WR I Aus dem Nähkaestchen
FUNKE MEDIEN NRW Mehr Mut zur Farbe! Das ist Hannah Fengers Stylingtipp. Als sie in Berlin gearbeitet hat, lautete der Trend: „Schwarz, Schwarz, Schwarz“. Sie selbst greift am liebsten zu Blau. Dabei lassen kräftige Farben einen frischer aussehen, insbesondere imWinter. Das sieht Hannah Fenger auch bei ihren Kundinnen. Anfangs verkaufte sie nur Schals in zurückhaltenden Tönen. Doch „dank Muddi“ nahm sie eine Knallerfarbe ins Sortiment: ein schöner, satter Beerenton. Ihre Mutter sollte Recht behalten. Der Schal ist der Renner. MEIN STYLINGTIPP Flauschiges für ein gutes Gefühl Anfenger aus Moers verkauft edle Pullis und Capes, Mützen und Schals aus Naturmaterialien wie Schur- und Kaschmirwolle Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Fotos) Moers. Anfänger. Wer will das schon für im- mer sein? Unsicher die ersten Schritte ge- hen, vielleicht auch Fehler machen. Irgend- wann möchte man doch Meister seines Fachs sein und wissen, wo es langgeht. Aber für Hannah Fenger ist ein Anfänger nichts Schlechtes. Er ist einer, der neugierig bleibt und der anfängt – jeden Tag aufs Neue. Da- her heißt ihr Modelabel auch: „Anfenger“. Beim e hat sie etwas geschummelt, aber damit passt der Name ihres Labels besser zu ihrem eigenen Namen. Fenger heißt nicht nur sie, sondern auch ihr Geschäfts- partner: der Papa. Die 27-Jährige ist zwar diejenige mit der Mode-Erfah- rung, sie hat ihren Master gemacht in „Textile Chain Research“, einem BWL-Stu- diengang in Reutlingen, dessen Fokus auf der Textilbranche liegt. Trotzdem haben sie zusammen losgelegt, am heimischen Wohn- zimmertisch, die Tochter und der Vater, der eigentlich Zahnarzt ist. Und das kam so: Als junges Mädchen fuhr die Leistungssportlerin Hannah an vielen Wochenenden zu Wettkämpfen. Und in der Tasche der Fechterin waren oft: Papas flau- schiger Kaschmirpulli, den sie sich aus sei- nem Schrank gemopst hatte. Und eine neue Zeitschrift. Alle Modefotos, die ihr gefielen, riss sie heraus. Zu Hause legte sie Ordner an mit Bildern fürHosen, Kleider, Pullover. „Ich wusste nicht, was ich damit machen werde.“ Aber sie sammelte und sammelte und befeu- erte damit ihre Leidenschaft für Mode. Die Kleidung ist „Made in Germany“ Während eines Praktikums hätte sie fast den Spaß daran verloren. In Berlin arbeitete sie bei einem Onlineversand für Dessous. Da wurde ihr erst richtig bewusst, wie die Textil- branche teilweise arbeitet. Alles andere als menschenfreundlich. Aber vielleicht kann man das Problem lösen?Und so entwickelte siemit ihremVater die Idee für das Label. Ihr Ziel: Made in Germany. „Dann weiß man, wo die Dinge herkommen.“ Und kann die Kleidung mit einem guten Gefühl tragen. 2014 gründeten sie das Label, „da habe ich noch studiert.“ Sie sei mutiger, was Instagram & Co. betrifft. Der Vater bringe seine Lebenserfahrung ein. „Wir treffen uns einmal in der Woche auf dem Markt, essen Suppe und lassen die Woche Revue passie- ren“, sagt Hannah Fenger, die die Zusam- menarbeit sehr schätzt. „Uns hat das noch mehr zusammengeschweißt.“ Als Anfänger dachten die Anfenger, sie würden eine Firma für alles finden. Aber: „Wer strickt, der webt nicht. Und wer ein Kleid näht, kann nicht stricken.“ Heute arbeiten sie mit mehreren kleineren Unter- nehmen in ganz Deutschland zusammen. Hannah Fenger gibt die Ideenvor, die Firmen setzen sie um. Und hier kommt Pa- pas Kaschmirpulli ins Spiel. Denn genau so einen Klassi- ker wollten sie für Frauen schaffen. Locker geschnit- ten, zeitlos, grau – und natür- lich sehr flauschig. Hannah Fenger trägt ihn selbst zusammen mit einem „Betrügerle“ – einemKragen, der am Ausschnitt wie eine Bluse hervor- schaut, aber eben keine Ärmel hat, die sonst schonmal unschönunter demWollstoffWel- len schlagen. Zunächst starteten sie online, dann sah Hannah Fenger ein leeres Ladenlokal und eröffnete einen Pop-up-Store, also ein kurz- fristiges Geschäft, um zu sehen, wie es läuft. Es lief! Anfang 2018 eröffneten sie ein Läd- chen in der Altstadt von Moers. An dem konnte Marie nicht vorbeilaufen. Die 23-Jährige fand die Sachen so schön – und Hannah Fenger fand Marie so super- hübsch, dass diese fragte: „Möchtest du für Anfenger modeln?“ Seitdem steht die Poli- tikwissenschaftlerin vor der Fotokamera. Wie nun mit dem orange-melierten Cape (229 €) aus Schurwolle von australischen Geelong-Schafen. „Alles Naturma- terialien, keine Syn- thetik“, ist einweiteres Anfenger-Credo. Das gilt damit auch für das gestreifte Hemdblu- senkleid (375 €) im satten Beerenton aus Bio-Baumwolle, die sie aus der Türkei bezie- hen. Oder denMützen, die ausMerino- oder Kaschmirwolle (59 - 98 €) sind. Das sind al- les keine Stücke, die man mal eben mit- nimmt. Der Kaschmirpulli kostet 349 €. „Das sind nicht nur zehn Prozent Kasch- mir“, betont Hannah Fenger. „Das sind 100 Prozent.“ Der Preis für das Kaschmircape liegt sogar bei 850 €. Anders sei das bei dem Material und „Made in Germany“ nicht möglich. Wobei der Preis in der Mode-Welt nicht immer ein Kriterium für faire oder ökologi- sche Kleidung sei, betont Hannah Fenger. Man solle nicht nur billige Klamotten kri- tisch beäugen, auch teure Kleidung werde oft in Ländern hergestellt, die es mit den Arbeitsbedingungen nicht immer so genau nehmen. Es könnten zwei Marken sein und vielleicht nähme die teure hochwertigere Materialien, aber auch diemüsse jemand zu- sammennähen. „Das ist dieselbe Hand.“ Beim grauen Flausch-Pulli steht am An- fang der Produktionskette die Ziege, die Kaschmirziege in China oder der Mongolei. Anfenger bezieht dieWolle von einemLiefe- ranten in Italien. Zertifiziert sei der nicht, aber ihm sei das Wohl der Tiere wichtig. „Es ist Vertrauenssache“, so Hannah Fenger, die in Zukunft noch mehr hinter die Kulissen schauen möchte. Zunächst wollten sie ga- rantieren: keine Kinderarbeit! „Aber man kann nicht sofort die ganzeWelt retten, man muss erstmal anfangen.“ Jeden Tag aufs Neue. Und so ist auchauf jedemSchal und in jedemCape ein Aufnäher mit der Aufschrift: „Anfenger – für immer“. Anfenger, Friedrichstraße 14, Moers. Heute (6.10.) ist verkaufsoff ener Sonntag. Online- Shop: anfenger.com SERIE Heute: Anfenger aus Moers Gibt es nur in Grau: den Kaschmirpulli, mit dem die „Anfenger“ anfingen. Han- nah Fenger trägt ihn mit einem „Betrügerle“ – einem Bluseneinsatz. Gibt es in vielen Farben: Schal und Mütze aus Lammwolle. Da bleibt sogar „Greta“ stehen: Der Hund begrüßt Marie. Das Model trägt ein gestreiftes Hemdblusenkleid im Beerenton. Hannah Fengers Großmutter hat nicht nur die ersten Mützen für das Label gestrickt, sondern auch diesen rosafarbenen Pullover aus Mohairwolle mit Zopfmuster. „Ich liebe den!“ So sehr, dass die Oma ihn an den Armen und am Bauch verlängern musste. Denn schließlich war Hannah in der achten Klasse, als sie ihn bekam. „Den trage ich immer noch“, sagt die 27-Jährige. „So einen Klassiker kann man drei Jahre in der Kiste haben und ihn dann wieder hervorholen.“ Und sich daran erfreuen. MEIN LIEBLINGSTEIL Made by Oma: Strickpulli in Ro- sa. FOTO: PRIVAT „Uns hat das noch mehr zusammengeschweißt.“ Hannah Fenger (27) gründete zusammen mit ihrem Vater das Label „Anfenger“ Warm und weich: Marie trägt ein Cape aus Schurwolle. am Sonntag WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 6. Oktober 2019 ab Dezember 2020: Bu gstraße 5, Moers. Online-Shop: anfenger.com Seite 18
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