WR I Aus dem Nähkaestchen
FUNKE MEDIEN NRW Von Maren Schürmann bottrop. Als sie anfingen, lebte Ale- xander Klars Großvater noch. Der war skeptisch, was sein Enkelsohn da trieb. Aber der dachte: „Was kann schon passieren? Schlimmstenfalls trage ich bis zum Ende meines Le- bens meine eigenen T-Shirts.“ Denn 2011 fand er keine in Bio-Qualität, die fair hergestellt wurden und nicht öko aussahen. So gründete der Bott- roper sein eigenes Label – „108 De- grees“ – zusammen mit einem Freund. Heute verkaufen sie Shirts undLongsleeves, Socken undUnter- hosen. Sein Kollege Marc Schwarz: „Wir wollten zeigen, dass es cool sein kann, bio zu tragen.“ Die Farbe eines Shirts oder einer Unterhose für Sie und Ihn ist nicht „Jutesackbeige“, sie knallt: Türkis, Violett, Rot. Ein paar weiße und schwarze Teile sind zwar auchdabei. Aber die beiden Modemacher mö- gen Farben. Auf dem leuchtend gel- bem Langarmshirt, das Marc Schwarz anhat, ist eine Frau abgebil- det, die 60er-Jahre-typisch auf einem Roller sitzt (44,95 €). Wie passt ein Benzinfresser zu einem Öko-Label? Doch wer die Schrift darunter liest, hat die Antwort: „The E-Scooter Re- volution“. sie lernten nach und nach dazu „Wir wollten nie erkennbar fair und bio sein“, so Alexander Klar. Man- che Motive hat der 45-Jährige selbst erdacht, andere ließen er und sein 39-jähriger Kollege von verschiede- nenDesignern kreieren. Bei der Pro- duktion mussten sie nach und nach dazu lernen: Die ersten Unterhosen ließen sie zumBeispiel aufMauritius anfertigen. Aber dieMasse war dann überhaupt nicht klasse. Die zuvor geschickten Muster sahen besser aus. „Da gab es große Qualitätsab- weichungen“, so Alexander Klar. Also schauten sie sich nach einem Partner in Deutschland um, der die Qualität sicherstellt. Sie fanden einen, der heute zumBeispiel die So- cken in der Türkei fertigt, die Unter- wäsche in Rumänien. Alles sei GOTS zertifiziert, der Hersteller der Shirts und Longsleeves sei zudem Mitglied bei der Fair Wear Founda- tion, die gute Arbeitsbedingungen garantiert. serie Heute: 108 Degrees Farben sollen knallen: Marc schwarz (l.) und Alexander Klar vom Mode- label „108 Degrees“ mögen es bunt. Foto: ingo otto / FUnKe Foto services Buxen aus Bottrop Die Macher von „108 Degrees“ bringen Farbe ins Spiel – bei Shirts, Socken und Unterhosen. Wichtig ist ihnen: Alles ist öko. Nur soll das keiner auf den ersten Blick sehen Lediglich auf Bio-Baumwolle zu achten, war den beiden Mode- machern zu wenig. „Der richtige Chemieeinsatz kommt danach, bei der Verarbeitung und der Färbung“, sagt Klar. So lassen sie ihre Kleidung testen. Das Bremer Umweltinstitut entdeckte bei den ersten Unterho- sen chemische Rückstände. „Es wa- ren insbesondere Metalle, wie zum Beispiel Kupfer.“ So etwas wollten sie nicht auf ihrer Haut haben. Da- her lassen sie auch die meistenMoti- ve bei einer Firma in Fürth auf die Shirts drucken: Siebdruck mit was- serbasierenden Farben, ebenfalls zertifiziert nach GOTS (ab 29,95 €). Aber damit noch nicht genug: Auch die Etiketten bei den Shirts sind nicht aus Polyester, obwohl das billiger gewesen wäre, sondern aus naturbelassener Baumwolle. Sie ha- ben ein Konto bei der Ökobank GLS, sie nutzen recycel- tes Papier und statt Luftpolstertaschen nehmen sie Well- pappe als Schutz. Die Pakete werden nicht mit Plastik verklebt, die Strei- fen wurden auf Papierbasis herge- stellt. Und auch der Drucker wurde einfach repariert. „So verlängernwir seinen Lebenszyklus“, erklärt Ale- xander Klar diesen Schritt der Nach- haltigkeit. „Wenn schon, dann richtig“, sagt Schwarz. Woher kommt die Motiva- tion, möglichst alles ökologisch und sozial einwandfrei herzustellen? Beide zucken mit den Schultern, als ob sie die Frage nicht verstehen wür- den – für sie ist dieser Weg selbstver- ständlich. „Wenn man Gutes tun kann...“, sagt Alexander Klar, der sich vegan ernährt. „Umweltverbun- den war ich schon immer.“ Und Marc Schwarz sagt bescheiden: „Vielleicht sind wir so erzogen wor- den.“ Wobei sie einen Vorteil haben: Sie müssen nicht davon leben. Alexan- der Klar ist Diplom-Ökonom, arbei- tet als Controller in einem großen Konzern, der Wasch- und Reini- gungsmittel herstellt. Er wollte sich schon immer gerne selbstständig machen, ihm fehlte nur lange Zeit die richtige Idee. Nun freut er sich, dass er nicht mehr nur mit Zahlen jongliert, sondern auch kreativ arbeitet. Hilfe hat er auch: Seine Mutter packt schon mal die Pakete. Marc Schwarz ist Kaufmann, er kommt aus derMode-Branche, hatte mal einen eigenen Laden in Bottrop und ist jetzt im Online-Handel tätig. Alexander Klar sagt zu „108 De- grees“: „Es ist quasi unser Hobby.“ Die heilige Zahl im namen Warum die Zahl 108? „Es ist eine heilige Zahl zum Beispiel im Bud- dhismus“ sagt Klar, der dazu viele Bücher gelesen hat. „Ich finde die Kultur interessant.“ Die Gebetsket- ten imBuddhismus und imHinduis- mus haben 108 Perlen. In Japan wer- denanNeujahr dieGlocken108mal geläutet, umdenKörper vonden108 Übeln zu befreien, so Klar. Aber auch weltlich be- trachtet, hat die Zahl 108 eine Be- deutung. Etwa beim Baseball: So muss ein Vorschriftsball mit 108 Stichen ge- näht werden. Also waren die Freunde überzeugt: 108 ist die perfekte Zahl für ihr Label. Wobei die Buxen etwa in Türkis mit violettfarbenemBündchennicht rein bio sind, ein achtprozentiger Elasthan-Teil ist schon dabei. Klar: „Sonst würden sie die Form nicht halten.“ Bequem sollen die Buxen schließlich auch sein. Daher gibt es bei ihnen überhaupt keine kratzen- den Etiketten. Und: „Wir gucken, dass sich die Gummibänder gut auf derHaut anfühlen“, so Schwarz. Die Unterhosen für Sie (ab 14,95 €) und Ihn (ab 16,95 €) haben alle die Pants-Form, also angedeutete Beine, die eng anliegen. Marc Schwarz, der sie auch beim Badminton-Training trägt, beschreibt den Stil: „Nicht zu sexy, eher casual und sportlich.“ Klar und Schwarz wollen keine neuen Shirts mehr produzieren. „Das machen alle.“ Schließlich hat sich die Öko-Branche in den letzten Jahren stark gewandelt. Siemöchten mehr Socken und Unterhosen ver- kaufen, das machen nun wirklich nicht alle. Und sie wollen weiter mit Farbe experimentieren. Obwohl Schwarz zugebenmuss, dass die Far- be Schwarz am besten läuft. Aber warum nicht bei der Mode mehr Mut wagen? So sollen die Buxen aus Bottrop noch bunter werden. „Far- benmachen fröhlich“, sagt Schwarz. Und Klar ergänzt: „Was kann schon passieren? Schlimmstenfalls trage ich bis zum Ende meines Lebens meine eigenen Unterhosen.“ Onlineshop: 108degrees.de „Wir wollten zeigen, dass es cool sein kann, bio zu tragen.“ Marc schwarz (39), Modemacher Foto: 108 Degrees Das weiße shirt ist nicht mehr schneeweiß – so oft hat es Alexander Klar getragen, seitdem er vor rund 25 Jahren den schriftzug in einem t-shirt-Druckla- den auf stoff verewigen ließ: „My god was a 303.“ Der Mann hinter „108 Degrees“ mag anscheinend Zahlen. Das liegt nicht nur daran, dass er als cont- roller arbeitet, sondern in seiner Jugend in der tech- no-szene als DJ unterwegs war. Denn die Zahl be- zieht sich auf den anbetungswürdigen „tB-303“ von der Firma „roland“ – einen analogen synthesi- zer. „Das war ein Kultteil, das 1994 nicht mehr her- gestellt wurde, aber für Acid-techno essenziell war“, so Klar. „er brachte verdrehte, nicht wieder- holbare tonfolgen hervor.“ Mein lieblingsteil ton in ton? Das ist doch langweilig, fin- den die Macher von „108 Degrees“. selbst Alexander Klar, der als controller nicht allzu lässig herumlaufen kann, bringt im Büro Farbe ins spiel: „Bor- deauxrote socken zu einem dunkel- blauen Anzug und schwarzen schuhen – das sieht sehr gut aus.“ Auch ein knalliges Blau an den Füßen sei ein gu- ter Blickfang. „ein kleiner Akzent“, sagt Marc schwarz. Aber am ende komme es immer darauf an, ob man sich selbst mit der Kleidung mag. schwarz’ styling- tipp lautet daher: „trage, was dir spaß macht. Du musst dich wohlfühlen.“ Mein stylingtipp Mehr Farbe wagen: etwa mit leuchtend blauen socken. Foto: i. otto am Sonntag WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 5. Januar 2020 Seite 30
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjExNDA4