WP | Dossier | Akte NRW - Wahre Verbrechen
15 AKTE NRW WAHRE VERBRECHEN Von Martin Spletter Von einem „Jahrhundertprozess" ist die Rede, als am 4. Ok- tober 1979 der Serienmörder Joachim Kroll erstmals auf der Anklagebank im Saal 201 des Duisburger Landgerichts Platz nimmt. Ihm werden acht Morde und ein Mordversuch vor- geworfen. Dabei ist die Zahl der Opfer wohl höher. Mitte der Siebziger Jahre gilt Kroll bei den Kindern in der Frie- senstraße im Duisburger Stadtteil Laar als der „liebe Onkel Achim". Ein kleiner, dünner Mann mit Halbglatze und Segel- ohren, der viel hinterm Haus steht und an seinem Mofa he- rumschraubt. Er ist Waschkauenwärter auf der Hamborner August-Thyssen-Hütte, lebt allein in seiner Dachgeschoss- wohnung, grüßt höflich im Flur, wenn er Nachbarn begeg- net. Kollegen nehmen ihn nicht für voll, ein schweigsamer Sonderling. Sonst kann niemand Genaueres über ihn sagen. Das ändert sich Anfang Juli 1976, als in der Siedlung ein Mädchen verschwindet, viereinhalb Jahre alt, die Polizisten klingeln auch bei Kroll. Mieter hatten gemeldet, dass die Roh- re im Haus plötzlich verstopft seien - von Innereien, seltsa- merweise. „Ich hab' ein Kaninchen geschlachtet", stammelte Kroll noch - eine hilflose Ausrede, als die Polizeibeamten in seine Dachgeschosswohnung traten. Das mit dem Schlach- ten stimmt. Es war nur kein Kaninchen. Da ist Kroll, der fortan als „Schlächter von Duisburg" durch die bundesweite Presse geht, geliefert. Er gesteht den Mord an dem Mädchen. Und nicht nur den. 21 Jahre lang hatte Kroll sich durch die Region gemordet, ohne erwischt zu werden. Nach monatelangen Vernehmun- Mit den Ermittlern zurück an einem der alten Tatorte: Der Serienmörder Joachim Kroll sollte mit einem Polizis- ten nachstellen, wie und wo er seine Opfer überwältigt hatte (Polizeiakte, Repro-Foto). Das Foto unten zeigt Joachim Kroll bei einer Tatortbegehung im Wald. gen listet die Polizei die Taten auf, die Kroll nach und nach gestanden hatte - mit dürren Worten wie: „Hab' se kaputt ge- macht." Er verantwortet nicht nur den Tod der Vierjährigen aus Laar, sondern darüberhinaus: den einer 19-Jährigen in Lüdinghausen; einer 16-Jährigen, einer 13-Jährigen und einer 61-Jährigen in Essen; einer 13-Jährigen in Dinslaken, einer 20-Jährigen in Marl, einer 23-Jährigen in Rheinhausen und einer Elfjährigen in Walsum. Eine Zehnjährige in Bottrop überlebt seine Würge-Attacke. Stets nimmt er seine Opfer in den Klammergriff. Einen Mann ersticht er, einen 25-Jährigen in Großenbaum, weil sich Kroll an dessen Freundin verge- hen will. Fotos: Michael Dahlke (Repro), Manfred Foltin, Illustration: Lisa Dießner
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