Hamburger Abendblatt | Tatort Hamburg
LEICHENTEILE IN BETON – DER STÜCKELMORD VON DITHMARSCHEN E s ist tiefe Nacht, als sich eine schwarz gekleidete Ge stalt aus dem Dunkel des Hauseingangs schleicht. Der Mann läuft geduckt zum Nebengebäude, dabei wuchtet er eine Schubkarre vor sich her. Beide Beine eines Men schen hängen schlaff über den hinteren Rand der Karre. Und von vorne, wo sein Kopf zu liegen gekommen ist, tropft unablässig Blut in den lehmigen Boden des Hofes. Die finstere Gestalt setzt einen Spaten an, um ein Grab zu schaufeln – ein Grab, das nie mals jemand finden soll. Das Böse hat in einem bis dahin ruhigen Dorf in Dithmar schen Einzug gehalten. Hier hat sich ein Verbrechen abgespielt, das schließlich als „Stückel-Mord“ durch die Medien geht. Ein Mann ist im April 2017 von einem Hof verschwunden. Der Ver schollene ist der Besitzer der Anlage, der dort mit seiner Frau und zwei Töchtern gelebt hat. Als seine Frau den 41-Jährigen vermisst meldet und behaup tet, der gebürtige Pole habe sich wohl in sein Heimatland ab gesetzt, wird lange Zeit niemand misstrauisch. Erst zwei Jahre später meldet sich ein Schüler bei der Polizei und erzählt, was ihn belastet hat: Der junge Mann hatte damals eine verschlüssel te Chat-Nachricht von seiner Freundin erhalten: „Heute bringen wir meinen Vater um.“ „Nachdem der Schüler zur Polizei gegangen war, richtete sich der Verdacht gegen die Ehefrau sowie deren Liebhaber, ei nen 46 Jahre alten Mann aus dem Hamburger Rotlichtmilieu“. Der neue Liebhaber war schon längere Zeit zuvor mit auf dem Reiterhof eingezogen. Zwischen ihm und dem Ehemann der Hofbesitzerin hatte es daraufhin öfter Streit gegeben. Schließlich durchsucht die Polizei am 5. März 2019 den Hof. In einer Reithalle wird wenig später ein eingegrabener Torso entdeckt. Wo ist der Rest des Leichnams? Polizeitaucher finden kurze Zeit danach in einem Entwässe rungsgraben mehrere Wannen mit gehärtetemMörtel. Als dieser aufgepickert wird, kommen einbetonierte Leichenteile zum Vor schein. „In der Rechtsmedizin haben wir nachweisen können, dass alle Teile zu dem vermissten 41-Jährigen gehören“, schil dert Klaus Püschel. Identifiziert werden konnte das Opfer anhand einer charak teristischen Tätowierung, die ein Clownsgesicht zeigte, sowie anhand seines Zahnstatus. „Die Untersuchung der Leichenteile ergab, dass einzelne Gliedmaßen mit unterschiedlichen Werk zeugen abgetrennt wurden“, so der Experte weiter. „Der Täter hat Messer, Beil und Säge für sein mörderisches Handwerk ver wendet. Und als Todesursache haben wir zwei Schüsse in den Kopf ermittelt.“ Vor dem Landgericht Itzehoe müssen sich später die Ehe frau und ihr 46 Jahre alter Liebhaber verantworten. Die Staats anwaltschaft wirft dem Paar vor, den 41-Jährigen in einen Hinterhalt gelockt und heimtückisch ermordet zu haben. Um ihr Verbrechen zu verschleiern, sollen sie den Toten zerstückelt und die Leichenteile einbetoniert haben. Die beiden Töchter des Opfers treten als Nebenkläger in dem Verfahren auf. Mehrere Zeugen werden gehört, auch der Schüler, dem die Tochter des Opfers von der Tat berichtet hatte. Der 17-Jährige sagte, auch das Mädchen sei an dem Verbrechen beteiligt gewe sen, indem es mitgeholfen habe, den Vater in die Falle zu locken. Außerdem erzählt ein Mann, mit dem der Angeklagte zusammen in Untersuchungshaft gesessen hat, der 46-Jährige habe ihm die Tat detailliert geschildert. Nun legt der Angeklagte ein Geständnis ab. Er räumt ein, die tödlichen Schüsse abgegeben zu haben – aus Notwehr. Und er habe die Tat ganz allein begangen. Doch das Gericht glaubt ihm nicht. Es verurteilt beide Angeklagten zu lebenslanger Haft wegen Mordes. Die mittlerweile 16 Jahre alte Tochter des Paares wird sich noch in einem gesonderten Verfahren vor dem Jugend gericht verantworten müssen. „Zum Verhängnis wurde dem Opfer nach Überzeugung der Kammer die neue Liebesbeziehung seiner Lebensgefährtin“, erzählt Gerichtsreporterin Mittelacher. „Die 37-Jährige hat, so sieht es das Gericht, den Vater ihrer Töchter loswerden wollen. Und ihr neuer Partner habe die Rolle des Lebensgefährten über nehmen wollen.“ Die Richterin sagte: „Er wollte quasi in die Existenz des Op fers schlüpfen.“ Mit verdeckten Gesichtern sitzen die Angeklagten zum Auftakt des Mordprozesses im Gerichtssaal. Sie haben im April 2017 den damaligen Partner der Frau umgebracht und seine Leiche zerstückelt. Foto: picture alliance/dpa Tatort Hamburg 9
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