei Steilmann eine Ausbildung zum Industriekaufmann ge- macht, später als Produktmanager gearbei- tet. Er war bei Firmen wie Dressmaster, O’Neill, Esprit und Vanilia, bevor er 2012 sein Wunderwerk gründet hat, das in erster Linie eine coole Marke ohne Firlefanz sein will, aber zugleich ganz selbstverständlich ökologisch. Woher kamder Sinneswandel? Wunder: „Es gab bei mir keinen Sinneswan- del.“ Er habe sich schon immer Gedanken gemacht, „über die Auswirkungen auf Na- tur, Tier undMensch“, über gesunde Ernäh- rung, woher man die gute Energie be- kommt. „Ich bin Bundesliga gesurft.“ Medi- zin wollte er mal studieren und Ökotropho- logie, dieAusbildung zumHeilpraktiker hat er angefangen. Und auch gute Kleidung, die auf der Haut keine allergischen Reaktionen erzeugt, gehöre zur gesunden Lebensweise. „Es ist alles eins.“ Das Wunderwerk beschäftigt mittlerwei- le 26 Mitarbeiter. Die Kleidung entsteht nicht nur in Tunesien, sondern auch in Por- tugal oder Griechenland. Neben dem On- lineshop und dem Geschäft in Düsseldorf- SERIE Heute: Wunderwerk Ozon lässt die Jeans „Amber“ so wirken, als hätte Model Stefanie Seiffert sie schon zigmal getragen. Dazu: eine Bluse aus Tencel. Auch Top und Shorts sind aus diesem ökologischen Stoff, der aus Holz hergestellt wird. Das Kleine Schwarze ist aus Biobaumwolle. Das grüne Wunder Jeans mit einer coolen Waschung, für die nicht zig Liter Wasser benötigt werden? Das ist kein Wunder mehr, sondern ein Werk von Wunderwerk in Düsseldorf. Das Label macht Mode mit hohem Nachhaltigkeits-Anspruch WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 9. August 2020 Seite 60

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