WAZ I Aus dem Nähkaestchen
FUNKE MEDIEN NRW Schuhe, Gürtel, Armband – Thorsten Maaß empfiehlt, al- les in einer Farbe zu tragen. Kunden bringen oft Schuhe mit, zu denen er das passende Leder für den Gürtel aussucht. Und wer mag, nimmt noch et- was Leder mit, um sich daraus von Uhren-Experten ein Arm- band anfertigen zu lassen. MEIN STYLINGTIPP Thorsten und seine Frau Sabine Maaß in ihrer Gürtelmanufaktur in Mülheim. Der Kunde kann zwischen verschiedenen Ledersorten und Verschlüssen auswählen, bevor der Fachmann den Riemen per Hand zu- schneidet, poliert, vernäht. Zum Abheben: Original-Flugzeug-Verschlüsse als Schnallen. Bevor sich Thorsten Maaß selbstständig gemacht hat, arbeitete der gelernte Kfz-Me- chaniker bei der Mülheimer Lederfabrik Lindgens – ge- nauso wie sein Schwiegerva- ter. Und der schenkte ihm eine Rindshaut. Maaß, der ungern Anzug trägt, ließ sich daraus eine Weste anfertigen – es ist das erste hoch- wertige Leder- teil, das er je besessen hat. „Die Weste begleitet mich seit 22 Jahren.“ MEIN LIEBLINGSTEIL Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Fotos) Mülheim. Wenn man am Schreib- tisch sitzt, dann kneift er. Wenn man durchs Büro geht, dann rutscht er. Genau das Gegenteil soll ein guter Gürtel tun: nicht ein- engen und trotzdem halten, ohne dass man ständig die Hose hoch- zieht, so ThorstenMaaß, der in sei- ner Mülheimer Manufaktur „Le- benswerk“ maßgeschneiderte Gürtel anfertigt. Bevor er ans Leder geht, hört er sich die Wünsche der Kunden an: Wie breit soll der Gürtel sein?Wie lang? Jede Wohlfühllänge sei mög- lich, wobei der 46-Jährige den Rie- men so durchlöchert, dass das En- de des Leders noch ein Stück hin- ter der ersten Hosenschlaufe her- vorschaut. Dann sitzt der Gürtel perfekt. Der Kunde kann zwischen ver- schiedenen Ledersorten wählen. Statt Schwarz sind wieder Braun- töne gefragt. „Ein cognacfarbener Gürtel zu Jeans fällt sofort ins Au- ge“, so Maaß. Man kann auch mit einer farbigen Naht Akzen- te setzen. Oder direkt zu farben- frohemLeder greifen: Rot, Gelb, Türkis. . . ThorstenMaaß’ Frau Sa- bine (45) trägt einen breitenGürtel in Pink. Mit demVerschluss haben sich früher Menschen in einem Flugzeug angeschnallt. Maaß ver- wendet dafür nur Flieger-Originale und verarbeitet sie so, dass ein Ver- stellen noch möglich ist, wenn man mal ein Pfund mehr oder we- niger auf den Rippen hat. Die meisten Schnallen kauft er zu, aber manche schweißt er selbst in einer kleinenWerkstatt in Ober- hausen. Und zwar einen Ver- SERIE Heute: Lebenswerk in Mülheim Thorsten Maaß fertigt maßgeschneiderte Gürtel an. Der Mülheimer erklärt, was einen guten Riemen ausmacht schluss aus Schraubenmuttern oder den Ruhrpottriegel. Der Stahl-Verschluss zeigt Schlägel und Eisen, in die er echte Kohle- stückchen einlässt. Nun hat ihm ein Bergmann geschrieben, ob er das auch mit Salz machen könne. Denn er sei unter Tage – im Kali- bergbau. Gesagt, getan. Passend dazu nimmt Maaß 80 bis 100 Jahre altes Leder, das schon Maschinen angetrieben hat: „Transmissions- riemen“. Zwei Tage braucht er, bis solch ein Gürtel fertig ist. Ein Gürtel betone auf angeneh- me Weise die Körpermitte, so Maaß. Und das nicht nur bei schlanken, sondern auch bei fülli- genMenschen– „wirmachenauch Überlängen“. Statt einShirt umdie Hüften schlabbern zu lassen, emp- fiehlt er, dieMitte mit einer großen Schnalle zu betonen. Rechts und links könne das Shirt ja trotzdem locker über denHosenbund fallen, aber insgesamt würden durch die- sen Blick-Anker die Proportionen wieder stimmen. „Der Gürtel war als Accessoire in Vergessenheit geraten“, so Maaß. Aber seit ein paar Jahren werde er zum Statement. Manche Schnallen graviert er mit dem Laser. Da sind dann die Initialen des Trägers zu sehen – oder die Sil- houette seines Porsches. Nach zwei bis drei Wochen kann der Kunde den Gürtel abholen. Start- preis bei einfacher Schnalle: 100 Euro. Das dehnba- re Leder bezieht Maaß aus einer kleinen Gerberei in Stutt- gart. Das meiste ist Rindsleder, pflanzlich gegerbt, so Maaß. Wer es exotischer mag, findet auch Ma- terial mit feiner Struktur. Was könnte es sein? Krokodil, Schlan- ge? „Lachs“, sagt Maaß. Er ist gegen Leder von Exoten und ver- arbeitet nur Häute von Tieren, die sowieso getötet werden, um als Lebensmittel auf Tellern zu landen. Vegane Materialien gibt es aber mittlerweile auch? Die haben ihn noch nicht überzeugt, so Maaß. Ein Schnuppertest beim Lachs überrascht. „Das riecht nicht nach Fisch“, sagt Maaß la- chend. Durch das Gerben ver- strömen die Schuppen den typi- schen würzigen Leder-Duft. Auerstr. 8, Mülheim, Di, Do, Fr: 10 - 13 Uhr, 15 - 18 Uhr, Mi, Sa: 10 - 14 Uhr. Auch Reparaturen, Nach- bauten, Workshops, in denen man einen Gürtel selbst fertigen kann, 99 € bei vier Teilnehmern (zzgl. Schließe). lebens- werk-guertelmanufaktur.de Anzeige WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 24. Mai 2020 Seite 49
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