WAZ I Aus dem Nähkaestchen

FUNKE MEDIEN NRW FOTO: INGO OTTO / FUNKE FOTO SERVICES Bequeme Mode von der Couch Katja Schmidt kreiert Schnittmuster und verkauft sie online. Ihre Kundinnen können so Kleider selbst nähen – und sich zudem von Kreativideen inspirieren lassen Als Katja Schmidt mit „Kashai“ gestartet ist, brauchte sie nach Stunden des Den- kens und Machens am Abend einfach et- was, um wieder runterzufahren. Und das gelingt ihr am besten beim Stricken, zu- mindest beim „Doofmannstricken“, sagt sie lachend. „Ich habe einfach nur glatt rechts gestrickt, ohne Maschen zählen zu müssen oder auf ein Muster zu achten.“ So entstand mit ihrem Label Abend für Abend dieser Schal. Das Lieblingsteil lässt sich gut mit vielen Sachen kombinieren, da die Schurwolle zwar bunt ist, aber nicht aufdringlich. „Das sind alle Farben, die ich mag, wie Altrosa oder Gelb.“ MEIN LIEBLINGSTEIL Der Schal erinnert Katja Schmidt an die Anfangszeit von „Kashai“. wenden und zum Beispiel eine gehäkelte Tasche auf eine Hose setzen. So ist ihre Internetseite nicht nur ein On- line-Shop, sondern zudem ein Kreativblog, in dem sie auch kostenlos Tipps gibt, zum Beispiel für die Ein-Abend-Mütze – das ist eine Häkelidee, die sich schnell umsetzen lässt. Oder den „Seelenwärmer“ – eine Ku- scheljacke, die man sich aus Wolle strickt. „Mit Nadel 10, die ist ziemlich dick und des- halb geht es auch schnell und du bist ratzi- fatzifertig.“DieNähanleitung für den süßen Kinder-Rucksack „Hoppelhase“ mit langen Löffeln und Stummelschwänzchen ermög- licht ein schönes Geschenk zu Ostern. Und dann traf Frau Schmidt eines Tages Frau Kohl. Die 47- Jährige besitzt das gleichnamige Lädchen in Bochum für schöne Dinge und Stehrum- chen – „ein Schnippedippes- fachgeschäft“, sagt Steffi Kohl lachend. Und kaum sahen sich die Frauen, da sprudelten schon die Ideen. Erst zöger- te Katja Schmidt noch, aber dann ging es im Früh- jahr 2019 „zack, zack“. „Inner- halb von zwei Tagen hatten wir unsere Fir- ma.“ Sie nannten sie „Koka“ (Ko von Kohl und Ka von Katja). Armbänder und Le- dertaschen Seitdem näht Katja Schmidt auch Arm- bänder (ab 19,95 €). Das sind kleine krawattenför- mige, kunterbunte Stoffe, die sich ums Handgelenk schnallen lassen. Schön angenehm zu tragen – imGegensatz zu vielen Armreifen stören sie nicht beim Tippen amComputer. Auf Nachfrage fertigt sie individuelle Armbänder an, etwa aus dem Stoff eines Hochzeits- kleides, das eine Frau nach dem großen Tag somit noch lange tragen kann. Ferner lässt Koka kleine Umhängetaschen produ- zieren, in die je ein Smart- phone passt, ein Schlüssel, etwas Geld (44 €). Der Schriftzug „Office to go“ ist im Inneren zu lesen. Auch die Taschen sind in ver- schiedenen Farben erhält- lich: Blau, Grau, Rot, Senf- gelb. . . Woher das Leder kommt, kann Katja Schmidt nicht genau sagen. Sie hat den Prototyp genäht und lässt die Taschen nun in Italien produ- zieren. Aber seit einiger Zeit gebe es wegen der Corona-Krise Lieferprobleme. Sie plant derweil eine größere Tasche, in die auch ein Tablet passt. Auf der steht dann wiederum: „be unique“. Dabei wird es nicht bleiben. Denn Katja Schmidt hat noch mehr Ideen. „Ich kann mich nicht auf die Couch setzen und nichts machen“, sagt sie und schnappt sich ein Wollknäuel. Die Schnittmuster und Designerstücke, darunter zum Beispiel die senfgelbe Ja- cke „Sheru“ mit Strickbündchen (149 €, Foto oben) gibt es online bei kashai.de. Über die Seite kommt man auch zum Koka-Shop. Der Laden „Frau Kohl“ an der Ruhrstraße 2 in Bochum ist zurzeit wegen der Corona- Krise geschlossen. Feine Stoffe mit Grobstrick kombinieren, dazu rät Katja Schmidt. Als Beispiel zeigt sie diesen Materialmix: ein gestrickter „Seelenwärmer“ (Anleitung im Internet) aus di- cker Wolle zum dünnen Blusen- kleid „Yoi tomo” (gute Freundin). Das Schnittmuster für das Blüm- chenkleid sieht eigentlich Taschen vor, da der Stoff jedoch etwas durch- sichtig ist, hat Katja Schmidt es abge- wandelt und ein Unterkleid eingenäht. Perfekt wird der Stilbruch, wenn man zum schicken Outfit nicht elegante Schu- he trägt, sondern robuste Boots. MEIN STYLINGTIPP Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Fotos) Bochum. Nachmachen erwünscht! Wann hört man schon mal so etwas von einer De- signerin? Aber Katja Schmidts Kleider und Jacken gibt es, bis auf ganz wenige Einzel- stücke, nicht zu kaufen. Wer sie haben möchte, muss schon selbst kreativ werden. Aber das geht ganz bequem von zu Hause aus. Denn die Schnittmuster, die die 49-Jäh- rige anbietet, sind alle online abrufbar. Sie fühlt sich in Nähanfänger ein Mit Schnittenkennt sie sich aus. DieBochu- merin hat nach ihrer Schneiderlehre zu- nächst Design inDüsseldorf studiert, an der damaligen Modeschule Schloss Eller. Da- nach fing sie bei der Firma Steilmann an, al- lerdings nicht als Designerin, sondern als Schnittdirektrice. „Man bekommt Zeich- nungen vondenDesignernundmacht dann den Erstschnitt dazu“, erklärt sie ihre frühe- re Arbeit. Als sie Mutter von zwei Söhnen wurde, verdiente sie ihr Geld mit selbstge- nähter Kleidung auf Märkten. „Meine Mut- ter hat eine Töpferei, meine Schwester hat gefilzt – zusammen haben wir Ausstellun- gen gemacht.“ Aber mit zwei klei- nen Kinder war das stressig. Außerdem: „Die Leute wollen nicht so viel Geld für Handwerk ausgeben, das hat sich dann nicht mehr gelohnt.“ Schließlich gab sieNähkurse. Dort sam- melte sie viele Erfahrungen, die ihr heute von großem Nutzen sind, wenn sie sich in die Köpfe von Anfängern an der Nähma- schine denkt. Dass ihr das mal sehr helfen würde, war ihr damals jedoch nicht be- wusst. Denn es war noch ein langer Weg zu ihrem eigenen Label. Zwischenzeitlich ver- diente sie ihr Geld bei einemVersicherungs- makler. „Das war gar nichts für mich.“ Dann gab ihr „kleiner Bruder“ Tobias Dan- nappel, der die „Grillakademie Ruhr“ leitet, sich also eher mit Fleisch als mit Stoff aus- kennt, den entscheidenden Stups: „Verkauf doch deine Ideen! Das geht von der Couch aus.“ Und so fing Katja Schmidt an, ihr eigenes Online-Geschäft aufzuziehen. Eineinhalb Jahre lang entwickelte sie ihre ersten Ideen und bestückte ihre Internetseite, bevor sie imWinter 2017 richtig durchstartete. Heute sind online nicht nur die Schnittmuster ab- rufbar, sondern auch Erklärvideos, die sie selbst dreht – und schneidet: Kapuzen nä- hen, Ärmel einsetzen, Falten einlegen. „Farbwechsel“ wollte sie zunächst ihre Marke nennen. Aber da hielt wieder der „kleine Bruder“ das Stopp- schild hoch. Da denke man ja viel zu sehr an Lacke, das sei kein guter Google-Such- begriff. Alsoüberlegte sie, für was ihre Kleidung steht: „Schlichte Schnitte, klare Li- nien – da bin ich auf Japan gekommen.“ Das Wort „as- hai“ bedeute untergehende oder aufgehende Sonne. „Bei mir geht die Sonne na- türlich auf“, sagt Katja Schmidt lachend. Sie setzte noch das K ihres Vornamens hinzu und „Kashai“ war ge- boren. „Ich fand, das klang schön.“ Ebenso für Fortgeschrittene Von da an bekam auch jedes Schnittmuster einen meist japanischen Namen. „Alle ha- ben eine Bedeutung.“ Wie zum Bei- spiel der Rock „Tanni“ (3,99 €). Das bedeute übersetzt: „einfach“. Das passt, denn das trapezförmige Stück mit Gummizug ist für Anfänger ge- dacht. Jedes Schnittmuster im Internet zeigt anhand von Sternchen-Vergabe, wie viel Vorerfahrung nötig ist. Da finden sich auch Kleider, für die man schon mehr Übung an der Nähmaschine braucht. Alle Schnittmuster kann man sich entweder als DIN A0 von einem Plotservice ausdrucken lassen oder selbst im DIN A4-Format. „Dann klebt man die Zettel zusammen.“ Katja Schmidts Zielgruppe sind berufstä- tige Mütter. Die Designerin weiß aus eige- ner Erfahrung, dass sie nicht nur schicke Kleidung brauchen, sondern auch beque- me, die nicht einengen, wennman sichnach der Arbeit zum Spielen hinhockt. Anleitung für Hasenrucksack zu Ostern Dabei ist ihr wichtig, dass die Kundinnen nicht einfach nur nachschneidern. So kön- nen sie selbst wählen, welches Muster sie nehmen möchten oder ob der Stoff Bio- Qualität hat. Auf Katja Schmidts Internet- seite liest man immer wieder „be unique“, wenn sie Tipps gibt, wie man ein Kleidungs- stück einzigartig macht. Manchmal werden die Ideen aus der Not geboren – und begeis- tern. So fehlten ihr mal die zur Jacke farb- lich passenden Bündchen, „aber ich hatte die passende Wolle.“ Und so strickte sie schöne Ärmelenden. „Ich möchte, dass die Leutemutig sind, mal anderesMaterial neh- men.“ Oder auch andere Techniken ver- Heike Mirbach, eine Freundin der Designe- rin, trägt Kleid und Jacke von „Kashai“. SERIE Heute: Kashai und Koka aus Bochum Für das zweite Label „Koka“ fertigt Katja Schmidt Armbänder an. Auch Ledertaschen gibt es im On- line-Shop WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 22. März 2020 Seite 40

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