10 BERLIN MIT DEM RAD Mit 20 Jahren, sagt Möller, sei er 1975 zum Wehrdienst an der Berliner Mauer eingesetzt worden. Ein halbes Jahr schob er Wache, „immer mit durchgeladenem Gewehr. Wir erfuhren erst kurz vor dem Einsatz, wo genau wir patrouillieren sollten.“ Zum Glück, sagt Möller, habe es in seiner Zeit keine Fluchtversuche gegeben. „Es galt der Schießbefehl. Ich weiß nicht, was ich getan hätte.“ An Point Alpha in Möllers Heimatstadt Geisa erinnert heute eine Ausstellung an Teilung und Kalten Krieg. Am Mauerweg muss man genauer hinschauen. Nach dem 9. November 1989 wollten viele Berliner die Relikte des DDR-Regimes möglichst schnell beseitigen. „Mauerpicker“ hackten zu Tausenden Stücke aus dem Beton, nicht selten, um sie teuer weiterzuverkaufen. Es dauerte, bis sich Berlin auf die historische Bedeutung besann. Von 2002 bis 2006 wurde der Mauerweg ausgebaut, nach und nach kamen Schilder und die Stelen. „Wir erfuhren erst kurz vor dem Einsatz, wo genau wir patrouillieren sollten.“ Karl Möller, ehemaliger Grenzsoldat Erst seit 2003 steht am Britzer Verbindungskanal auch ein Denkmal für Chris Gueffroy, auch eine Straße ist nach ihm benannt. Der damals 20-Jährige war das letzte Opfer, das im Februar 1989 die Flucht an der Mauer mit dem Leben bezahlte. Er sollte zum Wehrdienst eingezogen werden, sein Traum war Amerika. Gueffroy und ein Freund planten ihre Flucht, nachdem sie Ende 1988 gehört hatten, der Schießbefehl an der Mauer sei ausgesetzt. Ein tragischer Irrtum. Der Mauerweg führt als breiter Radweg zwischen Teltowkanal und Autobahn A113 bis Adlershof. Am Wasser hat der Biber Spuren hinterlassen – abgenagte und teils massenhaft gefällte Stämme zeugen davon, dass die einst seltenen Wasserfreunde sich in Berlin heute wohl fühlen. Die verrostete Späth-Brücke führte ins Nichts, seit Berlin 1961 geteilt wurde. In Adlershof ist kurz Aufmerksamkeit gefragt. Der Mauerweg ist gut ausgeschildert, doch die kleinen, grauen Hinweise sind manchmal schnell übersehen. Unter der Autobahn-Überführung am ErnstRuska-Ufer verläuft der Weg erst auf die andere Straßenseite zu weiteren Stelen, dann unter der Brücke nach oben und auf einer Querung entlang der Autobahnbrücke wieder zur anderen Seite. Wer den Weg findet, wird belohnt. Wenig später steht im Grünen ein Stück „Hinterlandmauer“ hinter solidem Eisendrahtzaun. Mauerpicker gibt es bis heute. Weiter geht es durch eine nur auf den ersten Blick „natürliche“ Landschaft. Ein kleiner Park ist in Wirklichkeit der „Deckel“ des Autobahntunnels. Dahinter ragen die Hochhäuser von Schönefeld auf, man sieht am BER Flugzeuge starten und landen. Auf den Feldern zur Rechten weideten zu Mauerzeiten die letzten Milchkühe von West-Berlin. Heute stehen an den sumpfigen Wasserlöchern im Sommer Wasserbüffel – ein schönes Schauspiel. Wer jetzt eine Pause braucht, kann schauen, ob der Imbiss „Am Ziel“ (Am Klarpfuhl 39, 12355 Berlin) geöffnet hat – so ziemlich die einzige Einkehr-Station direkt am Mauerweg. Eröffnet haben ihn Anwohner, die zu Mauerzeiten einen Swimmingpool an der Mauer hatten. Als aus dem Grenzstreifen ein Ausflugsziel wurde, bauten sie um. An der Waltersdorfer Chaussee passiert man einen weiteren ehemaligen Grenzkontrollpunkt. Hier weiden heute Tiere auf dem „Stadtrandhof“. Als Ausflugsziel eignet sich der „Dörferblick“ in Rudow. Entstanden als Trümmerberg, bot er mit knapp 86 Metern Höhe schon zu Mauerzeiten Weitblick bis zum damaligen Flughafen Schönefeld. Ab hier geht es an der „Stadtkante“ entlang. Rechts die Hochhäuser von Rudow, Buckow und Lichtenrade, links Felder. Noch jedenfalls, denn im
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