Hamburger Abendblatt | Tatort Hamburg
D er 7. Dezember 1985 ist ein Sonnabend. Ein Tag, an dem junge Leute gerne abends in die Disco gehen und am besten das eigene Auto stehen lassen. Thomas Chrappek, ein 32 Jahre alter ehema- liger Zeitsoldat, der in Harburg an der Thörlstraße lebt und am Wochenende als Aushilfstaxifahrer arbeitet, um sich sein Stu- dium zu finanzieren, hat bereits zehn Touren hinter sich. Um 22.30 Uhr hat er ein Ehepaar zur Nachtvorstellung ins Kino nach Neugraben gebracht. 40 Minuten später ruft jemand von der Te- lefonzelle am alten Hausbrucher Bahnhof aus ein Taxi – für eine Fahrt in die Disco Mic Mac. Kurz darauf steigt er in den elfen- beinfarbenen Mercedes 240 D von Chrappek ein. Gegen 23.30 Uhr sieht ein Autofahrer im fahlen Scheinwer- ferlicht an der Straße zwischen Moisburg (Kreis Harburg) und Immenbek bei Hollenstedt (Kreis Stade) einen Mann unter ei- nem Baum. Der Mann winkt. Der Autofahrer glaubt in der Dun- Raubmord an einemTaxifahrer Thomas Chrappek wurde in der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 1985 von einem Fahrgast, den er von Neugraben-Hausbruch nach Moisburg in die Diskothek Mic Mac fahren sollte, niedergestochen. Die Tat konnte nie aufgeklärt werden TEXT: JÖRG RIEFENSTAHL kelheit, es handle sich um einen Betrunkenen – und fährt weiter. Dann aber ruft er die Polizei. Unterdessen halten zwei junge Hamburger bei dem winken- den Mann. Es ist Thomas Chrappek. „Ich bin Taxifahrer. Man hat mich überfallen“, haucht er ihnen mit tonloser Stimme ent- gegen. Die jungen Leute laden den Schwerverletzten in ihr Auto und rasen los. Wenig später stirbt Chrappek auf dem Weg ins Krankenhaus Buchholz. „Ich war geschockt, als ich hörte, dass Thomas tot ist. Zu- mal es ein so junger Kollege war“, erinnert sich vor einigen Jah- ren bei einem Abendblatt-Gespräch, bei dem es um diesen nach wie vor ungelösten Kriminalfall – ein sogenannter Cold Case – geht, der Harburger Taxifahrer Wolfgang Brandenburg, einer von Chrappeks damaligen Kollegen, der in derselben Nacht Taxi fuhr. Das Weihnachtsgeschäft lief auf vollen Touren. „Thomas ist immer nachts gefahren. Immer am Wochenende“, erinnerte sich Brandenburg. „In der Mordnacht hat mich die Zentrale an- gerufen. Ich sollte sofort kommen.“ Es ist kurz nach halb zwölf Uhr nachts, als Brandenburg die Zentrale erreicht – und erfährt, dass Chrappek überfallen worden ist. Er habe wohl den Notrufknopf unter der Lenksäule betätigt. Damit waren damals alle Taxis ausgestattet. Gegen Mit- ternacht erscheint die Polizei in der Funkzentrale. „Zwei Her- ren in Zivil. Sie sagten, sie kämen aus Buchholz. Sie wollten nur 10 Tatort Hamburg
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