WAZ I Aus dem Nähkaestchen
FUNKE MEDIEN NRW „Bevor man etwas kauft, sollte man sich genau überlegen: Brauche ich das wirklich? Will ich das?“, rät Designerin Christina Brause. „Nicht einfach sagen: ,Schön, kauf ich!’“ Und dann würde man sich doch nicht damit wohlfühlen. Insbesondere Online- Käufe seien da tückisch. Wenn man vergisst, das Teil zurückzuschicken, weil es nicht gefällt. Und dann hinge das nächste ungetragene Shirt im Kleiderschrank. Also: Lieber noch mal eine Nacht drüber schlafen. MEIN STYLINGTIPP Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Fotos) Duisburg. Ein Shirt wie ein Protest-Schild: Drei in die Luft gereckte Arme ballen die Fäuste. Darunter steht: „Fight against.“ „Ein Renner“ sei das Shirt, so dieModema- cherin Christina Brause: „Es deckt alles ab, wogegen man kämpfen sollte.“ Und was das aus ihrer Sicht ist, steht kreisförmig um die Kampf-Aufforderung: Rassismus, Sexis- mus und Homophobie sowie Speziesis- mus, also die Herabwürdigung von Lebe- wesen, und dieAusbeutung der Tiere durch den Menschen. „Tiere stehen nicht unter den Menschen“, betont die 35-Jährige, die das Label Róka gegründet hat. Mit ihrer Mode für Frauen undMänner will sie nicht nur schmücken, sondern auch aufrütteln. Das klingt kämpferisch. Aber die Frau hinter der veganen Marke ist nun wirklich keine Rampensau. Christina Brause sagt von sich selbst, dass sie früher eher schüch- tern gewesen sei. So scheu wie der Fuchs, den sie zu ihremMarkenlogo gemacht hat. Róka ist das ungarische Wort für Fuchs. „Meine Verwandtschaft kommt aus Ungarn.“ Eine Fuchs-Patenschaft hat sie in Bayern übernommen. „Dort werden Füch- se wieder aufgepäppelt.“ Zum Beispiel wenn ein Jäger ein Muttertier erschossen hat und die Jungen zurückbleiben. Später würde die Fuchsauffangstation die schö- nen orange-braunen Tiere wieder auswil- dern. Aber warumgerade dieses Tier als Logo? „Ich erkenne da meinen Charakter wie- der“, sagt dieDuisburgerinunddenkt dabei lächelnd nicht nur an die scheue Seite. „Ich versuche, heute etwas schlauer zu sein.“ So schlau wie der Fuchs. Mit gespitzten Ohren ziert das angedeu- tet Fuchsgesicht jedes ihrer Kleidungsstü- cke. Oft nur als kleines Logo. Aber auch mal groß als Motiv auf einem Shirt. Die Tiere liegen ihr grundsätzlich sehr am Herzen. Mit ihrem damaligen Freund und heutigen Mann, der bereits vor acht Jahren Vegetarier war, entdeckte sie einen Podcast zurHaltung vonMilchkühen. Dies wollten sie beide nicht mehr unterstützen. Daher kochten sie fortanohne tierische Le- bensmittel. „Das war damals noch nicht so ein Hype, es gab noch nicht so viele vegane Läden“, erinnert sie sich. „Das wird Schritt für Schritt mehr.“ Und mit diesem Lebens- stil kamen auch die Gedanken über die Kleidung. Sie sollte nicht nur fair sein, so Christina Brause. Sondern ebenfalls vegan. „Ich habe nie eine Berührung zur Mode gehabt“, gibt sie zu. Trotzdem gründete sie ihr Label 2015 nebenberuflich. „Das hat sich so ergeben.“ Sie arbeitete zunächst als Grafik-Designerin, gestaltete Magazi- ne, Flyer oder Logos. Aber die Firma, für die sie arbeitete, hatte auch eine Ma- schine für Sieb- druck. Da wurde sie neugierig. Heute sagt sie: „Ich mache alles selbst.“ Seit zwei Jahren ist sie mit ihrer Handarbeit selbstständig. Um ihre Werte zu verbreiten, belässt sie es nicht bei den Shirt- Botschaften. Auch das Material muss ihren Vorstellungen entsprechen. So nimmt sie zum Bei- spiel nicht irgendeine Farbe. Auch die muss vegan sein. Ein Rot-Ton wie Karmin enthalte zum Beispiel Läuse. „Das wird in der Kos- metik verwendet.“ Zwei Damenshirt- Modelle lässt sie in Por- tugal fair produzieren. Die meisten Shirts be- kommt sie aber von Stanley & Stella, einer Firma, die Kleidung aus Bio-Baumwolle in Bangladesh herstellt – „aber unter fairen Bedingungen.“ Sie seien auch GOTS-zertifiziert. „Aber ich darf da- mit nicht werben, weil ich es weiterver- arbeite.“ Per Siebdruck bringt sie nun in einer klei- nen Werkstatt die Botschaften auf die Shirts. Dafür zeichnet sie zunächst dasMo- tiv und fertigt dann eine Schablone an. Spä- ter sind auf einem Sieb nur die Poren geöff- net, durch die die Farbe aufs Shirt gedruckt werden soll. Christina Brause zeigt auf das Oberteil mit dem rot-braunen Aufdruck, das sie selbst an hat: „Das Fuchs-Shirt ist viel aufwendiger, intensiver.“ Schließlich braucht sie dafür vier Farben und damit auch vier Siebe. Neben Shirts ab 30 Euro hat sie Hoodies und Jogginghosen imAngebot. Sie verkauft spezielle Schnitte für Frauen oder Männer, aber auch Unisex-Klamotten. Die meisten Sachen – vonSbisXXL– verkauft sie online. „Aber auch auf Veran- staltungen“, sagt Christi- na Brause. „Ich bin oft auf veganen Som- merfesten unter- wegs.“ Während die Kunden, die in ihr Ge- schäft kommen, meist etwas Dezenteres wün- schen, etwa angedeutete Mondphasen oder das Stern- bild Fuchs, wollen die Leute in der veganen Bewegung lieber Klamotten mit einem klaren Statement. „Save the Bees“ steht auf einem weiteren. „Das ist sehr beliebt.“ Dabei geht es natürlich nicht nur um den Schutz der Honig-, sondern vor allem um den der Wild- bienen, die vomAussterben bedroht sind. Den schwar- zenAufdruck ziert auch ein leuchtend gelber Einkaufs- beutel, denman zur Plastik- Vermeidung immer wieder nutzen kann. So ernst die Dinge sind, die sie mit einigen ihrer Shirts anspricht. Das Gan- ze soll laut Christina Brause auch verspielt, etwas sport- lich und vor allem alltagstauglich sein. EinemKunden gefiel die Biene so gut, dass er sie fragte: „Darf ich sie mir als Tattoo stechen lassen?“ Alle Aufschriften sind auf Englisch. So auch „Vegetables are my Meat“ – Gemüse ist mein Fleisch. Würden hierzulande die Botschaften nicht mehr Menschen verste- hen, wenn dieWörter in deutscher Sprache wären? „Englisch klingt bei einigen Sa- chen besser“, gibt sie schmunzelnd zu. Außerdemmöchte sie auch Kunden außer- halb von Deutschland erreichen. Der Fuchs soll also weiter wachsen. Sie würde gerne jemanden einstellen, damit sie sich komplett auf die kreativen Aufgaben konzentrieren kann. Aber das ist noch ein Wunsch für die Zukunft. „Ich bin froh, dass ich da so gerade von leben kann“, sagt sie und zeigt auf die Kleidung in den Regalen. Ihr Geschäft ist nicht einfach nur einGe- schäft. Es ist der Eingang für ein Büro für Kreative: „Roommates“ nennt sich die Ge- meinschaft. Die „Mitbewohner“ sind Gra- fik-Designer oder Illustratoren, die nicht mehr Homeofficemachenwollen, sondern sich lieber gegenseitig mit ihren Ideen ins- pirieren. Mittlerweile ist Christina Brause Mutter einer Tochter, die bald den ersten Geburts- tag feiert. Babysachen zählen auch zu ihrem Angebot. Und: „Ich möchte gerne Kinder-Shirts machen, vielleicht klappt es nächstes Jahr.“ Sie hat keine speziellen Winter- oder Sommer-Kollektionen. Ein Shirt kannman doch immer tragen. Fest steht, dass sie im Herbst mehr gestrickte Stirnbänder und Mützen verkaufen möchte – in Portugal produziert, in Duisburg mit demFuchs ver- ziert. Und zwar ist er auf einem Aufnäher abgebildet. Das Zeichen erinnert an Leder, aber das würde natürlich nicht zur Marke passen. „Es ist eine Mischung aus Papier und Latex.“ Christina Brause zeigt auf ein weiteres Shirt, das noch schwärzer ist als das Pro- test-Shirt mit den geballten Fäusten. Aber noch einmal beweist sie, dass sie bei aller Nachdenklichkeit alles andere als eine Schwarzmalerin ist: „Das Shirt ist positiv.“ Vorne ist über einem Herz ein „Yes“ zu le- sen. Hinten der Schriftzug: „Say yes to.“ „Da ist alles aufgelistet, was wichtig ist.“ Auch hier geht es wieder um den Schutz der Tiere. Aber auchumLiebe, Friedenund Freiheit. Róka, Gneisenaustr. 102, Duisburg, frei- tags: 15 bis 18 Uhr, samstags: 12 bis 15 Uhr (3. August geschlossen). Weitere Läden, die die Shirts anbieten: Das vegane Café „Krü- melküche“ (Duisburg-Hochfeld), Onkel Jo sein Laden (Hagen), Kong Island (Bo- chum). „Ich bin oft auf vega- nen Sommerfesten unterwegs.“ Christina Brause verkauft ihre Shirts nicht nur in ihrem Shop oder online „Ich liebe sie unendlich“, sagt Christina Brause und zeigt ihre Lieblingsjacke , die farblich an einen Fuchs erinnert, aber ausnahmsweise mal nicht von ihrem Label „Róka“ ist. Sondern von der sportlichen Öko-Marke „bleed“. „Sie sind ein bisschen ein Vorbild für mich, produzieren in Portugal, waren auf der nachhaltigen Fashion-Week.“ Die Jacke sei etwas teurer gewesen. „Ich habe lange mit ihr geliebäugelt.“ Aber dann hat sie zugegriffen. Die „ Übergangsjacke “ mit dem rot-blau karierten Innenfutter trägt sie nicht nur im Frühjahr oder Herbst, sondern auch im Winter mit einem dicken Pulli darunter. „Und wenn es wärmer ist, kremple ich die Ärmel hoch.“ MEIN LIEBLINGSTEIL Ihre Lieblingsjacke trägt sie das ganze Jahr: Designerin Christina Brause. Geballte Fäuste: Sarah von Wyl (r.), Mediendesignerin und Mitglied der kreativen Bürogemeinschaft in Duisburg, trägt das Kampf- Shirt. Model Lea (l.) präsen- tiert eine Tasche mit Bie- nen-Print. Heute: Róka aus Duisburg SERIE Sag es mit Shirts Christina Brause will mit ihrer Mode schmücken – und aufrütteln Zeig der Welt die Zunge: Model Lea trägt eine Fuchs-Mütze des veganen Labels. am Sonntag WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 28. Juli 2019 Seite 09
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