WR I Aus dem Nähkaestchen
FUNKE MEDIEN NRW VonValerie Becker (Text) und IngoOtto (Fotos) Bochum. Eigentlich gibt es nichts, was Foto- grafin Claudia Schütte nicht auf ihre Tisch- läufer, Röcke und Taschen drucken würde. Mit ihrem Label „Print Culture“ kommen Schnappschüsse nicht nur an die Wand im Wohnzimmer, sondern werden zum modi- schen Accessoire. Ihr Motto: „Ich drucke das, was auf den Festplatten meiner Kunden schlummert“, so die 57-Jährige. „Heute foto- grafiert doch jeder, weil man sein Smart- phone immer mitnimmt. Aber irgendwann geraten die Fotos in Vergessenheit.“ Die Idee, Fotografie mit Mode zu verbinden, kam der Bochumerin vor etwa sechs Jah- ren. Angefangen mit Tischläufern, bringt die Designerinmittlerweile auch Kollek- tionenmit Röcken und Taschen heraus. Die Inspiration für ihre Motive holt sich die Fotografin nicht bewusst, son- dern eher zufällig: „Ich habe meine Ka- mera eigentlich immer dabei“, erzählt Clau- dia Schütte. Stolz präsentiert die Fotodesignerin Rö- cke mit bunten Blumenwiesen, Steinforma- tionen oder herbstlichen Laubblättern. Sie selbst beschreibt den Stil ihres Labels als frech, modisch und chic. Ihr Bestseller: Ein Foto von der berühmten 5th Avenue in New York. Aber auch die Sehenswürdigkeiten aus ihrer Heimatstadt Bochum und anderen Orten im Ruhrgebiet zieren seit einigen Jah- ren die Kleidungsstücke der 57-Jährigen. Neben ihren eigenen Kollektionen nimmt die Designerin auchWünsche ihrer Kunden entgegen. „Hinter jedem Foto steckt eine Geschichte“, sagt Claudia Schütte. An einige kann sie sichnoch genau erinnern: Da gab es zumBeispiel die Frau, die ihreKatze auf dem Rock haben wollte oder das Hochzeitspaar, das sich ihren eigenen Brautstrauß auf einen Tischläufer drucken ließ. Auch die Fotocol- lagemit Gesichtern einesMannes, die zu sei- nem80. Geburtstag auf einen Tischläufer ge- druckt wurde, ist bei „Print Culture“ nichts Ungewöhnliches mehr. Dabei müssen die Fotos nicht unbedingt von einer professio- nellen Kamera aufgenommen worden sein, auch ein Handy-Bild kann die 57-Jährige tragbar machen. An ein Motiv erinnert sich dieDesignerin besonders: „EineKundinwar mal auf Jamaika und hat mehrere bunte Old- timer zusammenmit ihrenFahrern geknipst. Das sah stark aus!“ Während viele Online-Shops die Fotos auf Baumwolltextilien drucken, arbeitet Clau- dia Schütte allerdings mit keinem Natur- stoff, sondern mit einem Tuchmaterial aus Polyester. Die Farbewirdnicht nur aufgelegt, sondern bei 200 Grad durchgedruckt. „Das verhindert Verbleichungen und Formverän- derungen“, erklärt sie ihre Wahl. „Die Farbe kann nicht auslaufen und deshalb auch mit Weiß zusammen gewaschen werden.“ Nicht nur durch ihreDrucktechnikhat die Marke Fans gefunden, sondern auch durch den Schnitt ihrer Röcke. Dank Wickeltech- nik kann selbst beim Fahrradfahren nichts verrutschen. Weil sich der Rippenbund jedem Kör- per anpasst, ist der Rock besonders bequem – und zieht auch viele Kundin- nen ab Kleidergröße 40 an. Die Preise variieren je nach Modell und Motiv. Tischläufer gibt es ab 35 Euro, Röcke ab 69 Euro. Auch wenn einige Boutiquen ihre Kla- motten gerne teurer anbieten würden, ist die Fotografin dagegen: „Ich möchte, dass sich jeder meine Kleidung leisten kann.“ Dass sie mal ihr Geld mit Mode verdienen wird, hätte Claudia Schütte nie gedacht. Eigentlich hat die Bochumerin Foto- und Filmdesign studiert, wollte Kriegs- und Kri- senreporterin werden. Nach dem Studium hat sie in einigen Ateliers in Düsseldorf ge- arbeitet, wo sie erste Schritte in der Mode- branche machte. Als schließlich die Familie kam, entschied sich die 57-Jährige dafür, ihren Traum auf Eis zu legen. Trotzdem hält die Bochumerin heute an ihrer Leidenschaft fest und engagiert sich als Fotografin für eh- renamtliche Projekte.Mit der Bochumer Ini- tiative „Chance auf Leben“ flog Claudia Schütte nach Indien, um sich dort für Bil- dungsprojekte für Mädchen einzusetzen und die Reise mit ihrer Kamera festzuhalten – „mein Schutzschild“, so die Fotografin. „Das war schon sehr emotional. Die Kinder waren teilweise unterernährt und zerlaust. Aber hinter der Kamera gehtmir das nicht so nah.“ Die Fotos wurden im Kunstmuseum und der Ruhr Universität in Bochum ausgestellt, auch auf ihrer Homepage sind einige zu fin- den. Ein Bild ist der Fotografin besonders in Erinnerung geblieben: „Ein Junge, der zum ersten Mal einen Kugelschreiber in der Hand hält.“ Fragt man die Designerin heute, ob sie nochmal ein Hilfs- projekt begleiten würde, würde sie sofort Ja sagen. Doch auch für ihr Label hat Claudia Schütte noch Pläne – größer soll es wer- den, vielleicht wird auch eine Instagramseite aufge- baut. Bisher gibt es die Kollektionen der Fotografin bei „AureliaH“ in der Bochumer Innenstadt und in Castrop-Rauxel – natür- lich auch mit Prints der beiden Städte. Beim Zeltfestival Ruhr ist „Print Culture“ eben- falls mit einem Stand vertreten und auch bei der jährlichen Benefiz-Modenschau im Bo- chumer Autohaus Tiemeyer darf ihre auffäl- lige Mode nicht mehr fehlen. Unter demNa- men „Shopping Queen auf Tour“ macht Claudia Schütte regelmäßig Hausbesuche, ähnlichwie bei Tupperpartys. „Vielleicht ma- che ich auch mal bei Shopping Queen mit, das wäre eine gute Werbung. Was Guido wohl zumeinen Sachen sagen würde?“ Und gerade weil ihr Label noch klein ist, freue sichClaudia Schütte jedesMal, wenn sie ihre Hingucker auf der Straße wiedererkennt: „Das ist dannwie bei einemMusiker, der sei- nen Song zum ersten Mal im Radio hört. Beim zweiten Mal denkst du dir: Du hast es geschafft.“ Mehr Infos unter printculturebycp.de Kunterbunt sollen Claudia Schüttes Ringe sein. Farbenfroh und mit flexiblem Bündchen: Model Pauline zeigt einen rosa-roten Rock. „Kitsch-Ringe“ nennt Claudia Schütte die auffälligen Ringe, die sie über Jahre gesammelt hat. Ein bunter Haufen aus Modeschmuck in allen möglichen Formen und Farben – mit Stickereien, Blumen, Perlen oder aus Kork. Die meisten haben nicht mehr als fünf Euro gekostet, aber für die Designerin haben sie einen persönlichen Wert: Sie stammen aus Portugal, Indien, Äthiopien oder anderen Ländern. Entweder sie hat ihre Schmuckstücke aus dem Urlaub mitgenommen oder von Freunden und Familie geschenkt bekommen. „Sie müssen groß sein, bunt und einfach was Besonderes“, sagt die Designerin. Die Ringe trägt die Bochumerin zu jedem Anlass – mal beim Fotografieren und mal bei einer schicken Abendveranstaltung. Heute: Print Culture in Bochum MEIN LIEBLINGSTEIL SERIE Stadtansichten: Dieser Rock zeigt die Verbundenheit mit Claudia Schüttes Heimat. Ein Förderturm und das Kuhhirten- Denkmal aus Bochum dürfen natürlich nicht fehlen. Sie schmücken Tischläufer und Röcke.. Claudia Schütte liebt Muster. Das zeigen die Produkte ihres Labels: Taschen oder Röcke, die mit floralenMustern oder Fotos von Skylines bedruckt sind. Doch ihre auffälligen Unikate sollten gekonnt kombiniert werden, damit das Outfit nicht überladen wirkt. Das Motto der 57- Jährigen ist: Weniger ist mehr. Ein Hingucker reiche, um einen tollen Look zu kreieren. So würde die Designerin ihren auffälligen Lieblingsring nicht mit einem ihrer Röcke kombinieren. „Dazu passt am besten ein einfarbiges Top.“ Das Motto gelte auch für Männer: Ein kariertes Hemd zu gestreifter Hose sei ein No-Go. „Ein Lookmuss fürs Auge ruhig bleiben, nur die Prise Salz darf nicht fehlen.“ MEIN STYLINGTIPP Claudia Schütte in ihrem Atelier in Bochum. Han- dyfotos von Kunden nimmt sie auch, etwa Bilder von geliebten Katzen oder der Hochzeitsfeier. Anziehende Bilder Ob Fotos vom Urlaub, niedlichen Tiere oder der Skyline von Bochum – Fotografin Claudia Schütte zeigt ihre Schnappschüsse auf Taschen, Tischläufern und Röcken „Hinter jedem Foto steckt eine Geschichte.“ Claudia Schütte (57) von Print Culture am Sonntag WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 11. August 2019 Seite 11
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjExNDA4