WR I Aus dem Nähkaestchen

FUNKE MEDIEN NRW Nach ihren ersten Nähversuchen war dieses petrolfarbene Kleid das erste, das Anne Kathrin Köpke selbst getra- gen hat. Das ärmellose Kleid ist tail- liert und hinten etwas länger als vor- ne geschnitten. Am Rücken blitzt Haut hervor – und zwar durch ein „Cut Out“, wie das Loch in der Näh- sprache heißt. „Es ist nicht perfekt“, sagt Anne Kathrin Köpke, aber eine schöne Erinnerung an ihren 30. Ge- burtstag. Denn in dem luftigen Kleid hat sie im heißen Sommer ihren Ehren- tag gefeiert. MEIN LIEBLINGSTEIL Von Maren Schürmann (Text) und Ingo Otto (Fotos) Duisburg. Es hält nicht nur einen gu- ten Wein in der Flasche, es macht sich auch gut als Tasche: Kork. Anne Kathrin Köpke aus Duisburg kombi- niert den Naturton mit leuchtenden Farben, wie Rosé oder Bordeaux. Da kann man sich nur schwer entschei- den: Gefällt einem der Shopper bes- ser oder die Umhängetasche? Das Nähen liegt der 35-Jährigen eigentlich im Blut: Oma Grete hat ihr Sticken, Stricken, Häkeln und das Nähen gezeigt. Oma Lore – „eigentlich Hannelore“ – besaß eine Näherei und Stickerei. In Erinne- rung an die Großmütter nennt Anne Kathrin Köpke ihr Label „Grete & Lore“. Wobei der Schriftzug von Grete etwas geschwungen ist – wie die Hügel im Sauerland. „Ich kom- me aus Iserlohn.“ Der Name Lore wirkt kantiger, passend zur Bergbau- Lore. „Ich bin ein Ruhrgebiets-Fan.“ Fürs Studium kam sie ins Revier. Heute arbeitet sie als Vertriebspro- zessmanagerin in einer Firma für Tierbedarf. Die Wirtschaftswissen- schaftlerin suchte einen Ausgleich zu den Zahlen. Sie besuchte einen Näh-Workshop, brach einen weite- ren Kurs aber ab – 15 Leute und eine Lehrerin, das war ihr nicht intensiv genug. Also schaute sie sich Videos im Internet an, studierte Nähzeit- schriften. Und verstand so viel, wie bei der Lektüre eines Textes aufGrie- chisch. Aber sie googelte tapfer die Fachbegriffe und siehe da – irgend- wann waren die ersten Babysachen für ihre Nichten fertig. Mit den Klamotten, die sie für sich selbst nähte, war sie nicht so glück- lich. EinMuster, das auf einemStoff- ballen schön aussieht, muss noch lange nicht am Körper gefallen. Bis sie auf der Creativa-Messe in Dort- mund einenKorkstoff entdeckte. Sie erinnerte sich an den letzten Urlaub in Portugal, wo sie alles Mögliche aus Kork machen. „Ich habe sogar ein Brautkleid aus Kork gesehen.“ Und selbst Schirme aus Kork gibt es. Sie überlegt, sich einen anzuschaf- fen, umden Skeptikern zu beweisen: Kork hält dicht. Vor vier Jahren nähte sie sich ihre erste Korktasche, gab mit einemMe- tallic-Rosé einen schönen Farb- klecks dazu – und konnte sich vor Anfragen nicht mehr retten: Woher hast du die denn? Erst wurden die Wünsche der Freunde und Familie erfüllt, dann ging sie mit ihrem Freund, der für einen amerikani- schen Hersteller kunterbunte So- cken vertreibt, auf Designmärkte. Und sie hatte Erfolg. So viel, dass sie mittlerweile andere nähen lässt: von einer Behindertenwerkstatt in der Nähe von Flensburg. „Es war nicht leicht, eine zu finden.“ Denn so schön Kork ist, er ist nicht ganz so leicht zu verarbeiten. Jüngere Kundinnen nehmen ger- ne die Bauchtasche, die jawieder an- gesagt ist. Dann aber nicht um die Taille getragen, sondern als Cross- Body-Bag, also einmal quer über den Oberkörper gelegt (Waist-Bag, 59 €). Etwas Ältere greifen zur Um- hängetasche, die sie mit wenigen Handgriffen ruckzuck zum Ruck- sack umbauen. „Man hat ja schon mal hier und da Probleme mit der Schulter“, sagt Köpke (Bucket-Bag klein: 89 €, groß: 109 €). Wenn eine Kundin eine andere Farbkombi wünscht oder weitere In- nentaschen, setzt sie sich selbst an die Nähmaschine. Eine größere Ta- sche, mit der man über Nacht verrei- sen könnte, gibt es bisher erst ein- mal. Köpke hat sie ihrem Freund ge- schenkt – eine Sporttasche. Sie möchte mehr für Männer machen, vielleicht Portemonnaies. Denn auf den Märkten fragen die Männer: „Gibt’s kein Kork für Kerle?“ Dann streichen sie ungläubig mit den Fin- gern über das Material und sind er- staunt, wie weich es ist. „Viele den- ken bei Kork an die Pinnwand.“ Aber ihr Stoff ist fein und formbar – „und die Taschen sind superleicht“. Fürs Textil kommt die Rinde, die in Portugal alle sieben Jahre von der Korkeiche geschält wird, nicht in den Schredder. Stattdessen werden feine Korkstreifen auf ein Textil ge- bracht. Da Kork von Natur aus klei- ne Löcher hat, wirdmanchmal noch ein silberner, goldener oder regenbo- genfarbener Stoff zwischen Kork und Trägertextil gelegt, der dezent durch die Löcher hindurchschim- mert. Der Trägerstoff besteht zu rund 30 Prozent aus Baumwolle. Der Rest des Gemischs sind Kunststofffasern, was die Ökobilanz des ansonsten so umweltfreundlichen Materials Kork etwas verschlechtert. Es kommt echtem Leder sehr nahe Dazu kombiniert Köpke Kunstleder, das sie teils aus Italien bezieht und hochwertiger ist als so manche Kunstledercouch. Veganes Leder wird das Material auch genannt – „weil dafür kein Tier sterben muss- te“, sagt Köpke, die sich fleischlos er- nährt. „Und für Korkmuss nicht mal ein Baum sterben.“ Denn die Kork- eiche wird nicht gefällt, sie darf nach dem Schälen weiterwachsen – bis zur nächsten Ernte. Das Kunstleder will Köpke aber ersetzen, „um noch nachhaltiger zu werden.“ Sie interessiert sich für ein neues lederartiges Material, das aus Ananas gewonnen wird. Ihr Hund, dieser „Filou“, hat jedoch nur einen Gedanken, wenn Anne Kathrin Köpke die Kork-Bauchtasche um- bindet, um beim Gassi-Gehen die Hände frei zu haben: Wann bekom- me ich endlich mein Leckerli? Die Bauchtasche gibt es bei „Rufus & Emil“ – ein Geschäft für Hundezubehör in Menden (rufusundemil.de ). Alle Ta- schen im Onlineshop: gretelore.de „Viele denken bei Kork an die Pinnwand.“ Anne Kathrin Köpke von „Grete & Lore“ SERIE Heute: Grete & Lore „Kaufe nichts im Sale, wenn du nicht be- reit wärest, auch den normalen Preis für das Kleidungsstück zu zahlen“, lautet An- ne Kathrin Köpkes Tipp. So oft nehme man mal eben ein Shirt, eine Bluse, ein Tuch mit, weil es angeblich ein Schnäpp- chen ist – aber am Ende sei es dann doch nur ein weiteres Stück im Kleiderschrank, das man nie anzieht. Also lieber Sachen kaufen, weil man sie wirklich haben möchte, und nicht, weil sie billiger sind. Nur so haben sie eine ehrliche Chance, ein neues Lieblingsstück zu werden. MEIN STYLINGTIPP Filou freut sich übers Leckerchen aus der Bauchtasche. Und Anne Kathrin Köpke über freie Hände. Kork ist ihr Hobby Anne Kathrin Köpke fertigt Taschen aus dem Naturstoff, der weicher ist als die meisten vermuten FOTO: INGO OTTO / FUNKE FOTO SERVICES Anzeige am Sonntag WREG3_G MEIN SONNTAG Sonntag, 26. Januar 2020 Seite 32

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