WAZ I Aus dem Nähkaestchen

FUNKE MEDIEN NRW Köln. Kannman in der Corona-Krise noch fair und umweltbewusst Klei- dung herstellen? Oder sind die Öko-Labels zurzeit sogar besser ge- wappnet als konventionelle Her- steller wie etwa Esprit? Die Mode- marke aus Ratingen musste jetzt In- solvenz anmelden. Maren Schür- mann sprach mit Martin Höfeler . Der 37-Jährige kommt gebürtig aus Es- sen und ist Chef von „Armedangels“ in Köln, einer der größten nachhal- tigenMarken des Landes mit einem Jahresumsatz von rund 35 Millio- nen Euro. Armedangels ist nicht nur umwelt- bewusst. Sie schreiben sich auch auf die Fahne, fair zu produzieren. Was heißt in der Corona-Zeit, fair zu sein? Martin Höfeler: Wir haben gesehen, dass unsere Lieferanten Probleme bekommen, weil sehr viele ihrer Kunden ihre Aufträge storniert ha- ben. Wir haben gesagt, das kann nicht der Weg sein. Es kann nicht sein, dass die Probleme einfach wei- tergegeben werden. Der Einzel- händler kannnichtmehr verkaufen, gibt das Problemweiter an den Her- steller und der an die Produktions- partner. Und dann werden, wie wir in Bangladesch gesehen haben, so- fort die Menschen massenhaft auf die Straße gesetzt. Deswegen haben wir gesagt, gerade in so einer Zeit gilt es, Haltung zu bewahren. Wir haben unsere Lieferanten infor- miert, dass wir unsere Order nicht stornieren. Und haben darauf viel positives Feedback erhalten. Wir haben zudem überlegt, wie wir die Arbeitsplätze sichern können. Und dann kamen Anfragen, ob wir auch Masken produzieren. In der Textilbranche stürzen sich jetzt viele auf die Masken, weil da die Nachfrage groß ist. Ist das der Rettungsanker? Das glaube ich nicht, dafür reicht der Umsatz auch nicht. Es ist zwar wenig Stoff, aber viel Handarbeit, die auch bezahlt werden muss. Wir lassen unsere Masken in Portugal produzieren. Zwei Euro von jeder verkauften Maske gehen an Ärzte ohne Grenzen. Es gibt so vieleMen- schen in der Welt, die keinen Zu- gang haben zu einem Gesundheits- system, wie wir es kennen. Unser Ziel sind eine Million Euro für die Hilfsorganisation. Aber auch Sie müssen rechnen. Die Shops in Deutschland, die schlie- ßen mussten, werden ja auch bei Ihnen stornieren. Wir haben mit den Einzelhändlern gesprochen, wie wir das gemeinsam schaffen. DieNachfragewird jawie- der steigen. Außerdem konnten wir einiges online verkaufen.Wir haben nicht wie viele große Firmen E- Commerce vernachlässigt, wir wa- ren anfangs sogar ein reines Online- Unternehmen. Außerdem sind wir nicht trendorientiert, sondern set- zen auf Langlebigkeit. Wir können ein Produkt aus dem Sommer 2020 auch gut im nächsten Jahr verkau- fen – warum nicht? Ist das der Vorteil der nachhaltigen Labels in der Krise, dass sie in der Regel zeitlose Mode herstellen? Es gibt ein grundsätzliches Problem in der Modebranche und das ist die Überproduktion. Es wird viel mehr produziert, als an Nachfrage da ist. Jeder Trend wird aufgegriffen und möglichst schnell produziert. Dem Konsumenten wird vermittelt, wenn er nicht heute etwas Neues kauft, ist er morgen schon wieder out of Fashion. Firmen wie H&M oder Zara bekommen alle zwei Wo- chen neue Trends in den Laden. Undwenn der sechsWochen schlie- ßen muss, geht da einiges verloren. Das ist unser Vorteil, dass wir nicht nur für die nächstenWochen produ- zieren. Es geht doch darum, eine gu- te Jeans zu haben, ein gutes T-Shirt, eine gute Jacke. Sicherlich wünscht man sich da eine gewisse Farb- frische. Aber muss das heute Rü- schen haben und morgen Schulter- klappen und übermorgen Leder- schnüre? Aus meiner Sicht nicht. Sie wollten in diesem Jahr eigent- lich damit beginnen, aus alten T-Shirts neue zu machen. Was ist aus diesen Plänen geworden? Wir wollen ein kreislauffähiges Unternehmen werden. Das ist aus unserer Sicht der einzige richtige Weg für die Zukunft. Leider ist es durch die Krise etwas in Stocken ge- raten. Bei unserem Produktions- partner in Portugal müssen unter anderem noch Maschinen einge- stellt werden, dafür müssen Inge- nieure dorthin reisen, für die es Rei- sebeschränkungen gibt. Das Projekt pausiert. Aber wir halten an unse- rem Ziel fest. Wir werden T-Shirts machen, die zu 50 Prozent aus alten Produkten bestehen. Ein höherer Anteil geht zurzeit noch nicht, wenn man ein gutes Garn für ein langlebiges T-Shirt haben will. Aber wir wollen den Anteil an neuen Fa- sern weiter reduzieren. Bei Innova- tionen geht es ja immer darum, den ersten Schritt zu machen. SERIE Heute: Armedangels Behelfs-Mund-Nasen-Maske: Von den zehn Euro gehen zwei an „Ärz- te ohne Grenzen“. FOTO: ARMEDANGELS Die Nachfrage nach Joggern steigt Nachhaltige Labels in der Krise FOTO: ARMEDANGELS Grün ist die Hoffnung Wie gehen nachhaltige Labels mit dem Lockdown um? Ein Gespräch mit Martin Höfeler, Chef der Modefirma „Armedangels“, über faires Wirtschaften in der Krise „Es kann nicht sein, dass die Probleme einfach weiter- gegeben werden“, so Martin Höfeler von „Armedangels“. Christina Brause von „Róka“ in Duisburg hat zwar ihren Laden wieder geöffnet, sagt aber: „DieLeu- te können gerne weiter online be- stellen.“ Sie bietet die Kleidung ver- sandkostenfrei an und legt gratis einen Fuchs-Beutel dazu – als Dan- keschön für die Treue zum nun fünf Jahre alten veganen Label. Die So- forthilfe vom Staat hat die 35-Jähri- ge nicht beantragt. „Da bin ich skep- tisch.“ Bisher funktioniere es ohne Finanzspritze. Aber wie das aus- sieht, wenn die Märkte nicht statt- finden, auf denen sie sonst ver- kauft? Die Nachfrage habe sich bei ihren Kunden, die ja nun oft zu Hause sind, auf jeden Fall geändert. „Eswerden besonders viele Jogging- hosen bestellt.“ „Wir sind eine ganz kleine Branche – undwir Rebecca Kerkhoff von „Nati- ve Souls“ in Essen (r.). Links: Jogginghosen von Róka in Duisburg. FOTO: INGO OTTO, RÓKA sind das Kämpfen gewöhnt“, sagt Rebecca Kerkhoff, die in Essen und Bochum Läden für Fairfashion be- treibt, einen Online-Shop hat und selbst in Sri Lanka produzieren lässt. Die 43-Jährige schwankt zwi- schen Optimismus und Verzweif- lung. Die Umsatzeinbußen seien riesig, da reiche auch die Soforthilfe nicht. Der Staat müsse den Mittel- stand, der keine Rücklagen habe, stärker unterstützen. Die Konsu- menten seien verständlicherweise zurzeit vorsichtig, das Sterben des stationären Handels käme dadurch jedoch immer näher... Der Online-Handel habe „Green- bomb“ nicht gerettet, so auch Hol- ger Wach, Inhaber des grünen La- bels. Der Essener macht, wie bereits berichtet, aus Shirts nun Masken. Eine herausfordernde Zeit, aber auch eine lehrreiche. So hat der 47- Jährige kürzlich ein Foto-Shoo- ting inPolen über Skype von seinem Büro aus gesteu- ert. „Das werden wir wieder so machen.“ Das spare Zeit, Ho- telkosten, die Anrei- se mit dem Flieger – und das wiederumschüt- ze die Umwelt. Anzeige WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 3. Mai 2020 Seite 46 Jetzt schnell und einfach zur Glückwunsch-Anzeige: anzeigen.funkemediennrw.de • Tel. 0201/804 2441 IMMER WAS ZU FEIERN?

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