WAZ I Aus dem Nähkaestchen
FUNKE MEDIEN NRW Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Foto) Mülheim. Sie ist einer dieser kreativen Men- schen, für die die Welt ein Ort voller Mög- lichkeiten ist. Die Ideen strömen auf sie ein, so dass Jana Januschewski-Moze sich auch immer mal wieder selbst unterbricht – weil ein neuer Gedanke sie beflügelt. Doch wenn die 39-Jährige vor demModel steht, das eines ihrer Stücke trägt, dann schaut sie wie eine Malerin konzentriert auf ihr Werk mit prü- fendem Blick: Da fehlt noch etwas. Anstatt einen Pinsel in Farbe zu tauchen, öffnet sie eine Schublade in ihrem Atelier in Mül- heim und kramt heraus: Ohrring mit Feder und FußkettchenmitMuschel. Damit geschmückt, fragt das liegende Model im dunkelgrün-schwarzen Paillettenkleid, das im Stil der 1920er gestaltet ist: „Wie soll ich den Fuß hal- ten?“ Natalia Nowakow- ski streckt ihr linkes Bein in die Luft, knickt den Fuß ab, hält ihndannwieder parallel zumBoden. Ja, Jana Januschewski-Moze nickt, so ist es perfekt. Der Vergleich mit der Malerin passt auch zu einer Kollektion, bei der jede Hose, jedes Top selbst wie ein Gemälde aussieht. Maria Berndt, eine Künstlerin aus Bochum, hat die Farbe auf unbehandelte Baumwolle aufge- tragen. Ihr Label nennt Jana Januschewski-Moze „JotJot“ – „wie meine Initialen.“ J.J. Gerade schneidert sie Kleidung für kleine Zwillinge von Freunden. Kinder, Frauen, Männer – al- le können ihre Kunden sein. Festlegen möchte sich die Modeschöpferin nicht. Wo- bei sie nur ein paar ausgewählte Sachen in ihrem Online-Shop verkauft. Wie etwa ihre Upcycling-Kleidung aus alten Jeans (ab 200 €). Sowerden aus JackenRöcke und aus Hosen Jacken, auf denenHosentaschen den Rücken zieren. Für das Foto sucht sie einen knappen Rock aus – plus Jacke mit extrawei- ten Ärmeln. Auf den Schultern sind etwas fragile Bouquets aus blau- en Blüten genäht. In ihrem vorherigen Leben waren sie Kaffeekapseln. Die Düsseldorferin Nadi- ne Kugler hat aus ihnen Blumen geformt. Der Umweltgedanke bewegt Jana Januschew- ski-Moze, die in Molda- wien geboren ist. Gerade ist sie von einer Reise in die Karibik zurückge- kehrt: Die Insel Trinidad ist dieHeimat ihresMannes. „So ein schönes Land“, schwärmt sie. Aber riesige Müllkip- pen, da werde nichts getrennt oder wieder- verwertet. Auchdort hat sie spontan einen Nähkurs gegeben und gezeigt, wie man Altes aufhübschen kann. Ähnlich hat sie es bereits für den WDR gemacht, in der kleinen Sendung „Lieblingsstücke“. „Ich werfe Materialien nicht gerne weg.“ Aus vielen Klamotten könne man noch et- was machen, hier ein Stück abschneiden, dort etwas Stoff annähen. Sie gibt Kurse in ihrem Atelier und im Stoffladen ZiC’nZaC inEssen. „Ich finde, jeder kann alles tragen.“ Wirklich jeder alles? Es käme schon auf die Vorlieben an. Aber wenn eine Frau ungern einen Rock anziehe, könne man seitlich einen Schlitz in lange Hosenbeine schnei- den und so ebenfalls Haut zeigen. „Ich möchte das Beste aus einem Menschen he- rausholen.“ Ein Treffpunkt für Kreative Die Designerin überlegt, bald mal eine Klei- dungs-Tauschbörse einzurichten, ihr Atelier in einen Treffpunkt für Kreative zu ver- wandeln. Und vor Kurzem hat sie sichmit einer De- signerin unterhalten, die Kontakte zu Fir- men in Vietnam hat, die gute Stoffe unter fairen Bedingungen herstellen. Über einemStuhl in ihremAtelier liegt ein dicker Stoff mit großen Karos in leuchten- den Farben: Gelb, Rot, Blau. „Den hat mir mein Vater aus Mexiko mitgebracht.“ Sie kennt gute Lieferanten, aber sie bekommt auch Stoffe geschenkt. Jeder ist eine neue Herausforderung, eine neue Möglichkeit: Was sollst du werden? Ein Kleid? Eine Ho- se? Eine Bluse?WelcheGeschichte sollst du erzählen? Von Anfang an, also seit 2010, arbeitet sie für Urbanatix – die Show in Bochum mit Street-Art-Künstlern und Artisten. „Das ist eines meiner Herzensprojekte.“ Diese Klei- dung darf nicht nur toll aussehen, sie muss auch alles mitmachen. Und so schaut sich Jot-Jot die Stoffe genau an, ob sie dehnbar sind, strapazierfähig. Sie nimmt gerne Baumwolle mit Elastan, einer sehr elasti- schen Chemiefaser. „Ich mag es, wenn der Stoff mitgeht.“ Wenn er den Körper um- fließt – „wie ein Wasser- fall.“ Aber das allein reicht nicht. Je nach Schmerzpunkt näht sie Schoner ein. Der eine Artist braucht sie am Schulterblatt, der andere am Ellenbo- gen. Zur Urbanatix-Tanzgruppe gehört auch Natalia Nowakowski, die für ihre Freundin Jana als Model einspringt. Die 30-Jährige unterrichtet selbst Tanz bei „Open Space“ in Bochum: Dancehall. Sie hat Jamaika be- reist, die Heimat dieses Tanzes, um die Schritte zu studieren. „Das hier bekannte Arschwackeln gibt es da auch“, sagt die Bo- chumerin und bewegt die Hüften. „Aber es ist nur ein Teil.“ Die Liebe zur Mode spürte Jot-Jot schon als Kind. Sie nahm Nadel und Faden in die Hand, klebte und tackerte Folien zusam- men. Dann hat sie in Schul-AGs gelernt, mit der Maschine zu nähen. Nach einer Ausbil- dung zur BekleidungstechnischenAssisten- tin arbeitete sie als Barkeeperin, um ihrMo- dedesign-Studium zu finanzieren, zunächst in den Niederlanden, dann in Düsseldorf. Eine ihrer beiden Töchter verkleidete sich kürzlich und wollte mit einem langen Kleid wie eine Prinzessin auf den Spielplatz gehen. Darüber kann die Mama nur stau- nen. Wollte sie als Kind denn nie Prinzessin sein? „Ich bin schon Prinzessin“, sagt Jot- Jot lachend. „Aber eine coole.“ Wenn sie keine Lust aufs große Stylen hat, nimmt sie einfach eine „Karottenhose, Kordel drum, olles Shirt, Flip-Flops – und weg.“ Die Designerin rät zur Farbe. Dabei nicht Ton in Ton bleiben, sondern lieber in der Farbfamilie. Selbst wenn einen eine Farbe nicht so gut kleidet, ist sie trotzdem kein Tabu. „Ich liebe Ocker, aber die Farbe steht mir nicht“, sagt Jot-Jot. „Dann trage ich sie eben als Hose.“ Kleidung sollte die Seele streicheln. Keine Lust auf Pumps? Dann sollte man sie auch nicht anziehen. Und selbst wer eine Arbeitsuniform tragen muss, kann sich selbst einen fröhlichen Farbtupfer geben: einen Pin oder roten Lippenstift. „Das machst du nur für dich, guckst in den Spiegel und sagst: ,Yes!’“ MEIN STYLINGTIPP Heute: JotJot aus Mülheim SERIE Jana Januschewski-Moze in ihrem Atelier in Mülheim. Zu schade zumWegwerfen: Bei „JotJot“ verwandeln sich getragene Jeanshosen in Röcke und Jacken. Neben der Upcycling-Kleidung schneidert Jana Januschewski-Moze Kostüme für die Artisten-Show Urbanatix Das Lieblingsteil „Ich kannmich nicht auf ein Teil festle- gen“, sagt Jana Januschewski-Moze. „Ich habe so viele Lieblingsteile.“ Aber Schuhe sind ihr beim Stylen am wich- tigsten. Denn jedes Outfit wirke auf einmal ganz anders, wenn man es etwa mit hohen schwarzen Plateauschuhen kombiniert, zurückhaltenden ocker- farbenen Schnürschuhen oder bunt- wilden Sneakern. Sie will sich nicht festlegen: Jana Januschewski-Moze designt für Shows (l.), aber sie arbeitet auch gerne mit Künstlern zusammen (M.). Jeans mag sie besonders: Model und Tänzerin Natalia Nowakowski trägt Rock und Jacke, die früher mal Hosen waren. FOTOS: INGO OTTO Aus Alt mach Neu am Sonntag WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 7. Juli 2019 Seite 06
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