WAZ I Aus dem Nähkaestchen

FUNKE MEDIEN NRW Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Fotos) Bochum. Susa Flor ist ganz berauscht von Hanf: „Es fühlt sich ein klein wenig körniger an als Baumwolle, aber man kann es genauso verwenden“, schwärmt die Designerin. „Hanf hat ein schlechtes Image“, sagt Susa Flor. „Man bekommt immer nur die blöde Frage ge- stellt, obman es rauchen kann.“ Dabei kann man Hanf wunderbar tragen. Susanne Flor, die sich Susa nennt, schneidert aus Hanfstoff und anderen ökologischen Textilien Kleidung für ihr gleichnamiges La- bel. Die 52-Jährige hat früher für große Fir- men gearbeitet. Dann bekamsie einen Sohn, Start der neuen Mode-Serie: Jede Woche stellen wir Designer aus der Region und ihre Ideen vor, wie Susa Flor aus Bochum. Sie macht öko-lässige Mode eine Tochter. Und damit änderte sich ihre Sicht auf die Modebranche. „Es gibt so viele Schadstoffe, die man am T-Shirt mit sich rumträgt.“ Schöne Kleidungmuss man doch nachhaltig und fair herstellenkönnen, damit die folgendenGeneratio- nen auch noch gut auf dieser Erde leben, dachte sich die Mutter. Ihr neu- es Ziel: „Green Fashion“ „Anfangs habe ich ge- heult“, erinnert sich die Bochumerin. „Man kriegt ja nichts.“ Mittler- weile würde sich der Markt ändern. Aber auch heute sei es nicht gesagt, dass sie problem- los einen ökologisch hergestellten Stoff in der angesagten Farbe der Saison bekommt. Seit rund fünf Jahren bezieht sie ihre Texti- lien von Anbietern wie „Lebenskleidung“, „Alpstoffe“ oder „C. Pauli“. „Alle sind GOTS zertifi- ziert.“ Also sie sind nach dem „Global Organic Texti- le Standard“ bewertet, der die Herstellung von ökolo- gischen Naturfasern über- prüft. Gestricktes Leinen ist darunter. „Das liebe ich ja, es wird in Deutsch- land hergestellt und sieht aus wie Seide.“ Neugierig ist sie auf Ana- nas. Aus deren Blättern wird mittlerweile at- mungsaktives Leder- imitat hergestellt. „Da tut sich was.“ Sara Uszball zeigt Susa Flors Klei- dung, nicht nur bei diesem Fototermin, sondern auch auf Modeschauen. Die 24-Jährige hat mal bei einemWorkshop von Susa Flor das Nähen gelernt. Aber Mode bleibt für die 1,74Meter große Frau einHob- by. Gerade hat sie ihr Studium beendet, als Bauingenieurin. Der weiße Rock, der Sara Uszball bis übers Knie reicht, ist aus Biobaumwolle. Die Blätter darauf hat Susa Flor selbst gemacht: „Siebdruck.“ Dazu trägt das Model einen schwarzenBlazer mit hochgeschopptenÄr- meln. Der Stoff ist aus re- cyceltem Polyester. Su- sa Flor: „Man kann auch altes Plastik einschmelzen.“ Und daraus Garn machen. Es geht aber noch ökologischer, weil es bei diesem Stoff zum Beispiel keinen schädli- chen Plastik-Abrieb in der Waschmaschine gibt, der am Ende im Wasser und über den Fisch auf dem Tisch landet: Tencel. Das ist eine Faser, die aus natürlichen Rohstoffen hergestellt wird, etwa Eukalyptusholz – und damit ist sie wieder abbaubar. Aus diesem Stoff hat Susa Flor das gelbe Top gefertigt. Sowohl im Büro als auch am Abend Sara Uszbal dreht sich vor der Kamera. „Für mich ist es immer wichtig, dass meine Klei- dung bequem ist“, sagt Susa Flor. „Ich will nicht, dass sich einer verkleidet. Ich mag es nicht, wenn sich einer nicht bewegen kann.“ Ein gutes Beispiel für Bewegungsfreiheit ist die „hochgezogene Marlene“ – eine Hose aus Baumwolle aus kontrolliertem Anbau. Und das am Rücken dreieckig ausgeschnit- tene eisblaue Top aus „gewaltfreier Seide – da bleibenRaupe undFalter amLeben.“Die- se Kleidung könne man sowohl im Büro als auch am Abend anziehen. Darauf achte sie. Und dass alles ihre eigene Hand- schrift trage: „Lässig, auch elegant, aber auf eine sportliche Weise.“ Es müsse nicht so ausse- hen, als ob man stundenlang vorm Spiegel gestanden hätte. „Wenn da ein Zipfel heraus- hängt, ist das eher cool.“ Susa Flor hat ganz klassischmit einer Leh- re als Damenschneiderin in einemAtelier in Essen-Rüttenscheid angefangen. Später stu- dierte sie Mode und Design in Düsseldorf. Von was lässt sie sich inspirieren? „Paris!“ Die Modeexpertin schwärmt: „Die Pariser sehen aus, als ob sie in den Klamotten gebo- ren wären.“ Wenn Susa Flor Zeit hat, fährt sie mit dem Zug in die französische Haupt- stadt. Gern auch mal morgens hin, abends wieder zurück. Dann schlendert sie an den Schaufenstern vorbei, geht shoppen. „Warst du nicht gerade erst da?“, fragt Sara Uszball. „Ich könnte schon wieder fahren“, antwor- tet Susa Flor lachend und gibt zu: „Ich war noch nie in Berlin.“ Wer Susa Flors Tencel-Top (r., 99 Euro), Rock (rund 200 Euro) oder Blazer (um die 299 €) tragen möchte, kann nicht einfach in ein Geschäft gehen. Einen Laden oder einen Online-Shop, hat sie nicht. „Es gibt auch kein Lager – wenn der Stoff weg ist, dann ist er weg.“ Aber wer der Modeschöpferin eine Mail schreibt, kann mit ihr Wünsche besprechen. Meist setzt sie sich dann selbst an die Nähmaschine und stellt die Kleidung in der Regel in ein, zwei Wochen fertig. „Ich bin ein La- bel imAufbau“, erklärt sie ihr Vorge- hen. Sie möchte bekannt sein, be- vor sie ein Geschäft eröffnet. Der Vorteil für die Kundinnen: Die Pul- lis und Jacken sind zwar keine Unikate, aber da es sie nicht „von der Stange“ gibt, tragen nur weni- ge Frauen die Kleidung. Wer sind ihreKundinnen?WelchenTypFrauhat Susa Flor vor Augen, wenn sie ihre Kleidung ent- wirft? „Schwierig zu sagen. Frauen wie Sara ziehen meine Sachen an, aber auch Frauen über 50. Selbstbewusste Frauen.“ Darunter sind welche, die offen sind für Hanf. „Das ist extremöko“, betont Susa Flor noch einmal. Hanf benötige viel weniger Wasser als zum Beispiel klassische Baum- wolle. Auch müsste man die Pflanzen nicht mit schädlichen Chemikalien bespritzen, schließlich enthielten sie immer noch ein wenig von dem berauschenden Wirkstoff THC. „Da gehen viele Schädlinge nicht dran.“ susaflor.de ; info@susaflor.de Jede Woche fragen wir Designer nach ihrem ganz persönlichen Stylingtipp. Susa Flor rät: „Gucken Sie in Ihren Kleiderschrank!“ Das klingt merkwürdig, aber meist stecken da noch mehr Schätze drin, als man meint. „Ich nehme auch für Modeschauen gerne ein, zwei Sachen aus der alten Kollektion .“ Bevor man sich also ganz neu einkleide, könne man lieber ein Teil kaufen und mit Kleidungsstücken kombinieren, dieman bereits besitzt. Das sei viel nachhaltiger. „Es gibt mittlerweile auch gute Secondhand-Läden.“ Farbe sollte man dabei streuen . „Ich mag kein Outfit, das komplett Ton in Ton ist.“ Auch bei den Schnitten empfiehlt sie den Mix. Weite Pullis zu weiten Röcken können auf dem Laufsteg toll aussehen. Aber an einer kleinen Frau? Lieber einen weiten Blazer zu einer schmalen Hose tragen – oder umgekehrt. MEIN STYLINGTIPP Designerin Susa Flor mit ihrem Lieblingsrock. Der blaue Pullover stammt aus ihrer Kollektion. Ein Blatt – am Hosenbein. Das Detail macht das Outfit besonders. (Sonnenbrille von „Frau Feller“). Das Lieblingsteil In jedem Kleiderschrank hängt mindestens ein Lieb- lingsteil, das man niemals wegwerfen würde. Für die Designerin Susa Flor ist das ein langer weißer Rock. „Der ist herrlich sommerlich.“ Seit rund 20 Jahren ist das Kleidungsstück ihr Begleiter. Der Preis war heruntergesetzt, so hat sie spontan zugeschla- gen. Der Rock ist von der Firma Hurley – „eine alte Skater- und Surfermarke.“ Knubbelig und gecrasht sieht der Stoff aus. Und genau so – lässig und nicht zu stark gestylt – mag es Susa Flor. „Der Rock ist bequem, der sieht super-süß aus – den schmeiß ich nicht weg.“ Im Gegensatz zu einem Kostüm aus den 1980ern, für das sie lange gespart hatte. 1500 DM hat es da- mals auf der Düsseldorfer Kö gekos- tet. Schwarz, Schulterpolster, golde- ne Knöpfe – 80er-Jahre halt. „Heute denke ich: ,Du kannst doch nicht dein einziges Chanel-Kostüm weg- schmeißen!’“ Zu spät. Zu ihrem Lieblingsrock trägt Su- sa Flor gerne hohe Schuhe und ein T-Shirt oder eine schmale Jacke. Für das Foto ist sie in einen Pulli aus ihrer aktuellen Kollektion ge- schlüpft, der schöne weite Ärmel hat. Seitlich zeigt eine gehäkelte Kordel eine Friedenstaube. „Für mich ist es immer wichtig, dass meine Kleidung bequem ist.“ Susa Flor (52) über ihr gleichnamiges Label Sara Uszball (r.) zeigt eisblaues Top zu „hochgezogener Mar- lene“ von Susa Flor. auf unserer Haut SERIE Heute: Susa Flor aus Bochum SYMBOLFOTO: GETTY, MONTAGE: LISA DIESSNER am Sonntag WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 23. Juni 2019 Seite 04

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