NRZ | Dossier | Akte NRW - Wahre Verbrechen
13 AKTE NRW WAHRE VERBRECHEN Einen Versuch, von dem nicht einmal der Leiter des Mord- dezernats überzeugt ist, wie er Jahre später bekennt. Bei der Polizei gibt es eine Datenbank mit sogenannten V-Leuten, Vertrauenspersonen, die keine Polizisten sind, die aber die Ermittler gegen ein Honorar mit Informationen versorgen. Häufig sind es Kriminelle oder Ex-Verbrecher, die die Seiten gewechselt haben. So ein Mann war Murat Cem. Gerade mal 25 Jahre alt, hatte er die NRW-Polizei bereits erfolgreich bei Ermittlungen im Drogenmilieu unterstützt. „Also gut, versuchen wir’s mit ihm“, beschließt die Kölner Mordkommission. Niemand hat eine bessere Idee. Die Poli- zei mietet ihrem Lockvogel eine unauffällige Erdgeschoss- wohnung in Langel. Cem, so erzählt er es den „Spiegel“-Au- toren, rasiert sich den Bart ab, um jünger zu wirken. Sein Auftrag: Er soll die Jugend-Cliquen um Rebecca und Andreas N. infiltrieren, das Vertrauen des 17-jährigen Berufsschülers gewinnen und ihn zu einem Geständnis bewegen. Der Plan geht auf Murat Cem fährt auf seinem Rad die Treffpunkte der Jugend- lichen ab. Bolzplätze, Spielplätze, Haltestellen, das Rhein- ufer. Er gewinnt ihr Vertrauen, besorgt einem sogar Gras zum Kiffen, wofür er prompt einen Rüffel seiner Auftraggeber kas- siert. Denn strafbar machen sollte er sich nicht, das könnte später das gesamte Gerichtsverfahren kippen. Auch mit And- reas N. freundet Cem sich nach wenigen Wochen an, schein- bar zumindest, N. ahnt nichts. Die beiden verbringen immer mehr Zeit miteinander. Liegen im Freibad herum, spielen in Cems Tarnwohnung Playstation, gehen zusammen ins Köl- ner Bordell Pascha – auf Staatskosten. Und die Investition zahlt sich aus. Auf dem Rückweg vom Eroscenter nach Hau- se wendet N. sich plötzlich an Murat Cem, vergewissert sich, ob er ihm vertrauen könne. Cem bejaht, Andreas N. gesteht ihm: „Ich habe Rebecca umgebracht.“ Das Kölner Landgericht verurteilt den Berufsschüler im Mai 2003 wegen Mordes zu neun Jahren Jugendstrafe im Gefäng- nis, die Kammer bleibt ein Jahr unter der Höchststrafe. N. ge- steht zwar die Tat, bestreitet aber bis zuletzt einen sexuellen Hintergrund – auch wenn am Tatort vieles auf eine Verge- waltigung hindeutete. Unter dem Vorwand, mit Rebecca und einem Freund kiffen zu wollen, habe er sie an jenem Sonn- tagmittag angerufen und auf das Brachgelände in Zündorf gelockt. Tatsächlich erschien er alleine, zum Rauchen hatte er auch nichts dabei. Rebecca wurde wütend, es soll zum Streit gekommen sein, sie soll ihm eine Ohrfeige verpasst ha- ben. Da will er ausgerastet sein und sie erwürgt haben. Ihre Kleidung sei verrutscht, als er sie durchs Unterholz gezogen habe, die Ermittler hielten dies für abwegig. Ermittler sichern Spuren am Tatort auf dem Brachgelände. Fotos: Worring, Shutterstock
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