WAZ I Aus dem Nähkaestchen

FUNKE MEDIEN NRW Für Designerin Michaela Reinhardt gibt es in der Mode keine Regeln, alles ist möglich. Hauptsache, man fühlt sich in seiner Kleidung wohl und sie passt zum Anlass. Mit Blick auf ihren eigenen Stil und ihre Kollektionen rät sie allerdings, Mut zum Stilbruch zu haben. Man sollte sich bewusst machen, für welchen Anlass ein Kleidungsstück ursprünglich gedacht war – und es dann zweckentfremden. So könne ein schickes Kleid mit derben Boots alltagstauglich werden. „Und der Blazer muss nicht nur im Büro getragen werden. Kombiniert mit einer legeren Hose, kann er sich auch in der Freizeit sehen lassen.“ MEIN STYLINGTIPP Model Sina mit Entwürfen aus der neuen Kollektion von „Miss Beron“. „Ich bin eine One-Woman-Show“ Michaela Reinhardt, die Designerin hinter „Miss Beron“, macht in ihrem Atelier alles selbst – von der Produktion bis zum Vertrieb Von Valerie Becker (Text) und Ingo Otto (Fotos) Bochum. Schaut man sich in Michaela Rein- hardts Atelier um, braucht man nicht lange, um ihre persönliche Handschrift zu erah- nen: Schwarz. Die Farbe zieht sichdurchdie gesamte Kollektion von „Miss Beron“, hier und da blitzt an den Kleiderstangen auch et- was Weißes hervor. Lässige Schnitte treffen auf verspielte Details aus Spitze oder ge- blümten Mustern. „Tragbar, aber avantgar- distisch“, so würde die 39-Jährige selbst ihre Mode beschreiben. „Damit kannman nach- mittags Kaffee trinken gehen, aber auch abends ausgehen, wenn man dazu schönen Schmuck kombiniert. Und Schwarz macht einfach Spaß.“ Früher hat sich die junge Designerin Ins- piration von den ganz Großen geholt – von Haute Couture a la Marc Jacobs oder John Galliano. Heute lässt sie sich viel mehr von ihrem Umfeld inspirieren, auch von Leuten auf der Straße. Nach 14 Jahren als selbst- ständige Designerin ist ihre aktuelle Kollek- tion „Futur 2“ eine Art Neuerfindung für die Bochumerin, denn diesmal hat sie nur De- signs gewählt, die sie zu 100 Prozent selber tragen würde. „Als Designer rutscht man schnell in eine Phase, woman sich nur noch am Markt orientiert. Damit gehe ich natür- lich auf Nummer sicher. Aber das wird schnell langweilig“, so Reinhardt. „In der Modebranche brauchst du nun mal Selbst- bewusstsein, sonst bist du falsch in diesem Job.“ Ihre Rechnung scheint aufzugehen: Die Kollektion kommt auf Messen, Festivals und in ihrem Online-Shop gut an. Auch Boutiquen wollen die Mode von „Miss Be- ron“ in ihr Sortiment aufnehmen. Das lehnt Michaela Reinhardt jedoch ab, denn dieDe- signerin möchte alles selbst machen. Pro- duktion, Buchhaltung, Marketing oder Ver- trieb, all das geschieht in ihrem kleinen Ate- lier in einem ruhigen Bochumer Wohnge- biet. Momentan wird ihre Kollektion nur an Endkunden verkauft und das soll auch so bleiben: „Ich möchte nicht produzieren las- sen. Ich bin sozusagen eine One-Woman- Show.MeineHände sindwertvoll.“DieKlei- dungsstücke werdenmeist per Hand genäht – das wissen ihre Kunden zu schätzen. Eine bestimmte Zielgruppe hat die Mode von „Miss Beron“ nicht. Frauen zwischen 20 und 70 Jahren kaufen bei dem Label ein, be- sonders in der Gothic-Szene haben die Klei- dungsstücke mit den verspielten Details ei- nige Liebhaber gefunden. Eins haben Fans ihrer Marke jedoch ge- meinsam, so Michaela Reinhardt: Sie shop- pen lokal, stehen für „Slow Fashion“ – ein Konzept, das für weniger Massenware und mehr Bewusstsein beim eigenen Konsum- verhalten steht. Immer mehr Menschen kaufen bewusst ihr Essen ein, also warum nicht auch ihre Mode? Verschiedene Sai- sons gibt es nach dieser Ansicht streng ge- nommen nicht, schließlich soll das Som- merkleid nicht im Herbst schon wieder in der Altkleidersammlung landen. „Viele Menschen haben den Bezug zur Kleidung verloren und wie viele Köpfe an einem Pro- dukt gearbeitet haben. Lieber ein Teil aussu- chen, von demman länger was hat“, sagtMi- chaela Reinhardt. So wie ihr aktueller Best- seller: Ein schwarzer Hosenrock, der im Sommer mit einer leichten Bluse und Halb- schuhen kombiniert werden kann und mit Strickpulli und Stulpen wintertauglich wird. Kaufe man mehr solcher Teile, gehe man weniger shoppen und es lande weniger imMüll, findet die Designerin. Sie selbst hat dieses Jahr noch nichts Neues gekauft. Auch Stoffreste finden imAtelier von „Miss Beron“ noch Verwendung, zum Beispiel als Füllung für ihre süßen Türstopper in Kat- zenoptik. „Im Ruhrgebiet brodelt was“ Wenn Michaela Reinhardt doch mal bum- meln geht, verschlägt es sie auf Trödelmärk- te, in Vintageläden oder sie unterstützt ihre lokalen Kollegen auf Messen. Die Leiden- schaft für Mode und handwerkliche Arbeit hat sie schon früh für sich entdeckt. Bereits als Kind musste sie immer etwas kreieren oder bauen, damals waren es noch Eisen- bahnen aus demMärklin-Baukasten. Nach einem Designworkshop mit 16 Jahren fiel die Entscheidung, sich als Modedesignerin selbstständig zu machen. Obwohl die 39- Jährige in Trier studiert hat, entschied sie sich dafür, ihr Unternehmen im Ruhrgebiet aufzubauen. München zu spießig, Ham- burg zu teuer, „und in Berlin ist jeder Hinter- hof kreativ. Das Ruhrgebiet ist ein riesiges Ballungsgebiet und ich habe gemerkt, da bro- delt was“, erinnert sich Reinhardt. Nach einem Unternehmen in Essen und einem Atelier in Dortmund, gründete sie 2012 „Miss Beron“, benannt nach demMäd- chennamen ihrer Mutter. Seitdem bringt sie jedes Jahr zwei Kollektionen raus. Meist arbeitet die Designerin mit Jerseystoffen, die Materialien kauft sie gerne aus England oder Italien. Für die Herbst/Winter-Kollektion darf es viel Strick sein und auch helle Farben werden eine Rolle spielen, ganz nach ihrem Motto: ImWinter ist es schon dunkel genug, da dürfen die schwarzen Klamotten getrost im Schrank bleiben. Was danach kommt, weiß Michaela Reinhardt noch nicht. Oder sie will es noch nicht verraten – ihr kleines Notizbuch ist voller Skizzen. Vielleicht wolle sie sich in zehn Jahren mal vergrößern, das wisse sie noch nicht. „Im Moment möchte ich nur für mich alleine verantwortlich sein, denn wenn ich scheitere, dann scheitere ich allein.“ Persönliche Termine: 0151 /27124656 oder info@missberon.de , missberon.de; Bei Instag- ram ist Michaela Reinhardt als „missberon“ unterwegs. „Damit kann man nach- mittags Kaffee trinken gehen, aber auch abends ausgehen.“ Michaela Reinhardt über ihre Entwürfe Michaela Reinhardts Lieblingsteil ist eine Rarität – noch zumindest. Denn das schwarze Kleid mit der Knopfleiste amKragen und 3/4-Ärmeln (großes Bild) ist Teil ihrer diesjährigen Herbst/Winter- Kollektion, die erst im Oktober auf den Markt kommt. Die Designerin wollte es eigentlich nur testen – auf Partys, Festivals und im Atelier – jetzt will sie es gar nicht mehr ausziehen. „Es ist so bequem. Und funktioniert immer.“ Ziel der Designerin war es, ein lockeres Kleid zu entwerfen, das trotzdem nicht die Figur versteckt. Durch den A-Linien-Schnitt sitzt das Kleid in LeinenoptikandenSchulternengund ist unten ausgestellt. Auch bei diesem Teil war Reinhardt die Multifunktionalität wichtig: Tagsüber im Atelier trägt sie es mit Strumpfhose und Budapestern, danach pimpt sie es mit Gürtel und Stiefeletten. Die Designerin ist zufrieden: „Da muss man sich mal selber loben.“ Heute: Miss Beron aus Bochum Michaela Reinhardt: „In der Modebranche brauchst du nun mal Selbstbewusstsein, sonst bist du falsch in diesem Job.“ Reinhardt entwirft auch Katzen. Manchmal tauchen auch dezente Farben in den Entwürfen auf, wie auf diesem Rock. SERIE MEIN LIEBLINGSTEIL am Sonntag WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 21. Juli 2019 Seite 08

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