WP | Dossier | Akte NRW - Wahre Verbrechen

17 Kommt ihm ein „komisches Kribbeln", dann zieht er los, um sich ein Opfer zu suchen, so sagt er aus. Möglichst weit ab- gelegen, irgendwo im Wald am besten, springt der kleine, dünne Mann, der über überraschende Kräfte verfügt, wahl- los die Frau an, die ihm entgegen kommt. Erst wenn sein Opfer sich wehrt, empfindet er so etwas wie Erregung, und später, wenn es den Todeskampf verliert, Befriedigung. Seine perverse Lust steigert sich immer mehr. Zuletzt wird er zum Kannibalen und tut das Unaussprechliche. Kroll war vom Vater früh zum Versager gestempelt worden. Die wenigen Versuche, sich Frauen ganz normal anzunä- hern, scheiterten kläglich. Er schlägt sich durch mit Hilfs- Jobs auf Bauernhöfen, erst in seiner oberschlesischen Hei- mat, später im Sauerland, ab 1952 im Ruhrgebiet. Freunde gewinnt er nirgendwo. Anerkennung anderer erhielt er nie, und jeder Versuch, sich den Frauen auf üblichem Weg zu nä- hern, schlug fehl. Kroll, der sich denkbar schlecht mit Wor- ten ausdrücken konnte und dessen auffälligste Eigenschaft eine eigentümliche Teilnahmslosigkeit war, erntete Absagen, Ohrfeigen, höhnisches Lachen. In Kroll staute sich wohl et- was an - eine Mischung aus Groll, Enttäuschung und Ver- zweiflung, die sich später folgenreich entlud und in groteske Perversionen ausartete. Der Prozess, der acht Fälle in die Anklageschrift aufnimmt - juristisch reicht das für ein angemessenes Urteil -, dauert 151 Tage. Kroll schweigt die meiste Zeit, nur über den Tod der Vierjährigen aus Laar spricht er. Nach zweieinhalb Jah- ren zäher Beweisaufnahme heißt das Urteil „lebenslänglich". Kroll geht ins Gefängnis nach Rheinbach. Es heißt, dass ihn dort niemals jemand besucht habe. Im Juli 1991 schreiben die Zeitungen das letzte Mal über ihn, eine kleine Meldung: Kroll stirbt hinter Gittern an einem Herzinfarkt, mit 58 Jahren. Joachim Kroll (mitte) vor Gericht mit seinen Verteidigern. Symbolfoto Fotos: Shutterstock, Manfred Foltin

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