WR I Aus dem Nähkaestchen
FUNKE MEDIEN NRW Käppi rumlaufen. „Ich meine schon edle Jogginghosen.“ Sie hat zum Beispiel eine schwarze Nickihose entworfen, die mit Bluse und hohen Schuhen oder Boots alltagstauglich wird. Da hätte bestimmt auch Mode-Guru Karl Lagerfeld nichts dagegen gehabt, der einst mal sagte: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Ob ein Kleid, eine Hose oder eine Bluse einem Menschen wirklich steht, hängt vor allem davon ab, ob er sich damit wohlfühlt. Das ist für Clara Hedwig das wichtigste Styling- Kriterium. „ Man kann alles anziehen, wenn man ausstrahlt, dass man sich damit wohlfühlt .“ Auch eine bequeme Jogginghose lasse sich gut stylen. Dabei denke sie nicht an Jugendliche, die in Dortmund mit Jogger, Bauchtasche und MEIN STYLINGTIPP Gemütlich ist das neue Lässig Die Kleider und Hosen von Clara Himmel sollen nicht nur gut aussehen, sondern auch schön bequem sein. Was nützt einem das schickste Teil, wenn es am Bauch zwickt? Von Maren Schürmann (Text), Michael Gottschalk (Fotos) Dortmund. Die Kleider sind weit, die Hosen haben einen Gummizug. Da schnürt nichts ab, da drückt nichts. Und dann erinnern manche Shirts und Pullis auch noch an einen besonders geweb- ten Stoff, in den sich viele Kinder in den 70er- und 80er- Jahren eingekuschelt haben: Nicki. Probier’s mal mit Gemüt- lichkeit. Was Balu, der Bär, einst im Dschungelbuch vor- geschlagen hat, setzt diese Designerin um: Clara Hed- wig – „wie die Eule von Har- ry Potter“. In Dortmund- Hörde hat sie seit 2017 Ate- lier und Geschäft ihrer Mar- ke: „Clara Himmel“. Manmag über diesesWort- spiel schmunzeln. Fest steht: „Der Name bleibt im Kopf.“ Positiv sollte ihr Label klin- gen, das war der 31-Jährigen wichtig. „Und was kann schöner sein als ein klarer Himmel?“ Wobei schnell klar wird, dass sie gemütlich ganz und gar nicht als Balu-tapsig interpretiert. Lässig wirken die Outfits. Es kommt halt darauf an, wie man sie kombi- niert. Mit derben Boots wirkt auch ein weites Kleid cool. Wer mag, kann jamit einemGürtel die Taille betonen, so Clara Hedwig. Damit ein weites Outfit nicht sackig er- scheint, empfiehlt die Modemacherin zum Beispiel eine schwarze, enge Leggings zum langen, weiten Pulli imPu- derton. Das trägt sie selbst gerne. Lange Shirts für die nächste Kniebeuge Die T-Shirts sind ebenfalls lang, damit frau sich immer „angezogen“ fühlt. Auch, wenn sie in die Hocke geht. Die Jeans sind zwar heute am Bauch höher geschnitten als noch vor wenigen Jahren beim Hüfthosen-Trend. Trotzdem birgt auch heute noch eine Kniebeuge die Ge- fahr eines „Bauerarbeiter-Dekolletés“. Mit der richtigen Shirt-Länge bleibt der Rücken stets verhüllt. Es sei denn, man hat so ein schönes Tattoo wie Stella Würminghausen. Die 25-Jährige ist nicht nur eine von zwei Aushilfen bei Clara Himmel. Die Kauffrau im Ge- sundheitswesen zeigt auch gern die himmlischen Kla- motten – für Instagram und für unsere Serie. Eigentlich trägt man den Kimono wie jede Jacke vorne geschnürt. Aber Stella schlüpft verkehrt herum in die Ärmel – und zeigt so das Tribal auf Höhe der Schulterblätter. AnHerbstlaub erinnert die Farbe des doppelgewebten Baumwollstoffs. ClaraHedwig hatte zuvor ihreCommu- nity gefragt: Welche Farbe findet ihr cooler? Khakigrün oder Rostrot? Die Kundinnen haben sich für Rostrot entschieden. „Über Insta kann man sich direkt Feed- back holen.“ Und auch Ideen für Neues: „Socken!“ Die Community wünscht sich Socken? Soll sie haben Nun sucht die Designerin noch einen Partner, denn im Näh-Atelier geht das nicht: „Socken muss man stricken lassen.“ Aber wenn sich die Community Socken wünscht, dannwird es Socken geben, erzählt ClaraHed- wig lachend. Sie lacht viel und gerne. Nicht so ein lautes, aufgesetztes Lachen, sondern ein leises, fröhliches, bei demdie Augen leuchten. Sie gibt das Design vor, aber sie muss nicht alles selbst entscheiden. Obwohl sie der Kopf von Clara Himmel ist, kommt ihr ein „Ich“ selten über die Lippen. Sie bleibt lieber beim „Wir“. Neben den bei- den Aushilfen konnte sie mittlerweile auch noch eine Schneiderin einstellen. Anfangs hat sie alles alleine gemacht, neben ihremBe- ruf am Schauspiel in Dortmund – „eine verrückte Zeit.“ Eigentlich ist Clara Hedwig Kostümbildnerin. Das Fach mit Schwerpunkt Modedesign hat sie in Hannover stu- diert. Diese „abgefahrenen Sachen“, die sie für die Büh- ne gemacht hat, seien etwas völlig anderes, etwas für den Moment. Aber es habe in ihr gebrodelt, Mode zu entwer- fen, die zeitlos ist – ohne Inszenierung. Während eines Praktikums bei Joop schenkte man ihr Stoffe. Das war der Anreiz, selbst für Kunden zu nähen. Mit einem Turnbeutel hat Clara Hedwig am Küchen- tisch angefangen. Den hat sie über das einstige Portal für Selbstgemachtes verkauft: Dawanda. Dann wurde die Nachfrage immer größer. Und die Wohnung zu klein. Sie sah den leeren Laden. „Soll ich es wagen?“ Ja! Eigentlich suchte sie nur eine Werkstatt für Nähmaschi- nen, Schneidertisch, Regale mit Stoffrollen und einen La- gerraum. Denn die Kleidung verkauft sie online. Aber dann waren da diese großen Schaufenster. „Da muss man einfach etwas zeigen.“ So kam sie zu ihrem Geschäft. Alle Klamotten sind Hand- arbeit. Das meiste wird in Dortmund genäht, ein klei- ner Teil in Portugal. „Ich war vor Ort, die arbeiten auch fair.“ Die Stoffe bezieht Clara Hedwig von einem Groß- händler inHolland. Sie seien alle Oeko-Tex-zertifiziert. Bio-Material ist ihr Ziel. „Ich arbeite daran.“ Aber Produktion in Deutschland und al- les Bio? „Es wäre sehr viel teurer.“ Ein Kleid kostet zur- zeit 99,90 bis 169,90 €. Clara Hedwig möchte Lieblingsteile schaffen, die ihre Kundinnen auch noch nach fünf Jahren gerne aus dem Schrank holen. „Das ist nachhaltig.“ Und sie rät zumRe- parieren. „Eine Hose, die im Schritt ein bisschen auf- geht, kann man flicken und trotzdem tragen.“ „Das ist Greta“, sagt Clara Hedwig und zeigt auf ein Nicki-Kleid. Ist derNameZufall? „IchbinFanvonGreta Thunberg, aber ich habe das Kleid nicht ihr gewidmet.“ Der Name der Umweltaktivistin war wieder eine Ent- scheidung der Community. Stella zieht nun „Stella“ aus – denNamen für den rost- roten Kimono hat Clara Hedwig dann doch mal selbst ausgesucht. Stattdessen schlüpft Stella nun in „Mareike“ – ein weites marinefarbenes Kleid. Dazu darf das dicke Stirnband im Gelbton nicht fehlen. „Unser Dauerbren- ner.“ In verschiedenen Farben. Aber auch dieses Acces- soire ist nicht nur schick. In der kühlen Jahreszeit hält es die Ohren warm. Mode hat lange Zeit Frauen eingeengt Am Arm trägt Stella ein filigranes Armband. Auch das gehört zum Label. Clara Himmel arbeitet mit einem Dortmunder Goldschmied zusammen. Ohrstecker oder Ketten sind dabei, wie die mit dem Buchstaben-Anhän- ger (59,90 €). Der Schmuck lässt sichmit bequemer Klei- dung kombinieren. „Ich trage die Sachen auch Probe, gucke, ob sie gemüt- lich sind“, sagt Clara Hedwig. Mode habe über Jahrhun- derte die Frauen eingeengt. Im Studium musste sie Kor- sagen nähen und sich darin einschnüren. „Ich fand es schrecklich.“ Aber selbst eine Jeans, bei der man sofort den Knopf wieder öffnen möchte, sei nichts für sie. „Unsere Kleidung ist locker – und trotzdem schön.“ Clara Himmel, Wellinghofer Str.44 in Dortmund: Don- nerstag und Freitag, 11 bis 18 Uhr, clarahimmel.net „Über Insta kann man sich direkt Feedback holen.“ Clara Hedwig (31) fragt über Instagram, welche Farbe oder welchen Namen ein Kleid haben soll. Auf dem Foto trägt sie die Hose „Gatsby“ mit Gummizug Eine „uralte“ Lederjacke ist Clara Hedwigs Lieblingsteil. In einem Secondhand-Laden hat sie das gute Stück entdeckt und von ihrem ersten „Theatergeld“ gekauft. Da hatte sie gerade als Kostümbildnerin amSchauspiel in Dortmund angefangen. Die französische Designerin Isabel Marant hat die Jacke kreiert. „Ein großes Vorbild von mir“, sagt die 31-Jährige. Sie liebt Originale . „Ich finde es furchtbar, wenn kopiert wird.“ Taschen zum Beispiel, die etwa ein gefaktes Chanel-Logo tragen. „Dannwarte ichdoch lieber achtMonate, bis ichgenug Geld gespart habe und freue mich dann so richtig.“ Oder man schaut wie sie in Secondhand-Läden. Zumal das ja auch viel nachhaltiger sei. Und dass ein Kleidungsstück getragen aussieht, findet sie nicht schlimm. Im Gegenteil: Anfangs war das Leder ihrer Jacke schwarz. Heute ist es „grau-grün-schäbig“, sagt Clara Hedwig lachend. „Ichmag den Look. Ich glaube, ich werde die Jacke bis ans Ende meiner Tage tragen.“ Heute: Clara Himmel in Dortmund Model Stella mit dem rostroten Kimono „Stel- la“, der marinefarbenen „Mareike“ und dem Ni- cki-Kleid „Greta“ (l.). SERIE MEIN LIEBLINGSTEIL Das Schmuck-ABC: Diese Ketten zeigen Buchstaben mal in Sil- ber, mal in Roségold. Die Lederjacke ist Clara Hedwigs Lieblingsteil. Sie passt zum Nicki-Shirt aus der eigenen Kollektion. am Sonntag WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 13. Oktober 2019 Seite 19
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