WR I Aus dem Nähkaestchen

FUNKE MEDIEN NRW Einmal wie Audrey Hepburn sein Nicht viel Haut zeigen und trotzdem weiblich wirken, dafür stehen die Kleider, die Andrea Ewers für ihre „Rockabillymode“ in Duisburg schneidert. Eine Zeitreise in die 40er- bis 60er-Jahre Auf zum Bowling: Gina Kapalas liebstes Outfit aus Jeansstoff mit Retro-Sporttasche und -Schuhen. Serie Heute: Rockabillymode Heute ist der Petticoat so schön, da darf er unter dem weiten Kleid hervorblitzen. Ein Turban: „Während der 50er war der Orient Mode“, erklärt Andrea Ewers. Von Maren Schürmann (Text) und André Hirtz (Fotos) Duisburg. Die Musik gefiel ihr, aber vor allemdieMode, die die Frauen in dem Film „Alle lieben Peter“ getra- gen haben. Als Kind hat Andrea Ewers mit der Oma vor dem Fernse- her gesessen und die Damen be- staunt, die Peter Kraus umschwärm- ten. Die weit schwingenden Kleider für den Abend, die Kostüme für den Tag! Aber auch die Caprihosen der Backfische: „Hohe Taille, Haarbän- der, ärmellose Blusen – das war sehr schick.“ Die Liebe zu dieser Kleidung ist bis heute ungebrochen. Für ihr eige- nes Label „Rockabillymode“ schnei- dert die 43-Jährige in Duisburg Mo- de der 40er- bis 60er-Jahre. „Haupt- sächlich der 50er.“Dort fühlt sie sich zu Hause und nicht so verkleidet, wie in ihrer eigenen Jugend – in den 80er-Jahren. „Ich habe die Schulter- polster immer rausgeschnitten.“ Auch für Frauen mit Rundungen Schulterpolster? So etwas hatten Frauen wie Audrey Hepburn und Sophia Loren nicht nötig. Diese Stil- ikonen schauen von Schwarz-Weiß- Fotos ins Geschäft. Dort hat sich vor einiger Zeit die Duisburgerin Gina Kapala nach einem Kleid umge- schaut. Es sollte etwas Besonderes sein, für die Hochzeit ihres Cousins. Andrea Ewers sah die Kundin und dachte: Sie ist meinModel! Und seit- demschlüpft die 22-Jährige gerne für Fotos in die Kleider. „Die Taille ist betont, die Hüfte bedeckt. Das steht jeder Frau“, erklärt Andrea Ewers. Auch denen, die etwas mehr Rundungen ha- ben. „Unser Model ist auch nicht Kate Moss.“ Gina Kapala greift mit Handschu- hen in den schwarz-weiß-karierten Rock und schwingt ihn hin und her. AmSaumblitzt schwarze Spitze her- vor. „Früher war der Petticoat Unter- wäsche“, sagt Andrea Ewers. Er wur- de aus Tüll hergestellt oder steifge- machter Baumwolle. Heute nehme man Organza oder Organdy, das sei weicher, schöner. Damit könne man „einen Akzent setzen“. Karos waren früher modern und sind es wieder. „Das ist gut, dann be- komme ich besser Karo-Stoff“, sagt Andrea Ewers. Den bezieht sie aus Groß- britannien oder Tschechien. Öko- stoffe würde sie ger- ne nehmen, aber der Preis sei ihr zu hoch. Für einen Rock brauchen sie und ihre zwei Schneide- rinnen eine Woche, ein aufwendiges Hochzeitskleid nimmt mehrere Mo- nate Zeit in An- spruch. Ein Karo- kleid kostet etwa 120 €, ein Kostüm 200 €. Individuelle Wünsche sind willkommen. Für die kalten Tage bietet sie ein schwarzes Samtkleid an – etwas für Weihnach- ten: „Man ist schön eingepackt und trotzdem festlich.“ Dazu Stiefeletten und der rote Mantel, unter dem die Kleider schwingen dürfen. „Ab und zu bringen die Männer ihre Frauen mit“, sagt Andrea Ewers. „Sie denken: ,Ach, das wäre schön, wenn mei- ne Frau das anhät- te.’“ Erst seien manche skeptisch, weil sie seit Jahrzehnten kein Kleidmehr an- gezogen hätten. Aber dann! „Man hat nicht zu viel gezeigt und doch sehr viel Weiblichkeit“, sagt Andrea Ewers, deren eigener Rock ebenfalls die Knie umspielt. „Ichmag es nicht, wenn man die Kniekehlen sieht.“ Bisher können dieMänner nur zu- schauen, wenn sich ihre Frauen in Andrea Ewers Laden verwandeln. Aber das soll sich bald ändern. Sie möchte das Angebot erweitern, Männern stilechte Hemden schnei- dern – und eine zu- sätzliche Filiale in Düsseldorf eröffnen, wo sie auchModede- sign studiert hat. Ideen für neue Schnitte bekommt sie beim Stöbern in Secondhandläden. Sie liest Vintageblogs und blättert in Zeit- schriften. Auf ihrem Nähtisch liegen: „Ihre Freundin“ und „Madame“, Ausga- ben aus den 50ern. Das Frauenbild dieser Zeit ent- spricht nicht demder Designerin. Sie ge- nießt es zwar, wenn einMann ihr die Tür aufhält oder ihr in den Mantel hilft, aber ein „Heim- chen amHerd“ ist Andrea Ewers be- stimmt nicht. Die Selbstständige und Mutter von einer sechsjährigen Tochter, die auch Kleider liebt, sagt: „Man sucht sich den Style aus und kann trotzdem als selbstbestimmte Frau durchs Leben gehen.“ „Viel Spaß beim Bowlen“, scherzt Andrea Ewers und drückt Gina Ka- pala zur Jeans-Kombi aus Rock und Jacke eine große rot-weiße Bowling- tasche indieHand. Anfangs verkauf- ten sich kleine Täschchen sehr gut. Heute nicht mehr. „DieHandys wur- den zu groß“, sagt Andrea Ewers la- chend. „So muss man sich doch ein bisschen der Zeit anpassen.“ Herzkleid-Boutique, Friedrich-Wil- helm-Str. 77 - 79, Duisburg, Online- shop: rockabillymode.de „Die Männer bringen ihre Frauen mit.“ Andrea Ewers , Designerin Der passende Mantel zu den weit schwin- genden Kleidern. Der Anfang der Mode- Liebe: Omas Entwürfe. Dieses Mal ist es kein Kleidungsstück, sondern eine Modezeichnung der Oma, die die Designerin niemals hergeben wür- de. Als Mädchen hat Andrea Ewers ihrer Großmutter immer über die Schultern ge- schaut, wenn sie mit Bleistift und Zettel Blusen und Kleider entwarf. Ihr war es nicht vergönnt, eine Schneiderlehre zu machen oder gar Design zu studieren. Doch die Hausfrau und Mutter vererbte ihre Liebe zur Mode an die Enkeltochter. Mein Lieblingsteil Als Kind hat man die Kirschen wie Ohr- ringe getragen. Als Frau trägt man sie immer noch, dann sind die Früchte al- lerdings künstlich. Dazu eine ausgefal- lene Tasche oder besondere Schuhe. Und im Winter werden die Hände schön warm im Muff. „Accessoires sind ganz wichtig, dann kann man dem Out- fit immer eine andere Aussage geben“, sagt Andrea Ewers. „Mal sehr schick, mal sehr rockabilly.“ Mein Stylingtipp Was soll es heute sein? Täschchen, Kirschohrringe oder wärmender Muff? Seite 22

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