Hamburger Abendblatt | Tatort Hamburg

Ein kilometerlanger Trauerkorso bewegte sich 1985 durch Harburg. Es waren viele Taxifahrer gekommen, um von dem Ermordeten Abschied zu nehmen. Foto: Archiv gingen zusammen in die private Kita „Harburger Zwerge“ an der Marienstraße. „Thomas war gelernter Speditionskaufmann und Zeitsoldat gewesen. Ich habe ihm damals geraten, einen Taxi­ schein zu machen“, so der Harburger Taxifahrer. „Und dann pas- siert so etwas ...“ Die Anteilnahme der Taxifahrer am Schicksal ihres ermor- deten Kollegen ist beinahe grenzenlos. Um ihre tiefe Trauer zu zeigen, rollen zehn Tage nach dem Raubmord weit mehr als 100 Taxifahrer aus Harburg, Hamburg, Lübeck und dem Süder­ elberaum in einem kilometerlangen Konvoi von der Schwarzen- bergstraße über den Harburger Ring und die Bremer Straße zur Beisetzung ihres Kollegen am Neuen Friedhof. An der Spitze des Konvois lenkt Heinrich Quast den Mercedes, in dem Thomas Chrappeks Mörder saß. Auf der Motorhaube ein Blumengesteck. Es sind sogar Taxifahrer aus Wuppertal angereist. Die Fried- hofskapelle ist zu klein. Viele müssen draußen stehen. Zum Leichenschmaus verteilt sich die riesige Trauergemeinde aus Platzgründen auf drei Gaststätten: „Zur grünen Tanne“, „Heit- manns Höh“ und „Blockhaus“ an der Bremer Straße. Für Thore, den Sohn des Ermordeten, haben die Taxifahrer 7000 D-Mark gesammelt. Das Geld soll in eine Ausbildungsver- sicherung für den Jungen fließen. Die Polizei setzt 5000 D-Mark Belohnung zur Ergreifung des Täters aus. Doch die Fahnder der zwölfköpfigen Sonderkommission der Kripo Buxtehude tappen im Dunkeln. Alle Spuren verlaufen zunächst im Sande. Die Obduktion ergibt, dass Chrappek mit einem spitzen Messer oder einem Schraubenzieher erstochen wurde. Zwei Anrufern, die sich kurz darauf selbst des Mordes an Thomas Chrappek bezichtigen, misst die Polizei keine Bedeutung bei. Selbstbezichtigungen gebe es immer, betont ein Kripobeamter. Die Polizei sucht weiter. Nach zwei Männern, die in der Tat- nacht gegen 2 Uhr in Eversen Heide – unweit des Fundortes des Taxis – versucht haben, ein anderes Taxi anzuhalten. Die Täter? Heinrich Quast geht fest davon aus, dass mehrere Täter an dem Raubmord beteiligt waren: „Die haben ihn unter einem Vorwand gebeten anzuhalten. Dann haben sie ihn aus dem Auto gelockt. Das war‘s.“ In die Trauer der Taxifahrer mischt sich Wut. Mitte der 80er-Jahre wird in Hamburg im Schnitt jeden Monat min- 12 Tatort Hamburg

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