WAZ I Aus dem Nähkaestchen
FUNKE MEDIEN NRW DREI FRAGEN AN FOTOREDAK- TEUR INGO OTTO Wie bist du auf die Idee gekommen, in einer Serie Designer aus der Re- gion vorzustellen? Ich habe schon sehr früh Mode fotografiert. Bei der Firma Steilmann in Bochum durfte ich als Fotograf für die WAZ in Wattenscheid häufig die Kollektionen fotografieren. Ein Tag war besonders magisch, da hat Karl Lagerfeld exklusiv vor meiner Linse posiert. Das war aufregend. Er wusste genau, wie er sich inszenieren musste. Er hat seine Skizzen aus- gebreitet, seinen Pinsel in den Mund genommen - ich musste nur auf den Auslöser drücken. Später habe ich bei der Modemesse Igedo in Düsseldorf neue Kollektionen abgelichtet. Und dann ist mir vor einiger Zeit auf dem Zeltfestival in Bochum aufgefallen, wie viele Designer aus der Region dort ihre Stände hatten. Ich dachte, die müsste man doch alle mal in einer Serie zeigen. Was fasziniert dich daran, Mode zu fotografieren? Es ist eine ganz andere Welt, es ist zwar eine scheinbar oberflächliche, aber eben doch eine Glamourwelt, bei der man es nur mit schönen Sachen zu tun hat. Es ist reizvoll, für eine Zeit lang in diese Welt einzu- tauchen. In der Serie gab es professionelle Models und ganz normale Leute, die die Mode gezeigt haben. Was macht das für einen Unterschied für dich als Fotograf? Bei den professionellen Models braucht man nicht viel machen, die sind es gewohnt, nach jedem Schuss eine neue Pose anzubieten, die be- wegen sich ständig, die haben immer einen anderen Gesichtsausdruck, da muss man nur noch gucken, dass man das Licht schön setzt und eine gute Location findet. Bei den Laien- darstellern muss man erstmal ein paar Posen zeigen. Damit es nicht langweilig wird, sollen sie sich nicht einfach nur hinstellen, sondern auch mal auf mich zugehen, sich drehen, ein Hohlkreuz machen. Das ist für sie oft sehr fremd, da muss man erstmal das Eis brechen. So habe ich das im- mer gemacht, dass ich erstmal etwas fotografiert und gesagt habe: „Ihr seht super aus, ganz toll.“ Irgendwann ver- lieren sie die Scheu vor der Kamera und bekommen richtig Spaß, das zu machen. MEIN LIEBLINGSTEIL Ingo Otto suchte einen Sonnen- schutz. Also probierte er fast jedes Käppi aus, das er in die Hände be- kam. Aber immer wieder verzog er die Mundwinkel, wenn er sich damit im Spiegel betrachtete. Das eine Käppi ließ den Kopf riesig wirken, das andere erinnerte ihn an den „Ghettostyle“ – „das passt nicht zu mir!“ Dann versuchte er es mit einer Schiebermütze. „Da haben alle gesagt, die würde mich alt machen“, sagt der 59-Jährige. Doch zum Ende der Serie fand er schließlich sein Traumkäppi – mit einer schön schlanken Passform. „Das Zeichen des Labels Djinns aus Mülheim ist auch nicht ganz so plakativ wie bei anderen Marken, wo der Name vorne dick draufsteht. So etwas mag ich nicht.“ Sein neues Käppi trägt er nun ständig. Zum Un- verständnis seiner Friseurin: „Du hast doch noch Haare!“ DREI FRAGEN AN REDAKTEU- RIN MAREN SCHÜRMANN Was hat dich gereizt, eine Serie über Mode in der Region zu schreiben? Andere gucken Fußball, ich schaue mir Mode an. Wenn ich den Kopf frei bekommen möchte, macht es mir ein- fach Freude, neue Stoffe anzuschau- en, neue Schnitte, neue Muster. Dabei mag ich lieber kleine, individuelle Ge- schäfte und weniger große, Massen- ware-produzierende Ketten. Deshalb war ich sofort dabei, als du auf die Idee gekommen bist, die Designer unserer Region vorzustellen. Was macht die Mode-Branche der Region aus? Es gibt hier sehr kreative Köpfe mit spannenden Lebensläufen. Und sie sind so verschieden! Vom Charakter her, aber auch vom Design. Ich war erstaunt, wie viele Modemacher es hier gibt. Natürlich sind Ruhrgebiets- labels dabei mit viel Lokalkolorit, die an den Bergbau erinnern. Aber grund- sätzlich glaube ich, dass es die Vielfalt ist, die die Mode-Branche in unserer Region ausmacht. Kaufst du künftig anders ein? Ich bin mir schon seit einiger Zeit bewusst, dass ich beim Klamotten- Kauf auch eine Verantwortung trage. Wie wurde das Kleidungsstück herge- stellt, unter welchen Bedingungen für Mensch, Tier, Natur? Die Textilbran- che zählt zu den größten Umweltver- schmutzern. Ich verstehe nicht, wenn Leute, die es finanziell gar nicht nötig haben, damit prahlen, dass sie wieder ein Schnäppchen ergattert haben. Ich versuche, weniger Sachen zu kaufen. Mehr Lieblingsstücke, die ich ewig tragen kann. Es gibt noch viel zu viele große Modemarken, denen es völlig egal ist, wie sehr sie Menschen ausbeuten und die Umwelt zerstören. Allerdings habe ich im Laufe der Se- rie beeindruckende Designer kennen- gelernt, die mit ganz neuen Stoffen experimentieren, die ökologisch und nachhaltig arbeiten möchten. Und das sieht toll aus, was sie machen. Au- ßerdem produzieren solche kleinen Firmen, wie wir sie vorgestellt haben, selten über Bedarf. Es wird also nicht so viel weggeworfen. Ich werde nun noch mehr bei solchen Labels kaufen. MEIN LIEBLINGSTEIL „Ist das Kork?“ Diese Frage stellen viele Menschen Maren Schürmann und zeigen dabei auf ihre Schuhe. Und als nächstes: „Hält das denn bei Regen dicht?“ Und dann antwortet die 45-Jährige mit den gleichen Wor- ten, die sie vor ein paar Jahren von der freundlichen Verkäuferin in dem Laden Cob in Essen-Rüttenscheid ge- hört hat: „Eine verkorkte Weinflasche hält ja auch dicht.“ Für Kork muss kein Baum sterben, lediglich die Rinde der Eiche wird geschält. Die Schuhe sind klassisch geschnitten, aber mit dem pinkfarbe- nen Rand und dem ungewöhnlichen Material etwas Besonderes. Maren Schürmann hatte sich gerade aus dem Portugal-Urlaub eine Korkta- sche mitgebracht, als sie die Schuhe entdeckte: „Sie zeigen, dass Kleidung nicht nur aus Leder, Baumwolle und Polyester sein muss. Es gibt noch so viele andere, darunter auch umwelt- freundliche Materialien.“ Making-of: Jetzt plaudern Fotograf Ingo Otto und Autorin Maren Schürmann aus dem Nähkästchen Foto: Ulla Michels Foto-Shooting auf Zoll- verein. Das Label Lookabe mit Designerin Melani Ilic arbeitet in einem Gebäude der ehemaligen Zeche in Essen. Auf einmal Model: Sarah Chlebek gehört zu den vielen Menschen, die wie hier bei Hudhud in Neu- kirchen-Vluyn für die Serie in die Kleidung geschlüpft sind. Seite 66 Redakteurin Maren Schürmann
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