NRZ | Dossier | Akte NRW - Wahre Verbrechen
11 AKTE NRW WAHRE VERBRECHEN Von Tim Stinauer Die kleine St. Clemens Kirche in Porz-Langel ist zu eng für die vielen Trauergäste an diesem Mittwoch im Juni 2002. Neben dem Altar hängt ein Bild von Rebecca, verziert mit einer roten Rose. Sonnenblumen schmücken den Raum. Vor der Kirche drängen sich mehr als 500 Menschen um Lautsprecherboxen, die die Worte des Pfarrers ins Freie übertragen. „Wir alle wären heute lieber nicht hier“, sagt der Geistliche. „Aber wir wollen es, wir müssen es", fährt er fort und drückt aus, was wohl die meisten der Anwe- senden empfinden: „Es mischen sich Wut, Abscheu und Ekel angesichts des Mordes an Rebecca.“ Ein Mord, der die Einwohner des dörflich anmuten- den Kölner Stadtteils Langel schwer erschüttert hat. So nachhaltig, dass bis heute niemand im Ort den Namen des 15-jährigen Mädchens vergessen hat. Viele erinnern sich noch gut an sein Gesicht – Rebecca lächelte da- mals von hunderten Suchplakaten, die ihre Eltern und Freunde aufgehängt hatten. Wochenlang war der „Fall Rebecca“ bundesweit in den Schlagzeilen, später tauch- te er in einem Buch über wahre Kriminalfälle auf, und nun enthüllt ein weiteres Buch dreier „Spiegel“-Reporter erstmals im Detail, auf welch abenteuerliche Weise die Kölner Mordkommission seinerzeit Rebeccas Mörder überführte. Denn der V-Mann Murat Cem, ein ehemali- ger Polizeispitzel, über den die Autoren schreiben, sollte Jahre später nicht nur dem Berliner Weihnachtsmarkt- Attentäter Anis Amri auf den Fersen sein. Er war auch derjenige, der bereits 2002 den Durchbruch bei der Su- che nach Rebeccas Mörder brachte. Cem bezeichnet den Fall im kürzlich erschienenen Buch „Undercover. Ein V- Mann packt aus“ als einen, der ihm bis heute zu Herzen geht. Wobei in jenem Frühjahr 2002 gar nicht von Anfang an klar war, dass die 15-Jährige, als lebensfroh geltende Schülerin, getötet wurde. Zunächst hatte sie nur als ver- misst gegolten. Sonntag, der 7. April 2002. Rebecca wohnt mit ihrer jüngeren Schwester, ihrer Mutter und deren Lebensge- fährten mitten im beschaulichen Langel. Am Mittag bre- chen die Mutter, ihr Freund und Rebeccas Schwester zu einem Trödelmarktbesuch auf. Rebecca hat keine Lust. Sie möchte später lieber Freunde treffen. „Wäre schön, wenn du zum Abendessen wieder zu Hause wärst“, sagt die Mutter. „Dann können wir alle zusammen essen.“ Doch die 15-Jährige kehrt am Abend gar nicht mehr nach Hause zurück. Als sie am nächsten Morgen immer noch nicht daheim ist und auch die Lehrer in der Schule sie vermissen, telefoniert die Mutter Rebeccas Freunde ab. Keine Spur. Ist das Mädchen abgehauen? Streit in der Familie gab es nicht, erzählt die Mutter in den Tagen da- nach dem Reporter des „Kölner Stadt-Anzeiger“. In der Nähe des Fund- orts der Leiche legten Freunde und Bekannte Rebeccas Blumen und Briefe nieder. Foto: Stinauer
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