WAZ I Aus dem Nähkaestchen

FUNKE MEDIEN NRW Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Foto) Essen. Ein kleines Büro: Zwischen Schreib- tisch und Regal passt gerade noch ein Stuhl. „Wir sind ja auch klein“, sagt Holger Wach bescheiden. Und zeigt damit, dass alles eine Frage der Sicht ist. Die Designer, die wir bis- her in dieser Serie vorgestellt haben, können nur davon träumen, jeden Monat rund 10.000 Shirts, Hosen oder Kleider in Deutschland, den Niederlanden oder zum Beispiel Großbritannien zu verkaufen. Schaut man sich jedoch den großen Mode- Teich an, ist das Label „Greenbomb“ trotz- dem noch ein vergleichsweise kleiner Fisch. Dafür einer, der einem beim nächsten Kla- motten-Fang ein grünes Gewissen schenkt. Das Faultier wird in Deutschland gedruckt Holger Wach ist der kreative Kopf hinter der Marke. Zusammen mit seinem Freund Lars Losse, der sich um Finanzen und Vertrieb kümmert, hat er 2015 die Firma gegründet: in Halle an der Saale. Dort gab – und gibt es auchheute noch – dieDruckereimit drei An- gestellten, in der sie Motive auf T-Shirts dru- cken wie Vogel, Faultier, Waschbär oder Zelt, Berge und immer wieder das Fahrrad. Es symbolisiert, für was die Stadtmode „Greenbomb“ steht: ein freies und ökolo- gisch gutes Leben. „Man bewegt sich fort, verpestet dabei aber nicht die Umwelt.“ Für seine Firma war der heute 47-Jährige vom Ruhrgebiet nach Sachsen-Anhalt gezo- gen. Doch dann verliebte er sich – und nun lebt der Vater hier wie dort. Von Essen-Ka- ternberg fährt er jeden Monat für eine Wo- che vier, fünf Stunden nach Halle. Sein Ziel: die komplette Kreativabteilung in Essen auf- zubauen. Aber selbst, wenn er das erreicht hat, hört das Reisen nicht auf. Zu den nach- haltigenModemessen, auf denen er die neue Kollektionvorstellt. Und zudenLieferanten, die Kleider produzieren oder die Shirts, die inDeutschland bedruckt werden – für Frauen und Männer. „Das ist bei uns fifty-fifty.“ Die meisten Stücke ab 29,90 € entstehen in der Türkei und in der Ukrai- ne. Aber auch in Bangla- desh lässt Greenbomb produzieren. Da ziehen viele Menschen erstaunt die Augenbrauen hoch: Ein faires und grünes La- bel, das GOTS zertifiziert ist, also jedes Jahr kontrolliert wird und Produktionswege nachweisen muss, lässt in einem Land ferti- gen, von dem immer wieder von grauenhaf- ten Bedingungen berichtet wird? „Wir arbei- ten mit einem zertifizierten Unternehmen zusammen“, erklärt Holger Wach. „Wenn wir die Leute vor Ort nicht unterstützen, ha- ben sie keineArbeitmehr.“Außerdemwerde die Produktionsstätte nicht nur von ihnen, sondern auch von einer unabhängigen Agentur überprüft. Greenbomb arbeitet fair, betont Holger Wach. Aber das Fairtrade-Sie- gel bekämen sie trotz- dem noch nicht. „Man muss dafür einen Min- destumsatz haben.“ Denn die regelmäßige Fairtrade-Kontrolle müsse die Modemarke mit bezahlen. Das sei schwierig für kleine An- bieter. „Ein Fehler im System.“ Dass Greenbomb nachhaltig arbeitet, ist Holger Wach ebenfalls wichtig. Lange Zeit hatte er sich schonmit Bio-Lebensmitteln er- nährt. Da lag es nahe, auch ein umwelt- freundliches Textil herzustellen. Dabei war es anfangs noch gar nicht klar, dass er mal in der Modebranche arbeiten würde. Der Mann aus Arnsberg, der schon Kinderbü- cher illustriert hat, studierte zunächst inKre- feld „Visuelle Kommunikation“. Danach arbeitete er in einer Werbeagentur, gründete selbst eine und wechselte dann in die Textil- branche, umnach etwa acht Jahren doch lie- ber für sein eigenes Label zu zeichnen. Das macht er auch heute noch, am liebsten mit dem Bleistift auf Transparentpapier. Oder er taucht den Pinsel in Farbe und malt ein Aquarell. Viele Designer arbeiten heute am Computer. „Ich habe hier irgendwo noch ein Tablet...“, sagt er lächelnd. Aber mit dem Bleistift ginge es besser. In wenigen Strichen entsteht so Schilfgras oder ein Eis am Stiel. Aber nicht nur Shirt-Motive, sondern auch Muster für Blusen und Kleider denkt er sich aus: endlose Wellen, fliegende Federn. Jedes Gegenüber wird gecheckt Wie kommt er auf die Ideen? „Ich habe im- mer dieAugen auf“, sagtHolgerWach. Nicht nur auf den Messen, er schaut sich auch die Menschen auf der Straße an. Schmunzelnd fügt er hinzu: „Jeder, der mir gegenüber sitzt, wird gecheckt.“ Wobei er heute die Ideen nur noch skizziert – ein anderer Desig- ner zeichnet sie zuEnde. 50Moti- ve pro Saison. Holger Wach muss viele andere Entschei- dungen treffen: Welche Stoffe? Meist sind sie aus Bio-Baumwolle. Oder aus der umweltfreund- lichen Holzfaser Ten- cel. „Wir haben auch mit Bambus-Fasern angefangen.“ Welche For- men? Welche Far- ben? „Im nächsten Sommer sind für Frau- en Pastellfarben angesagt – nicht nur bei uns.“ Auch er lässt sich von Trendfarben inspirieren. Anfangs hat er sich teure Bücher gekauft, die Agenturen heraus- geben, nachdem sie auf den großen Laufstegen nach den trendigen Tönen ge- schaut haben. „Aber mitt- lerweile habe ich selbst ein gutes Gefühl dafür.“ Er lässt sich von den Lieferanten das nach seinen Wünschen eingefärbte Garn schi- cken, später die Stoffmuster. Wie schimmert das gestreifte Shirt im Sonnenlicht? Und dann ist der Boden des kleinen Büros voll mit Mustern. Holger Wach zeigt Ordner, in denen viele Knöpfe oder Schildchen einge- klebt sind, die lediglich an Leder erinnern. Selbst über eine Kordel für einen Kapuzen- pulli kann man lange nachdenken: „Far- big? Mehrfarbig? Wie gewickelt?“ 160 mögliche Kombis streicht er Holger Wach steht vor einer Tafel mit klei- nen Bildern von Frauen-Klamotten. Rund 300 unterschiedliche Kombis in Farbe, FormundMotiv hat er amComputer simu- liert. „Ich habe 160 gestrichen. Nur das Beste will ich zeigen.“ Von jedem abgeseg- netem Shirt werden zunächst nur vier an- gefertigt – als Muster für die teils freien Ver- treter, die zu den rund 200 Kunden gehen. Manche von ihnen besitzen mehrere Öko- Stores. Und erst wenn ein Kleidungsstück hundertfach nachgefragt wird, bestellt es Greenbomb in großer Stückzahl beim Lie- feranten. Das Fahrrad bleibt für Greenbomb nicht nur Symbol. Als nächstes will Hol- ger Wach auch Mode für Fahrrad-Fahrer entwerfen. Hosen mit elastischemBund am Bauch. Es soll ja nicht zwicken, wenn man sich auf dem Sattel vorwärts bewegt. Anbieter-Auswahl: Kong Island (Bo- chum), Cob oder Kommabei (Essen), Endless & Evergreen (Soest), Fruchtbare Erde (Dortmund), Plup oder Roberta (Düsseldorf), avocadostore.de SERIE Heute: Greenbomb Holger Wach: Das Fahrrad ist für Greenbomb ein Symbol für Freiheit und Umweltschutz. „Man sollte nicht alles von einer Marke kaufen“, empfiehlt Holger Wach, „sonst ist man zu uniformiert.“ Männern rät er zu einem neutralen Kleidungsstück, das man gerne trägt. „Am besten etwas Hochwertiges, ein Organic-Teil.“ ZumBeispiel eine graue Jeans. Dazu ein schönes farbiges T- Shirt, weiße Sneaker. „Dann habe ich schon mal einen guten Look.“ MEIN STYLINGTIPP Die grüne Bombe Der Essener Designer Holger Wach ist der kreative Kopf von „Greenbomb“. Er malt Muster und Motive für Mode, die Frauen und Männer tragen – und dabei ein gutes Gewissen haben Bunte Shirts? Das ist nichts für Holger Wach. „Ich habe so viel mit Farbe zu tun“, sagt der Designer, der täglich über Töne nachdenkt. Seine eigenen Shirts sind dunkel. Schwarz oder Dunkelblau wirkten beruhigend. „Im Urlaub habe ich kleine Ausrutscher, da trage ich auch mal etwas Helles.“ MEIN LIEBLINGSTEIL Mit dem Bleistift oder Pinsel malt Holger Wach seine T-Shirt-Motive, zum Beispiel einen Waschbär. Endlose Wellen, flie- gende Federn: Muster für Blouson oder Kleid entstehen ebenfalls am Zeichentisch. Auch Shirt und Shorts sind von Greenbomb. FOTOS: GREENBOMB, JANN am Sonntag WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 14. Juli 2019 Seite 07

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