7 SCHALKES TRIUMPH IM UEFA-POKAL VOR 25 JAHREN zwei Wochen nach dem Roda-Spiel hat Schalke Jörg Berger gefeuert, wohl auf Betreiben der Spieler (was ihnen vorübergehend heftige Fan-Schelte einbrachte). Nachfolger Huub Stevens kommt somit in den seltenen Genuss, trotz Auftaktschlappe in die zweite Pokalrunde einzuziehen. Dort wartet mit dem türkischen Vizemeister ein kniffliger Gegner. Im umkämpften Hinspiel tun sich die Knappen lange schwer. Es ist Martin Max, der in der 77. Minute eine Nemec-Flanke zum erlösenden 1:0 einköpft. Das Rückspiel führt Schalke an die Schwarzmeer-Küste. Viele haben vor dem Hexenkessel des Stadions Avni Aker gewarnt, doch alles läuft scheinbar wie am Schnürchen: Der lange Johan de Kock trifft zweimal per Kopf zur klaren Pausenführung. Dann geht es Schlag auf Schlag. Chota und zweimal Hami (der später auf Schalke zum Einkaufs-Flop werden wird) stellen das Resultat auf 3:2. Die türkischen Fans peitschen ihre Mannschaft nach vorn, um ein Haar hätte der Gast das Ding noch verdaddelt. Wieder heißt der Retter Martin Max, der in der 73. Minute eine Ecke von Anderbrügge einköpft. Puh, tief durchatmen – gerade noch mal gutgegangen. 19.11.1996: Club Brügge – S04 2:1 (1:0) 03.12.1996: S04 – Club Brügge 2:0 (1:0) Was ist das denn? Das Achtelfinal-Hinspiel beim Club Brügge wird zu einer echten Schneeballschlacht. Obwohl der Platz mit einer tiefen Schneedecke überzogen ist, pfeift Schiri Ceccarini das Spiel an. Unter fast irregulären Verhältnissen haben zunächst die Platzherren das Glück auf ihrer Seite. Während Max den Ball nur an den Pfosten zirkelt, trifft Stanic per Kopf zur belgischen Pausenführung. Zu allem Überfluss verschießt Olaf Thon im Tiefschnee auch noch einen Elfmeter, setzt aber nach und holt immerhin noch einen Eckball raus. Aus dem resultiert der vielleicht schönste Schalker Treffer des ganzen Wettbewerbs: Mike Büskens, aktuell Interimstrainer im Aufstiegsrennen, knallt den Ball aus 18 Metern volley in den Winkel. Was für ein Strahl! Spehar legt acht Minuten später zwar noch das 2:1 nach, doch S04 hat das wichtige Auswärtstor erzielt. Im Rückspiel im Parkstadion beginnt Schalke wie entfesselt. Schon nach neun Minuten stellt Martin Max nach Vorarbeit des überragenden Wilmots die Weichen auf Sieg. Die Zuschauer müssen trotz Überlegenheit lange zittern. Bis Youri Mulder in der 90. Minute einen Wilmots-Freistoß zum 2:0 per Kopf einköpft. 04.03.1997: S04 – Valencia CF 2:0 (1:0) 18.03.1997: Valencia CF – S04 1:1 (1:1) Das hätte ins Auge gehen können. Nach nur zwei Minuten im Hinspiel trifft Leandro erst die Latte, dann kann Thomas Linke noch so eben auf der Linie klären. „Hätte Valencia da ein Tor gemacht, hätten wir keine Chance mehr gehabt“, sagt Olaf Thon später. So aber blieibt seine Truppe im Spiel. Und wie! Der kleine Kapitän persönlich bediene in der 44. Minute per Freistoß-Flanke Thomas Linke, der nun vom Torverhinderer zum Vollstrecker wird. Acht Minuten vor dem Ende legt Marc Wilmots nach Vorarbeit von Jiri Nemec das 2:0 nach. Was für eine Ausgangsposition für das ViertelfinalRückspiel beim spanischen Vizemeister. Und auch dort behaupten sich die Gelsenkirchener, ohne die gelbgesperrten Torschützen Linke und Wilmots. Youri Mulder springt in die Bresche und trifft nach Nemec-Vorarbeit zum vorentscheidenden 0:1. Der Ausgleich kurz vor der Pause durch Poyatos – Kosmetik. Lehmann, Büskens, Thon & Co. schaukeln das Ding locker nach Hause. Die Mannschaft und 5.000 mitgereiste Fans feiern einen grandiosen Erfolg: Schalke im Halbfinale! 08.04.1997: CD Teneriffa – S04 1:0 (1:0) 22.04.1997: S04 – CD Teneriffa 2:0 n.V. (0:0, 1:0) Nein, das war nichts für schwache Nerven. Schon die Ausgangsposition fürs Halbfinal-Hinspiel auf der Kanaren-Insel – lausig. Denn nur drei Tage zuvor hatten sich in Karlsruhe innerhalb von wenigenMinuten Youri Mulder (Kreuzbandriss) und Martin Max (Bänderriss im Knöchel) schwer verletzt. Notgedrungen wurde der Tscheche Radoslav Latal als Hilfsstürmer eingesetzt. Aber dieser Abend ist irgendwie verhext. Schon nach sechs Minuten verwandelte Felipe einen lachhaften Strafstoß nach angeblichem Thon-Foul zur Führung von „Don“ Jupp Heynckes‘ Team. Allmählich scheint sich das Blatt zu wenden: Rot für Dorado nach Foul an Latal (54.). Dann legt Ojeda Wilmots im eigenen Strafraum: Erneut rot und Elfmeter! Wer schießt? De Kock angelt sich den Ball – und schiebt ihn links vorbei. War das der millionenschwere Fehlschuss? Zwei Wochen später liegt was in der Luft, das spüren 56.824 Fans von Beginn an. Im Parkstadion herrscht gespannte Erwartung. Aber es braucht seine Zeit, bis die Hausherren ihre Nerven in den Griff bekommen. Gegen die gnadenlos mauernden Gäste aus Teneriffa holt Schalke 9:1-Ecken heraus, doch ohne den M&M-Sturm fehlt die Durchschlagskraft. Ein Standard, wieder mal Thon auf den Kopf von Linke, bringt in der 68. Minute den umjubelten Ausgleich. Kurz vor Schluss scheitert Anderbrügge am Außennetz. Es geht in die Verlängerung. Und dann die 107. Minute: Freistoß für Schalke. Thon auf Wilmots. Drin das Ding! Jubel ohne Ende: Hasta la Vista, Schalke Finalista! Das Traumendspiel gegen Inter Mailand ist perfekt. Am Tag danach gehen in der Schalker Geschäftsstelle 200.000 Ticket-Vorbestellungen ein. Und manchem dämmert nun: Wer so spielt und solche Fans hat – der kann auch den Pott in den Pott holen. De Kock mit „de Kopp“: Zweimal trifft der Niederländer in Trabzon, trotzdem wird es noch ganz eng. Foto: firo Sportphoto/Jürgen Fromme Auch gegen Brügge dürfen Büskens, Thon und Nemec (v.l.) jubeln. Das 2:0 im Parkstadion nach Treffern von Max und Mulder bedeutet den Einzug ins Viertelfinale. Foto: firo / Jürgen Fromme
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