WAZ I Aus dem Nähkaestchen

FUNKE MEDIEN NRW Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Fotos) Essen. Diese Frau mag nicht nur ihren Beruf. Sie mag auch berufstä- tige Frauen, ob sie nun erst mit ihrer Karriere starten oder schon mitten im Berufsleben stehen. „Sie wissen die Arbeit zu schätzen“, sagt die De- signerin Andrea Kürvers. Die 56- Jährige kann wiederum verstehen, dass diese Frauen nicht ewig Zeit haben, durch die Stadt zu laufen, um sich für den Job einzukleiden. Bei ihr bekommen sie auch mal am Abend einen Termin oder am Wo- chenende. Dann können sie wählen, etwa zwischen einem Etuikleid mit pas- sendem Mantel oder einem Anzug mit einer „Marlene“: „Im Moment werden die Hosen wieder weiter.“ Wenn eine Kundin das jedoch nicht mag oder ihr einfach schmalere Ho- senbeine besser stehen, dann passt Andrea Kürvers den Anzug an. Ihr Stil sei zwar immer sichtbar, aber auf die Wünsche der Frauen gehe sie trotzdem ein. Dabei können Be- rufsstarter zunächst mit Hosenan- zug, Bluse und Shirt starten – Klei- SERIE Heute: Andrea Kürvers dung, in der sie sich sicher fühlen – und dann nach und nach dasGanze um Kleid und Mantel ergänzen. „Wahrscheinlich bin ich schon mit Stecknadeln im Mund auf die Welt gekommen“, sagt Andrea Kür- vers über ihre Liebe zu diesem Handwerk. „Ich sehe einen Stoff und will etwas umsetzen, egal, ob ich es verkaufe.“ Ihre Mutter hat einen Näh-Kurs besucht, da war die junge Andrea fünf – und von da an für immer fasziniert. Sie hat ihre Barbie eingekleidet und später ihre Mitschülerinnenmit Gummizugho- sen aus alten Betttüchern. Nach demAbi hat sie eine Schneiderlehre gemacht und schließlich in Düssel- dorf Modedesign studiert. Danach zog sie zu ihrem Bruder nach Ber- lin, um bei einer Designerin ein Praktikum zu machen. Aber sie brach es ab. Sie wollte ihr eigenes Ding durchziehen. „Ich binmit mei- nemVWKäfer zumKaDeWe gefah- renundhabeStoffe gekauft.“ Siehat sich an die Nähmaschine gesetzt und genäht und genäht, bis der Wa- gen voll war. Dann ist sie nach Hau- se gerollt und hat ihren Eltern ver- kündet: „Ich möchte meinen eige- nen Laden.“ Heute gönnt sie sich Home-Office 1989 startete sie in einem kleinen Lädchen in einer Seitenstraße, spä- ter am Rüttenscheider Markt. Zum 50. Geburtstag hat sie sich dann selbst ein Geschenk gemacht: „Ich arbeite zu Hause.“ Nun muss sie nicht mehr zwischen Atelier und Ladenlokal hin- und herpendeln. In ihrem Elternhaus empfängt sie ihre Kunden, die sich vorher telefonisch anmelden. Für sie ist das nichts Un- gewöhnliches. Schon ihr Vater, ein Vertreter für Schuhe, bediente in den Kellerräumen seine Ge- schäftspartner und zeig- te ihnen dort die neuen Kollektio- nen. Trotzdem: „Ich habe schon Angst gehabt, dass es nicht funktio- niert. Schließlich ist das mein Ba- by.“ Doch das entwickelt sich präch- tig! „Ich kann mich auf meine Arbeit konzentrieren.“ Zwei Kol- lektionen macht sie jedes Jahr. Im März präsentiert sie immer ihre Frühjahrsmode. Ein Hosenanzug oder ein Kostüm kostet rund 600 Euro, ein Mantel 500 bis 700 Euro. Neben der Businesskleidung näht sie auch vieles für die Freizeit: Blu- sen und Leinenhosen, Parkas und Streifenshirts. Und edle Abendro- ben. Ein paar wenigeHochzeitsklei- der sind auch dabei. „Für eine Braut, die nicht 3000 Euro für ein Kleid ausgeben möchte.“ Wichtig für Andrea Kürvers: Ein Kleidungs- stück ist nie nur für einenTag gut. So kürzt sie zum Beispiel eine lange Robe und macht sie so alltagstaug- lich. Oder sie wäscht und verdreht die glatte Seide so, dass sie coole Fal- ten wirft – so gecrasht eignet sich das Kleid für den Sommer. Andrea Kürvers bezieht die Stoffe von Großhändlern, die Überpro- duktionen aufkaufen. Ökologische seien zwar nur teilweise darunter, aber viele Naturmaterialien. Dabei achtet sie sehr darauf, ob sich die Textilien gut verarbeiten lassen. „Es gibt nichts Schlimmeres, als fünf Stunden Arbeit an einem Kleidungsstück – und es sieht nicht aus.“ Weil der Stoff nicht die gewünschte Qualität hat. Zeitlos ist ihr Stil. „Ob der Blazer blau ist, schwarz oder rot, ist letztlich egal.“ Der Schnitt ist so, dass man ihn nach vielen Jahren noch tra- gen kann. Andrea Kürvers hat Stammkundinnen. Da- runter sind Frauen, die sie erstmals eingekleidet hat, als sie vielleicht um die 50 wa- ren. Heute, 20, 30 Jahre spä- „Ich bin mit meinem VW Käfer zum KaDeWe gefahren und habe Stoffe gekauft.“ Andrea Kürvers (56) blieb nicht in Berlin, sie machte sich in Essen selbstständig Frau muss mal schnell vor die Tür – hat aber nichts Schi- ckes an? „Mantel überzie- hen!“, rät Andrea Kürvers. Ein edles Teil wie der beigefarbe- ne Trenchcoat mit den raffi- niert gebundenen Ärmeln wertet jedes Outfit sofort auf. Die Trägerin ist mit diesem Kleidungsstück richtig gut an- gezogen. Andrea Kürvers trägt selbst gerne lange Män- tel mit großen Knöpfen – „ein bisschen wie eine Uniform.“ MEIN STYLINGTIPP Andrea Kürvers trägt eine weiße Bluse und dazu einen schicken Mantel – so ein- fach und so wirkungsvoll. ter, bringen sie schonmal einen älte- ren Blazer mit und fragen unsicher: Kann ich denwirklichnoch tragen? „Ja, können sie!“, sagt Andrea Kür- vers dann. „Wichtig ist, dass sich die Dame darinwohlfühlt.“Die Essene- rin bewundert diese Frauen. „Sie haben vielleicht ein paar Fältchen mehr, aber sonst haben sie sich nicht großartig verändert. Es ist schön, das zu sehen“, stellt Andrea Kürvers fest, die heute indemAl- ter ist, wie einige ihrer Kundin- nen, als sie sie das erste Mal eingekleidet hat. Wenn große Modefirmen noch gute Kleidung wegwerfen, findet Andrea Kürvers das „ganz schrecklich“. Sie selbst recycelt mittlerweile auch für ihr Kinderlabel „Laura und Finn“. So verwandelten sich alte Hemden ihres Mannes in einen Bademantel für die Kleinsten (180 €). „Klausi“ ist darauf gestickt. Aber es darf auch der Name des Opas sein, der etwa zur Geburt oder Taufe sei- nes Enkels Hemden für ein persön- liches Geschenk springen lässt. Obwohl Andrea Kürvers heute keine laufende Kundschaft mehr hat: Allein ist sie in ihrem Atelier nie. Paul schaut sie mit treuen Au- gen an. Der Golden Retriever ver- langt nach einem Spaziergang. Auch für Hundeliebhaber hat die Designerin etwas Besonderes ge- näht: eine dunkelblaue Regenjacke, die sich bei einem kräftigen Guss oder imMatsch mit einem leicht zu (ent-)faltenden Überzug in einen langen Regenmantel verwandelt. Schön und praktisch – für Andrea Kürvers, die beim Gassi-Gehen Jeans und Gummistiefel trägt, ist das kein Widerspruch. Lachend be- tont sie: „Ichbinkeine Fashionista.“ andreakuerversmodedesign.de, Kindermode: lauraundfinn.de Andrea Kürvers zieht am liebs- ten eine Bluse an, eine weiße aus Baumwolle, Leinen, Sei- de. „Das war schon immer so. Sie ist bequem, man ist gut angezogen, man kann darin arbeiten.“ Dabei mag die De- signerin nicht nur schlichte Business-Schnitte. Auch eine Tunika gefällt ihr. Oder weite Männerhemden, denen sie zum Beispiel mit etwas Aus- schnitt eine feminine Note gibt. MEIN LIEBLINGSTEIL Früher „Klausis“ Hemden, heute ein Bademantel für die Kleinsten. Andrea Kürvers näht nicht nur Abendroben. Sie kleidet auch Frauen fürs Business ein Anziehendes für die Karriereleiter Anzeige WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 8. März 2020 6 tlg., Serie 4 Sterne UVP 307,- € 149,- € Zwilling Messerblock Series 5 UVP 199,- € 99,- € Rasierer Braun 130 Jahre Gorbahn Ruhrstraße 8 • Witten • www.ragowi.de *außer auf red. Artikel und DPD Feiern Sie mit uns 15% * auf Alles Seite 38

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