WAZ I Aus dem Nähkaestchen
FUNKE MEDIEN NRW Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Fotos) Düsseldorf. Eine sehr lange Reise würden sie machen, erzählte die Mama. Aber als Fünfjährige hatte GisaGolpira keine Vorstellung vom anderen Ende der Welt. Wenn die 35-Jährige heute daran zurück- denkt, an den ersten Moment, als sie in Lima landeten, dann sieht sie vor ihrem inneren Auge einen Af- fen. Der Lebenspartner der Mutter hatte ihn einem Straßenmusikan- ten abgekauft – und nun sollte er ihr Wegbegleiter sein, wenn die Patch- workfamilie in den Dschungel ging, um dort nach Gold zu suchen. „Es war der gleiche Affe, den damals Pippi Langstrumpf hatte“, erzählt Gisa Golpira von ihrem Glück. Da war für das Mädchen klar: „Peru, ich kann dich gut leiden.“ Mutter und Tochter haben nun zusammen ein sehr persönliches Buch über diese Zeit geschrieben: „Dschungelleben. Wie ich der Zivi- lisation den Rücken kehrte und als Goldgräberinmit meiner Tochter in den Urwald zog“. Ariane Golpira arbeitet als Model, bevor sie ihre große Liebe Michael kennenlernt. Der ehemalige Designer ist da be- reits Goldwäscher – „aus Liebe zur Natur, nicht aus Profitgier“. Sie spürt: Das ist es! Sie tauscht High Heels gegen Gummistiefel und nimmt ihre Tochter mit. Dafür ern- tet sie nicht nur Lob. Das Mädchen soll schließlich eingeschult werden. „Meine Mutter war richtig fleißig und ich war richtig genervt, weil ich ganz viel lernenmusste“, erzählt Gi- sa Golpira lachend. Sie darf mit ihrem Affen spielen, nachdem sie das Alphabet geübt hat. Sie kann sich an Lianen über den Fluss schwingen, nachdem sie gerechnet hat. Spielzeug gibt es nicht. Wozu auch? „Da war ja so viel zu entde- cken. Wie lange ich auf den Steinen lag und Schmetterlingen zugeguckt habe!“ Lediglich auf dieKakerlaken hätte sie gut verzichten können. Nach zwei Jahren kehren sie zu- rück nach Deutschland. Das Mäd- chen ist froh, endlich wieder ihren leiblichen Vater zu sehen. Bei ihm soll sie leben und die Schule besu- chen. Dann heißt es wieder Ab- schied nehmen: DieMutter fährt er- neut auf Gold-Expedition, für acht bis zehnMonate. Diese Trennungen sind traurig. „Aber so geht es jedem, bei dem ein Elternteil im Ausland arbeitet.“ Das ist ihre Normalität, bis Gisa 16 Jahre alt wird. Dann bit- tet sie die Mutter zu bleiben. „Nach dem Abitur hat mich das Fernweh gepackt und ich bin auch drei Jahre gereist. Aber ich wollte mein eigenes Ding machen, schau- en, was mir die Welt zu bieten hat.“ Australien, Thailand, Bali. Sie wird Tauchlehrerin, arbeitet als Model. Schließlich studiert sie an der Hochschule Niederrhein in Mön- chengladbach Bekleide- und Mode- management. In einem großen Ber- liner Kaufhaus startet sie ihre Kar- riere. Aber wie zuvor ihre Mutter spürt auch sie: Es fehlt etwas! Sie wirft alles hin, geht nach Düssel- dorf, kellnert und grübelt:Was nun? Als ihre Mutter von einer Expedi- tion in Papua Neuguinea zurück- kehrt, gibt die studierte Tochter Tipps, wie man das Gold besser ver- markten könnte. Bis ihre Mutter meint: Mach es selber! „Das Konzept war die ganze Zeit schon in meinem Kopf“, sagt Gisa Golpira. Und so entwickelt sie 2014 in wenigenMonaten ihre Schmuck- marke. Sie zeichnet, sucht sich einen Goldschmied in Düsseldorf, dermit denGoldnuggets derMutter arbeiten kann. Heute verkauft sie in Berlin, Paris, New York – und berät Kunden über ihren Online-Shop. Auf der ganzen Welt hat man bis- her so viel Gold gefunden, dass es in einen 21 Meter breiten wie hohen Würfel passen würde, erklärt Gisa Golpira. Doch nur drei mal dreiMe- ter sei der Würfel klein, der den An- teil an Gold-Nuggets ausmache. Das sind Klümpchen, die nicht von einer Scheideanstalt wie beim Fein- gold aus Partikeln zusammengefügt werden. Hier hat allein dieNatur ge- formt und geschliffen – und auch Golpira verändert sie nicht. Sie setzt sie auf einen filigranen Ring, fügt sie zum zeitlos schönen Anhänger zu- sammen, der vielleicht mal vererbt wird. Start-Preis: 500 Euro. Die Natur liegt ihr sehr am Her- zen. Der konventionelleGoldabbau zerstöre die Umwelt. Chemie lande im Trinkwasser. „Das ist kriminell!“ Deshalb recycelt Gisa Golpira Fein- gold für die Ringe und Ketten oder verarbeitet nur welches, das auf na- türliche Weise gefunden wird, etwa in Finnland. Als sie von den katast- rophalen Bränden imAmazonasge- biet erfährt, bringt sie eine neue Kol- lektion heraus, deren Erlös sie kom- plett spendet, an die Organisation: „Rettet den Regenwald“. Der Schmuck: golpira.de ; das Buch: Ariane und Gisa Golpira: Dschungelle- ben, riva Verlag, 224 S., 19,99 € „Wie lange ich den Schmetter- lingen zugeguckt habe!“ Gisa Golpira über ihre Kindheit SERIE Heute: Golpira Gisa Golpira war sieben Jahre alt, als ihre Mutter zurück in den Dschungel ging und sie selbst beim Vater in Düsseldorf blieb. Zum Ab- schied schenkte die Mutter ihr eine Kette. Der Anhänger: das erste Goldnugget, das die Mutter gefun- den hat. „Ich trage ihn seitdem um meinen Hals“, sagt Gisa Golpira. Nur einmal hätte sie den Anhänger fast verloren, als sie die Kette in der Schule beim Sport ablegen musste. Ein Schock. Der Anhänger ist zwar nicht ihr wertvollster Schmuck, aber für sie ist er „unbezahlbar!“ MEIN LIEBLINGSTEIL Ein weißes T-Shirt, eine gute Jeans, ein toller Blazer, eine Lederjacke – Gisa Golpira investiert gerne in gute Basics. „Ich habe mir vor zwei Jah- ren zum ersten Mal eine Designer- tasche gekauft“, so die 35-Jährige. In der Farbe Schwarz, weil die zu al- lem passt. Die hochwertigen Basics trägt sie jahrelang. „Ich könnte al- les in einen Rucksack packen und bin immer gut angezogen“, freut sich die Designerin. Und wenn sie dann doch Bock auf einen Trend habe, auf „bunte Latschen“ etwa, dann ergänze sie das einfach. MEIN STYLINGTIPP Zum Abschied: eine Kette mit dem ersten Goldnugget der Mutter. Kindheit im Dschungel: Eins der wenigen Bilder aus der Zeit in Peru zeigt Gisa Golpira (l.) mit ihrer Mutter und weiteren Goldsuchern. FOTO: GOLPIRA Geschmeide aus Dschungel-Gold Als Fünfjährige begleitet Gisa Golpira ihre Mutter nach Peru, die dort ihr Glück beim Goldsuchen findet. Davon erzählen beide in einem neuen Buch. Heute lebt die Tochter in Düsseldorf und designt Ringe und Anhänger Gisa Golpira – heute nicht mehr mit einem Affen auf der Schulter, dafür ist Hündin Pepper an ihrer Seite. Anzeige WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 10. Mai 2020 Seite 47
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