NRZ I Aus dem Nähkaestchen

FUNKE MEDIEN NRW Auch für Frauen schneidert Karin Götz: Natalie Bragina (47) trägt zum grauen Sweatshirtkleid ein orangefarbenes Musselintuch – der Stoff, aus dem früher Windel waren. Beliebtes Starter-Set: Eine Wende- mütze plus Halstuch. Sie hat zwar viele farbenfrohe Stoffe in ihrem Laden, aber sie selbst trägt am liebs- ten: Schwarz. „Das kommt noch aus meiner Architektenzeit“, sagt Karin Götz lachend. In der Branche scheint es ein ungeschriebenes Gesetz zu geben, dass man sich in dem dunklen Ton kleidet. Etwas Grau dürfe es schon geben. Und auch Muster haben ihre Sachen schon mal. So „wachsen“ etwa bei ihrem Lieblingsteil weiße, manchmal auch grüne Blätter auf dem Stoff: Das Blusenkleid war ein Zufallsfund in Dortmund. Eigentlich schneidert die 50-Jährige fast ihre ganze Gar- derobe selbst. Aber bei diesem Teil konnte sie nicht widerstehen. „Es ist so schön wandlungs- fähig.“ Sie trägt es nicht nur als Kleid mit Gür- tel, sondern auch mal als Mantel. „Ich kann es toll zu meinen schlichten Sachen kombinieren.“ MEIN LIEBLINGSTEIL Mädchen tragen Rosa, Jungen nur Blau? scheidung kann Karin Götz nichts anfan ein Junge, der die Farbe Rot liebt, unbed anziehen? Es gebe natürlich Kinder, den gleichgültig, wie die Klamotten aussehe Hose und Pulli sind bequem. „Aber oft h die Kleinen Persönlichkeit und finden b oder Muster gut.“ Ihr Tipp ist daher, nich denken, sondern die Wünsche der Kind tigen, damit sie sich wohlfühlen in ihrer So hat Karin Götz auch schon einem Kin gen ein Kleid genäht. Die Mutter sagte, unbedingt haben. „Man muss natürlich ob es ein Kind gut aushalten kann, wen von den anderen Kindern einen Spruch zu bekommt.“ Aber dem Jungen hat das Kleid gefallen. Auch der Stoff, den er ausgesucht hat: ein Muster mit Autos. MEIN STYLINGTIPP Karin Götz trägt gerne Schwarz. In ihrem Geschäft hat sie auch farbenfrohe Stoffe, etwa für Mitwachshosen. teht ichel eberga, a kann tze aus ten tragen. Mit solch einer Unter- gen. Warum sollte ingt blaue Sachen en sei es völlig n. Hauptsache, aben auch schon estimmte Farben t in Klischees zu er zu berücksich- zweiten Haut. dergartenjun- er wolle das schauen, n es da- Die Kappe s nicht nur M aus Lönn auch Mi die Mü einer al Jeans gut auch noch dieser Laden um die Ecke frei, eine ehemalige Galerie. Noch so ein Zufall! Und Karin Götz schlug zu. Dass ihre Kleidung nicht für einen Appel und ein Ei zu haben ist, dafür hatten anfangs nicht alle Kunden Verständnis. Weil es Kinderkleidung häufig billig und auch Second Hand gibt. Karin Götz: „Ich habe immer wieder dafür kämpfen müssen.“ Dass das, was sie macht, seinen Wert hat. Mittlerweile pflegt sie ihre Stammkundschaft. „Leu- te, die bewusst einkaufen, die nachhaltige und indivi- duelle Sachenmöchten, die sonst keiner hat.“ Sie brin- gen ihr schonmal kaputte Jeansmit, aus denen sieKap- pen näht, die auch Michel aus Lönneberga gut gestan- den hätten (45 €). Außerdem produziere sie nicht nur für eine Saison. Ihre zeitlose Kleidung könne man jahrelang tragen. Und falls mal doch eine Naht auf- gehen sollte: KarinGötz ist mit ihrer Nähmaschine zur Stelle. Auch Eltern von Zwillingen kaufen gerne bei ihr ein. Denn sie wünschen sich „Ähnliches, aber nicht Gleiches.“ Und eine Hose aus einem Stoff für drei Ge- nerationen hat sie auch schon ge- näht. „Da ich vor Ort produziere, kann ich auf dieNachfrage reagie- ren.“ So auch etwa bei diesemBei- spiel: Die Musselintücher (40 €) verkaufte sie bereits. Musselin, das ist der Stoff, aus dem früherWindelnwa- ren. Und so manches Schnuffeltuch. Schnufflig weich sind die Tücher auch heute. Sie werden von Kleinen und Großen gleichsam gerne getragen. Und nun, in Corona-Zeiten, hörte Karin Götz immer wieder die Frage: HabenSie zumTuch auchdie passendeMaske? Onlineshop: shop.milio-design.de Mehr Auswahl im Laden an der Schillingstraße 21 in Dortmund Von Maren Schürmann (Text) und Bernd Thissen (Foto) Dortmund. Wenn Mädchen oder Jungen neue Klamot- ten brauchen, hat das ja selten etwas mit der aktuellen Mode zu tun. Das Kind ist schon wieder gewachsen! Obwohl Hochwasserhosen selbst von hippenMüttern und Vätern seit einiger Zeit getragen werden: Die Jüngsten sollen sich ja auchwohl- fühlen. Zum Glück gibt es „Mit- wachskleidung“. Karin Götz zeigt eine Pumphose für die Kleinsten (ca. 32 €). „Sie wächst über drei Größen mit.“ Danach können die Kinder sie noch als Knickerbocker tragen. Dazu viel- leicht noch eine Mütze? Die wächst zwar nicht mit, schließ- lich muss sie perfekt sitzen. Aber wenden lässt sie sich: Eine Seite ist lila, die andere zeigt einen Himmel voller Wolken (22 €). Auch für größere Mädchen gibt es bei „Milio De- sign“ in Dortmund Kleider, die dann noch passen, wenn Arme und Beine länger werden. Der Rocksaum sitzt dann halt etwas höher und höher, so dass das Teil irgendwann als Tunika durchgeht. Die Ärmel lassen sich schnell verlängern. Karin Götz’ jüngste Nichte Nele zeigt, wie es geht: Die Achtjährige schiebt das zu- vor umgeschlagene Bündchen einfach auseinander – schon sind die Ärmel des blauen Sweatshirtkleids mit dem floralen Muster länger (59 €). Das sieht so schick aus, dass Karin Götz diese Art Bündchen sogar Kleidern für Damen verpasst, obwohl NatalieBraginawohl keine längerenÄrmelmehr brau- chen wird. Die 47-jährige Kreativtherapeutin, die an diesem Tag als Model wirkt, schiebt die so etwas enger sitzenden Bündchen nach oben – und schon sind die Ärmel locker geschoppt. Das leicht ausgestellteKleid hat KarinGötz in einem schwarz-grauen Stoff genäht (99 €). Aber die Kundin, ob klein oder groß, kann sich stets Farbe und Muster aussuchen. Lediglich für die ganz Jungen bietet sie immer einen größeren Vorrat im Ge- schäft an. Die 50-Jährige zeigt einen der möglichen Schnitte, die sie selbst erdacht hat, und nach etwa zwei Wochen kann man sich sein individuelles Kleidungsstück abholen. Wie etwa das, was Neles zwei Jah- re ältere Schwester Mia trägt: ein Kleid mit Fledermausär- meln, das man gut über der Hose anziehen kann (79 €). Den Schnitt gibt es auch für Frauen. Und Männer lassen sich ebenfalls bei „Milio“ Hosen oder Hoodies anfertigen. Karin Götz verspricht: „Die neuen Stoffe sind alle in Bio-Quali- tät.“ Sie beziehe sie vonGroßhändlern, die in Europa produzierten und mit dem Öko-Siegel GOTS zertifi- ziert seien. Auchdie Stoffe verkauft sie in ihremLa- den für alle, die am liebsten selbst an der Näh- maschine sitzen – so wie Karin Götz. Im November vor zehn Jahren hat sie das Geschäft eröffnet. Dabei war vieles dem Zufall geschuldet. Die Dortmunderin hat zwar schon als Zwölfjährige gerne genäht, aber nach dem Abitur dachte sie: wenn schon Abi, dann auch Studium. Und der Beruf der Architektin klang für sie auch sehr verlo- ckend. Die Zeit am Zeichentisch, auf dem heute in ihrem Geschäft im Kreuzviertel die Nähmaschine steht, hat ihr sehr gefallen. Aber dann war ihr erster Arbeitstag. Und dann hieß es: Zeichenstift fallen las- sen, hier steht ihr Computer. Aber die Arbeit am Bild- schirm ist nicht leicht für jemanden, der gerne etwas mit seinen Händen schafft. Karin Götz: „Es macht einen auf Dauer unglücklich.“ Rund zehn Jahre lang übte sie dennoch diesen Beruf aus. Sie bekam ihren ersten Sohn, ihren zweiten. Und in dieser Elternzeit erinnerte sie sich ans Nähen. „Der alte Traumwar noch inmeinemKopf.“ Sie schneiderte ihrem Jüngsten eine schwarze Nickimütze. Schwarz für Babys? Warum nicht? Doch so ungewöhnlich ihr Design auf manche Mütter wirkte, so begeistert waren andere. Und schon bekam sie die ersten Bestellungen von der Krabbelgruppe. Es wurden immer mehr, sie meldete ihr Gewerbe an, verkaufte ihre Sachen auf einem Markt im Westfalenpark. Die Kunden wollten aber kein No-Name-Produkt – ein Name musste her. „Milio“, die Abkürzung ihres Jüngsten „Emilio“. Da konnte sie ja nicht ahnen, dass die kleinsten Kunden sie später „FrauMilio“ rufenwürden. Und dannwurde „Die Eltern von Zwillingen wollen Ähnliches, aber nicht Gleiches.“ Karin Götz von Milio-Design geht auf Extrawünsche ein SERIE Heute: Milio-Design Klamotten, die mitwachsen Karin Götz hat lange Zeit Häuser entworfen. Heute schneidert die Architektin lieber individuelle Kleidung für die ganze Familie WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 30. August 2020 Seite 63

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