RUHRGEBIET AM WASSER Von Erik Acker Das Paddel fest gepackt in beiden Händen. Links ins Wasser eingetaucht und mit viel Kraft nach hinten drücken. Rechts ins Wasser eingetaucht und wieder mit kräftigem Schub nach hinten drücken. Ich sehe wie das Wasser an meinem Kajak vorbei strömt. Ganz schön schnell, denke ich. Dann blicke ich auf die Böschung am linken Ufer. Ernüchterung. Ich bleibe irgendwie auf der Stelle stehen. Michael Seibert von Lippe-Kanu-Touren hatte mich ja gewarnt: „Es gibt auf der Strecke Stellen, an denen man vielleicht aussteigen und das Kajak ziehen sollte.“ Denn ich bin im Kajak auf der Lippe unterwegs – aber stromaufwärts. Ich kenne solche Abenteuer nur von Ausflügen mit mehreren Leuten und in Vierer-Kanus. Alleine und stromaufwärts – Neuland für mich. In Schermbeck unter der Lippebrücke geht ’s los. „Ach, die Strömung sieht ja nicht so wild aus“, denke ich mir. Und ich komme auch voran. Doch ohne es wirklich zu merken, steuert mein Kajak immer wieder nach links. Dann drücke ich mein Paddel rechts gegen das Wasser um mich wieder in gerade Bahnen zu lenken. Zu lang! Jetzt fahre ich nach rechts. Im Zick-Zack-Kurs flussaufwärts. Das soll besser klappen. Als ich ein Gefühl dafür bekomme, wie viel Kraft ich beim Lenken einsetzen muss, kann ich mich darauf konzentrieren, Meter zu machen. Dabei kommt es auf den Rhythmus an. Als Rechtshänder sind meine Paddelschläge auf der rechten Seite naturgemäß etwas kräftiger als auf der linken. Doch wenn ich auf meiner linken Seite darauf achte, mit meinem Paddel im richtigen Winkel und mit der richtigen Eintauchzeit das Wasser nach hinten zu drücken, bekomme ich auch auf der Seite genügend Schub. Paddel für Paddel kämpfe ich mich durch die Strömung. Meine Knie an den Rand des Kajaks gedrückt, versuche ich, das Wackeln auszubalancieren. Wasser spritzt auf meine Hose und Schweiß tropft von meiner Stirn. Ich will es mir selbst aber unbedingt beweisen, strenge mich noch mehr an. Schneller und kräftiger rudere ich mich mit dem Paddel nach vorn. Das Wasser rauscht jetzt direkt an meinen Ohren vorbei, so laut ist es auf einmal, und wieder muss ich an den Experten Michael Seibert und seine Worte denken. Ich fühle mich ein bisschen wie auf der Wildwasserbahn. Aber irgendwann habe ich den Punkt mit der stärksten Strömung überwunden. Mein trockenes T-Shirt ist jedenfalls Geschichte. „MIT DEM STROM KANN JEDER“ Mit dem Kajak gemächlich über die Lippe paddeln? Ganz nett. Aber stromaufwärts? Wir haben den Selbstversuch gemacht – und wurden mit bewundernden Blicken belohnt. 16
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