WR I Aus dem Nähkaestchen

FUNKE MEDIEN NRW Ein besonderer Augenblick Die kleine Manufaktur BO44 in Bochum stellt noch selbst Brillen her. Zwei Goldschmiede fertigen alle Gestelle in Handarbeit Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Fotos) bochum. Alexander Luks ist Brillen- träger. Das sieht man an demGestell auf seiner Nase. Und seine Ge- schäftspartnerin? „Ich normaler- weise auch“, sagt Tanja Wagener schmunzelnd und schaut sich imBü- ro in Bochum suchend um. „Ich weiß nur nicht, wo sie hin ist.“ Die 45-Jährige ist ein großer Bril- len-Profi, aber das ändert nichts da- ran, dass auch sie mal die Gläser ver- legt. Ihre Manufaktur BO44 (BO steht für Bochum, 44 ist der Anfang der Postleitzahl) zählt zu den ganz wenigen Firmen in Deutschland, die noch selber Brillen herstellen. Wagener und Luks sind eigentlich gelernte Goldschmiede. Beide ha- ben zeitversetzt bei einemOptiker in Hattingenangefangen. „Es gibt nicht den Beruf ,Brillenbauer’“, erklärt Wagener den Weg. In Lüdenscheid haben sie sich dann bei einem ande- ren Arbeitgeber kennengelernt. Aber der Optiker habe zunehmend in China produzieren lassen. Die Qualität gefiel den beiden nicht. Luks sagt lächelnd: „Da sind wir auf die doofe Idee gekommen, es selber zu machen.“ Warum war die Selbstständigkeit Anfang 2010 zunächst keine gute Idee? „Wir sindHandwerker, wir ha- ben kein BWL studiert“, sagt Luks. „Man kann das geilste Produkt ha- ben, wenn man keinen hat, der es verkaufen kann, geht es unter.“ Aber dann knüpften sie Kontakte, lernten Karl Seher kennen. Der 71-Jährige kennt die Branche und den Vertrieb. Luks: „In den letzten vier Jahren können wir nicht klagen.“ Modeaccessoire statt Medizinprodukt In der Kindheit des heute 36-Jähri- genwar eine Brille eher einMedizin- produkt als einModeaccessoire, das man farblich auf die Kleidung ab- stimmt. Als Teenager weigerte sich Luks, die hässlichen Gestelle zu tra- gen. Die ersten Brillen, die er damals beim Optiker in Hattingen herstell- te, machten da schon mehr her: Schmuckbrillen, teilweise mit Swa- rovski-Steinen. „Da gab es noch so viel Chichi“, sagtWagener. „Jetztma- chen wir genau das Gegenteil.“ Sehr geradlinig wirken die Gestelle von BO44, nicht so verspielt. Wagener: „Der Trend geht wieder mehr zu randlosenBrillen, eswird filigraner.“ Luks: „Die Formen werden größer, aber die Gestelle minimalistischer.“ Das Team arbeitet mit Edelstahl undAcetat. „Unter denKunststoffen ist es das umweltverträglichste über- haupt“, so Luks. Baumwolle oder Buchenholz sind oft die Basis für dieses Material. „Es lässt sicht gut fräsen, feilen, polieren.“ Sie bezie- hen es aus Italien. Luks: „Da sitzen noch viele Hersteller von Rohmate- rial.“ Werden Gestelle lackiert, gibt BO44 das bei einer Firma in Süd- deutschland in Auftrag. Den Rest machen sie selbst in der Werkstatt auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Hannibal. SechsMonate dauert die Entwick- lung einer neuen Brille – „mindes- tens“, so Luks. Am Anfang ist eine Skizze. Sie wird auf den Computer übertragen und am 3D-Drucker aus- gedruckt. Mit diesem Muster kön- nen sie prüfen: Ist das Modell zu klein, zu breit oder genau richtig? Später wird die Fassung compu- tergesteuert aus einer Acetat-Platte gefräst und leicht gebogen. In drei Trommeln wird sie je 24 Stunden ge- schliffen und poliert. „Danach be- arbeiten wir jede Fassung per Hand“, so Wagener. Sie poliert das Material noch einmal zehn Minu- ten, damit die Flächen auch ganz glatt sind. Dann montiert sie das Ge- stell. Winzige Schräubchen, filigra- ne Stege – für diese feine Arbeit be- nötigt man sehr gute Augen oder eben eine Brille. Ein Scharnier ha- ben sie sich patentieren lassen: Da- mit lässt sich das Gestell anpassen, ohne dass der Optiker eine Zange in die Hand nehmen muss. Seher: „Wir arbeiten nicht auf La- ger, sondern auf Bestellung.“ Der Optiker ordert Brillenfassungen, mit denen sich Kunden im Spiegel be- trachten können. Gefällt die Farbe noch nicht, können sie im Katalog zwischen verschiedenen Mustern und Bügeln wählen. Und wenn je- mand etwa einen sehr breiten Kopf hat, passt BO44 das Gestell entspre- chend an. Die Brillen von BO44 verkaufen traditionelle Optiker in Deutsch- land, der Schweiz, den Beneluxlän- dern und vereinzelt in Japan. In Fi- lialen von Ketten findet man die Ge- stelle aus Bochum jedoch nicht. Die kleineFirma könnte die großenMar- gen nicht liefern. Und: „Wir stellen in Deutschland her“, so Seher. „Da kann man den Preis nicht drücken.“ 350 bis 420 Euro kostet ein Gestell. Mittlerweile hat Tanja Wagener ihre Brille gefunden. Sie stammt aus der KollektionLealeks und trägt den Namen „A40“. Bei aller Verbunden- heit mit der Heimat: „Die Bezeich- nung hat nichts mit der Autobahn zu tun.“ Die Brillen gibt es nur beim Optiker. BO44 gibt per Mail Auskunft über die Anbieter: kontakt@bo44.de (bo44.de) serie Heute: bO 44 Weniger ist mehr – der tipp gilt auch für die Brillen, so das team von Bo44. „eine auffällige Brille steht nicht jedem“, sagt tanja Wagener. Hat man sich trotzdem für eine Brille entschieden, die sofort ins Auge sticht, empfiehlt die goldschmiedin, den rest et- was zurückzunehmen. „ein auf- fälliges teil reicht, dann muss man nicht noch einen großen Hut tragen.“ Mein stylingtipp Das Bo44-team bekennt sich zu den Wurzeln des ruhrgebiets und zeigt sich auf Messen als Firma aus der Bergmannsregion. Dort tragen sie gerne Klamotten der gladbecker Marke „grubenhelden.“ Das Hemd mit den typischen blau-weißen streifen ist Luks Lieblingsteil. Wa- gener schlüpft oft in den blau-grau- en Poncho. Der hat zwar nichts mit dem Bergbau zu tun, ist aber schön weich. Luks experimentiert zurzeit an einer neuen Brille, die er so schleifen will, dass das Acetat am ende so aussieht als wäre es Kohle. Mein lieblingsteil sie stehen zur Zechen-ge- schichte: tanja Wagener und Alexander luks. sie trägt eine brille aus der Kollektion „lealeks“, er aus „brillen- art“. Jede brille aus Acetat schleifen tanja Wagener oder ihr geschäftspartner noch mal per Hand ab, damit die Flächen auch schön glatt sind. Die ersten Muster drucken sie mit dem 3D-Drucker aus. Anzeige am Sonntag WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 1. Dezember 2019 Bauholz aller Art Boden, Wand & Decke Türen & Bauelemente Zäune und vieles mehr! Farben & Zubehör für Profi und Privat! Donnerfeld 8 - 59757 Arnsberg - Tel: 02932 / 9705-0 - www.scheiwe-holz.de Seite 25

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